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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Handelsprivilegien.

sein würde, wo es seine Kriegsflotte eingehen ließe. Oder glaubt man, um nur
ein Beispiel anzuführen, daß sich China den Opiumhandel gefallen lassen würde,
wenn es sich nicht des für den "Freihandel" geführten Krieges, nicht seines zu
Ehren der "Freiheit" geplünderten Kaiserpalastes erinnerte? Wir wollen also
nicht darauf verweisen, daß alle die Unkosten, welche früher der einzelne Kauf¬
herr zum Schutze seiner Schiffe zu tragen hatte, gegenwärtig der Allgemeinheit
zur Last fallen, daß mithin, wenn der Handel in der That keinerlei Vorzüge
genießen sollte, er vorerst mindestens einen recht erheblichen Antheil dieser Un¬
kosten aufbringen müßte.

Doch der Staat ist keine Handelsgesellschaft, in welcher die Generalunkosten
nach dein pecuniären Gewinne der Mitglieder vertheilt werden. Darum ist es
selbstverständlich, daß derselbe von einer besondern Mariuesteuer, welche der
Handel zu tragen hätte, absieht. Aber gegenüber der Prätension des Freihan¬
delssysteins, als ob der Handel nur Freiheit und nichts als Freiheit verlange,
ist es doch nützlich, darauf hinzuweisen, wie viele Millionen alljährlich von den
andern Ständen in seinem Interesse verausgabt werden.

Anders jedoch als beim auswärtige" Handel liegt die Frage der Ersatz¬
pflicht beim innern Handel zwischen Angehörigen desselben Staates. Die Schiff-
barmcichung und Erhaltung der Flüsse und Canäle dient fast ausschließlich dem
Handel. Wenn der Staat diese Arbeiten aus seinen Mitteln aufführen läßt,
so macht er damit dem Handel auf Kosten der andern Erwerbszweige ein Ge¬
schenk. Eben so sollte der Schaden, welchen die Fischerei durch den Dampf¬
schiffverkehr erleidet, vom Handel ersetzt werden. Geschieht dies aus Zweckmäßig-
keitsgründcn nicht, so ist doch Wohl Kar, daß man nicht mehr von "Freihandel"
in dem Sinne sprechen kann, wie derselbe von seinen Anhängern ausgelegt wird,
sondern daß man anerkennen muß, daß der Handel im Gegensatz zu anderen
Berufsarten und auf deren Kosten pecnniäre Privilegien genießt.

Man wende uns nicht ein, daß der Kaufmann und der Schiffer eine Ge¬
werbesteuer, eine Einkommensteuer und was sonst noch bezahlen. Diese Steuern
zahlt auch der Landwirth und der Handwerker. Aber sie verlangen nicht, daß
der Staat für den von ihnen angerichteten Schaden aufkomme oder ihnen gar
umsonst ihr Ackergeräth und ihre Werkzeuge liefere. Was aber für den Tischler
die Werkstatt und die Hobelbank, das ist für den Handel die Straße.

Allein hier handelt sichs nur um einige Millionen auf der einen, um die
Schädigung einiger Tausend Fischereibesitzer und eines einzelnen Productions-
zweiges auf der andern Seite. Der Handel genießt aber Privilegien von un¬
gleich größerer Bedeutung.

Schon an andrer Stelle habe ich auf den Uebelstand hingewiesen,*) welcher
darin liegt, daß die moderne Maschine im Verhältniß zu ihrer Arbeitsleistung



Arbeit und Besteuerung des Menschen und Maschine. Leipzig, 1881.
Handelsprivilegien.

sein würde, wo es seine Kriegsflotte eingehen ließe. Oder glaubt man, um nur
ein Beispiel anzuführen, daß sich China den Opiumhandel gefallen lassen würde,
wenn es sich nicht des für den „Freihandel" geführten Krieges, nicht seines zu
Ehren der „Freiheit" geplünderten Kaiserpalastes erinnerte? Wir wollen also
nicht darauf verweisen, daß alle die Unkosten, welche früher der einzelne Kauf¬
herr zum Schutze seiner Schiffe zu tragen hatte, gegenwärtig der Allgemeinheit
zur Last fallen, daß mithin, wenn der Handel in der That keinerlei Vorzüge
genießen sollte, er vorerst mindestens einen recht erheblichen Antheil dieser Un¬
kosten aufbringen müßte.

Doch der Staat ist keine Handelsgesellschaft, in welcher die Generalunkosten
nach dein pecuniären Gewinne der Mitglieder vertheilt werden. Darum ist es
selbstverständlich, daß derselbe von einer besondern Mariuesteuer, welche der
Handel zu tragen hätte, absieht. Aber gegenüber der Prätension des Freihan¬
delssysteins, als ob der Handel nur Freiheit und nichts als Freiheit verlange,
ist es doch nützlich, darauf hinzuweisen, wie viele Millionen alljährlich von den
andern Ständen in seinem Interesse verausgabt werden.

