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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Pietro Lossa,

UM der ersten Aufführung seines jüngsten Dramas beizuwohnen, theils zu seiner
körperlichen Erholung, begeben hatte, einer alsbald als Darmverwicklung er¬
kannten Krankheit, die sich am 25. des Monats durch allgemeines Unwohlsein
angekündigt hatte. Von ihm selbst anfänglich nur für eine leichte Indisposition
gehalten, machte das Uebel rapide Fortschritte, und die eifrigsten Bemühungen
dreier bewährten Aerzte erwiesen sich außer Staude, eine Rettung herbeizuführen.
Umgeben von Verehrern und Freunden, von denen viele erst durch die Nach¬
richt von seiner Erkrankung herbeigerufen worden waren, hauchte der Dichter,
fast bis zuletzt bei klarem Bewußtsein, seinen Geist aus. Unter den höchsten
Ehrenbezeugungen, welche die italienische Nation jemals einem ihrer großen
Todten gewidmet hat, wurde die Leiche nach der ruhmreichen Hauptstadt des
Landes übergeführt, deren Bürger seit mehreren Lustren gewöhnt waren, den
großen Regenerator des italienischen Theaters mit Stolz it nostro LosW zu
nennen.

Wie viele Hoffnungen und Erwartungen sind mit ihm zu Grabe gesunken,
den die unerforschliche Moira in der Vollkraft seines Schaffens hinwegraffte!
^'N frischer Unmittelbarkeit steht vor mir, indem ich diese Zeilen niederschreibe,
das sympathische Bild des kräftigen Mannes mit dem Löwenhaupte, der edel-
geformten hohen Stirn und den freundlich blickenden Augen, der von der schau¬
lustigen Menge Roms im le^dro alsit^ Vkülv mit jenem keine Grenzen lernenden
Enthusiasmus, wie er nur einem Theaterpublicum im leichtaufwallcnden Süden
möglich ist, bei der ersten Darstellung seiner <ülsoxg.trg,, seiner Osoilig, wieder
und wieder auf die Scene gerufen ward. Früh, viel zu früh, wurde seiner
Laufbahn ein Ziel gesetzt. Denn was bedeutet ein Alter von 51 Jahren für
einen schöpferischen Geist, der seiner Nation kein neues Werk vorführte, ohne
damit in ein deutlich erkennbares neues Stadium seiner künstlerischen Entwick¬
lung eingetreten zu sein, seiner nimmermüden Gestaltungskraft neue Aufgaben,
neue Probleme gestellt zu haben? Pietro Cossa zählt nicht zu denjenigen Dich-
tew, die sich selbst überlebten, deren Entwicklung abgeschlossen war, ehe sie aus
dem Dasein schieden. Vielmehr durfte jeder, der seiue bisherige dichterische Lauf¬
bahn überschaute, den nächsten Aeußerungen dieses beweglichen und vielseitigen
Mistes mit Spannung entgegensehen. Die unlängst an anderem Orte von mir
aufgeworfene Frage, ob der Dichter fernerhin seine Erfolge auf dem mit so
großem Glücke von ihm cultivirten Gebiete der altrömischen Geschichte suchen
^erde, ist nur insofern beantwortet, als wir erfahren, daß er in letzter Zeit mit
own eminent dramatischen Stoffe dieser Art, einer Tragödie Lulla beschäf¬
tigt war.

Eine auch nur annähernd erschöpfende Würdigung Cosfas und seiner lite¬
rarischen Bedeutung zu geben, wird, abgesehen von den räumlichen Grenzen,
die dieser Skizze gezogen sind, durch den Umstand wesentlich erschwert, daß wir
seinem Wirken zeitlich viel zu nahe stehen, um uns darüber ein Urtheil zu bilden,


Grenzboten IV. 1331. 11
Pietro Lossa,

UM der ersten Aufführung seines jüngsten Dramas beizuwohnen, theils zu seiner
körperlichen Erholung, begeben hatte, einer alsbald als Darmverwicklung er¬
kannten Krankheit, die sich am 25. des Monats durch allgemeines Unwohlsein
angekündigt hatte. Von ihm selbst anfänglich nur für eine leichte Indisposition
gehalten, machte das Uebel rapide Fortschritte, und die eifrigsten Bemühungen
dreier bewährten Aerzte erwiesen sich außer Staude, eine Rettung herbeizuführen.
Umgeben von Verehrern und Freunden, von denen viele erst durch die Nach¬
richt von seiner Erkrankung herbeigerufen worden waren, hauchte der Dichter,
fast bis zuletzt bei klarem Bewußtsein, seinen Geist aus. Unter den höchsten
Ehrenbezeugungen, welche die italienische Nation jemals einem ihrer großen
Todten gewidmet hat, wurde die Leiche nach der ruhmreichen Hauptstadt des
Landes übergeführt, deren Bürger seit mehreren Lustren gewöhnt waren, den
großen Regenerator des italienischen Theaters mit Stolz it nostro LosW zu
nennen.