Anders jedoch als beim auswärtige» Handel liegt die Frage der Ersatz¬
pflicht beim innern Handel zwischen Angehörigen desselben Staates. Die Schiff-
barmcichung und Erhaltung der Flüsse und Canäle dient fast ausschließlich dem
Handel. Wenn der Staat diese Arbeiten aus seinen Mitteln aufführen läßt,
so macht er damit dem Handel auf Kosten der andern Erwerbszweige ein Ge¬
schenk. Eben so sollte der Schaden, welchen die Fischerei durch den Dampf¬
schiffverkehr erleidet, vom Handel ersetzt werden. Geschieht dies aus Zweckmäßig-
keitsgründcn nicht, so ist doch Wohl Kar, daß man nicht mehr von „Freihandel"
in dem Sinne sprechen kann, wie derselbe von seinen Anhängern ausgelegt wird,
sondern daß man anerkennen muß, daß der Handel im Gegensatz zu anderen
Berufsarten und auf deren Kosten pecnniäre Privilegien genießt.

Man wende uns nicht ein, daß der Kaufmann und der Schiffer eine Ge¬
werbesteuer, eine Einkommensteuer und was sonst noch bezahlen. Diese Steuern
zahlt auch der Landwirth und der Handwerker. Aber sie verlangen nicht, daß
der Staat für den von ihnen angerichteten Schaden aufkomme oder ihnen gar
umsonst ihr Ackergeräth und ihre Werkzeuge liefere. Was aber für den Tischler
die Werkstatt und die Hobelbank, das ist für den Handel die Straße.

Allein hier handelt sichs nur um einige Millionen auf der einen, um die
Schädigung einiger Tausend Fischereibesitzer und eines einzelnen Productions-
zweiges auf der andern Seite. Der Handel genießt aber Privilegien von un¬
gleich größerer Bedeutung.

Schon an andrer Stelle habe ich auf den Uebelstand hingewiesen,*) welcher
darin liegt, daß die moderne Maschine im Verhältniß zu ihrer Arbeitsleistung



Arbeit und Besteuerung des Menschen und Maschine. Leipzig, 1881.
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[0549] Handelsprivilegien. sein würde, wo es seine Kriegsflotte eingehen ließe. Oder glaubt man, um nur ein Beispiel anzuführen, daß sich China den Opiumhandel gefallen lassen würde, wenn es sich nicht des für den „Freihandel" geführten Krieges, nicht seines zu Ehren der „Freiheit" geplünderten Kaiserpalastes erinnerte? Wir wollen also nicht darauf verweisen, daß alle die Unkosten, welche früher der einzelne Kauf¬ herr zum Schutze seiner Schiffe zu tragen hatte, gegenwärtig der Allgemeinheit zur Last fallen, daß mithin, wenn der Handel in der That keinerlei Vorzüge genießen sollte, er vorerst mindestens einen recht erheblichen Antheil dieser Un¬ kosten aufbringen müßte. Doch der Staat ist keine Handelsgesellschaft, in welcher die Generalunkosten nach dein pecuniären Gewinne der Mitglieder vertheilt werden. Darum ist es selbstverständlich, daß derselbe von einer besondern Mariuesteuer, welche der Handel zu tragen hätte, absieht. Aber gegenüber der Prätension des Freihan¬ delssysteins, als ob der Handel nur Freiheit und nichts als Freiheit verlange, ist es doch nützlich, darauf hinzuweisen, wie viele Millionen alljährlich von den andern Ständen in seinem Interesse verausgabt werden. Anders jedoch als beim auswärtige» Handel liegt die Frage der Ersatz¬ pflicht beim innern Handel zwischen Angehörigen desselben Staates. Die Schiff- barmcichung und Erhaltung der Flüsse und Canäle dient fast ausschließlich dem Handel. Wenn der Staat diese Arbeiten aus seinen Mitteln aufführen läßt, so macht er damit dem Handel auf Kosten der andern Erwerbszweige ein Ge¬ schenk. Eben so sollte der Schaden, welchen die Fischerei durch den Dampf¬ schiffverkehr erleidet, vom Handel ersetzt werden. Geschieht dies aus Zweckmäßig- keitsgründcn nicht, so ist doch Wohl Kar, daß man nicht mehr von „Freihandel" in dem Sinne sprechen kann, wie derselbe von seinen Anhängern ausgelegt wird, sondern daß man anerkennen muß, daß der Handel im Gegensatz zu anderen Berufsarten und auf deren Kosten pecnniäre Privilegien genießt. Man wende uns nicht ein, daß der Kaufmann und der Schiffer eine Ge¬ werbesteuer, eine Einkommensteuer und was sonst noch bezahlen. Diese Steuern zahlt auch der Landwirth und der Handwerker. Aber sie verlangen nicht, daß der Staat für den von ihnen angerichteten Schaden aufkomme oder ihnen gar umsonst ihr Ackergeräth und ihre Werkzeuge liefere. Was aber für den Tischler die Werkstatt und die Hobelbank, das ist für den Handel die Straße. Allein hier handelt sichs nur um einige Millionen auf der einen, um die Schädigung einiger Tausend Fischereibesitzer und eines einzelnen Productions- zweiges auf der andern Seite. Der Handel genießt aber Privilegien von un¬ gleich größerer Bedeutung. Schon an andrer Stelle habe ich auf den Uebelstand hingewiesen,*) welcher darin liegt, daß die moderne Maschine im Verhältniß zu ihrer Arbeitsleistung Arbeit und Besteuerung des Menschen und Maschine. Leipzig, 1881.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/549>, abgerufen am 15.05.2024.