Wie viele Hoffnungen und Erwartungen sind mit ihm zu Grabe gesunken,
den die unerforschliche Moira in der Vollkraft seines Schaffens hinwegraffte!
^'N frischer Unmittelbarkeit steht vor mir, indem ich diese Zeilen niederschreibe,
das sympathische Bild des kräftigen Mannes mit dem Löwenhaupte, der edel-
geformten hohen Stirn und den freundlich blickenden Augen, der von der schau¬
lustigen Menge Roms im le^dro alsit^ Vkülv mit jenem keine Grenzen lernenden
Enthusiasmus, wie er nur einem Theaterpublicum im leichtaufwallcnden Süden
möglich ist, bei der ersten Darstellung seiner <ülsoxg.trg,, seiner Osoilig, wieder
und wieder auf die Scene gerufen ward. Früh, viel zu früh, wurde seiner
Laufbahn ein Ziel gesetzt. Denn was bedeutet ein Alter von 51 Jahren für
einen schöpferischen Geist, der seiner Nation kein neues Werk vorführte, ohne
damit in ein deutlich erkennbares neues Stadium seiner künstlerischen Entwick¬
lung eingetreten zu sein, seiner nimmermüden Gestaltungskraft neue Aufgaben,
neue Probleme gestellt zu haben? Pietro Cossa zählt nicht zu denjenigen Dich-
tew, die sich selbst überlebten, deren Entwicklung abgeschlossen war, ehe sie aus
dem Dasein schieden. Vielmehr durfte jeder, der seiue bisherige dichterische Lauf¬
bahn überschaute, den nächsten Aeußerungen dieses beweglichen und vielseitigen
Mistes mit Spannung entgegensehen. Die unlängst an anderem Orte von mir
aufgeworfene Frage, ob der Dichter fernerhin seine Erfolge auf dem mit so
großem Glücke von ihm cultivirten Gebiete der altrömischen Geschichte suchen
^erde, ist nur insofern beantwortet, als wir erfahren, daß er in letzter Zeit mit
own eminent dramatischen Stoffe dieser Art, einer Tragödie Lulla beschäf¬
tigt war.

Eine auch nur annähernd erschöpfende Würdigung Cosfas und seiner lite¬
rarischen Bedeutung zu geben, wird, abgesehen von den räumlichen Grenzen,
die dieser Skizze gezogen sind, durch den Umstand wesentlich erschwert, daß wir
seinem Wirken zeitlich viel zu nahe stehen, um uns darüber ein Urtheil zu bilden,


Grenzboten IV. 1331. 11
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[0087] Pietro Lossa, UM der ersten Aufführung seines jüngsten Dramas beizuwohnen, theils zu seiner körperlichen Erholung, begeben hatte, einer alsbald als Darmverwicklung er¬ kannten Krankheit, die sich am 25. des Monats durch allgemeines Unwohlsein angekündigt hatte. Von ihm selbst anfänglich nur für eine leichte Indisposition gehalten, machte das Uebel rapide Fortschritte, und die eifrigsten Bemühungen dreier bewährten Aerzte erwiesen sich außer Staude, eine Rettung herbeizuführen. Umgeben von Verehrern und Freunden, von denen viele erst durch die Nach¬ richt von seiner Erkrankung herbeigerufen worden waren, hauchte der Dichter, fast bis zuletzt bei klarem Bewußtsein, seinen Geist aus. Unter den höchsten Ehrenbezeugungen, welche die italienische Nation jemals einem ihrer großen Todten gewidmet hat, wurde die Leiche nach der ruhmreichen Hauptstadt des Landes übergeführt, deren Bürger seit mehreren Lustren gewöhnt waren, den großen Regenerator des italienischen Theaters mit Stolz it nostro LosW zu nennen. Wie viele Hoffnungen und Erwartungen sind mit ihm zu Grabe gesunken, den die unerforschliche Moira in der Vollkraft seines Schaffens hinwegraffte! ^'N frischer Unmittelbarkeit steht vor mir, indem ich diese Zeilen niederschreibe, das sympathische Bild des kräftigen Mannes mit dem Löwenhaupte, der edel- geformten hohen Stirn und den freundlich blickenden Augen, der von der schau¬ lustigen Menge Roms im le^dro alsit^ Vkülv mit jenem keine Grenzen lernenden Enthusiasmus, wie er nur einem Theaterpublicum im leichtaufwallcnden Süden möglich ist, bei der ersten Darstellung seiner <ülsoxg.trg,, seiner Osoilig, wieder und wieder auf die Scene gerufen ward. Früh, viel zu früh, wurde seiner Laufbahn ein Ziel gesetzt. Denn was bedeutet ein Alter von 51 Jahren für einen schöpferischen Geist, der seiner Nation kein neues Werk vorführte, ohne damit in ein deutlich erkennbares neues Stadium seiner künstlerischen Entwick¬ lung eingetreten zu sein, seiner nimmermüden Gestaltungskraft neue Aufgaben, neue Probleme gestellt zu haben? Pietro Cossa zählt nicht zu denjenigen Dich- tew, die sich selbst überlebten, deren Entwicklung abgeschlossen war, ehe sie aus dem Dasein schieden. Vielmehr durfte jeder, der seiue bisherige dichterische Lauf¬ bahn überschaute, den nächsten Aeußerungen dieses beweglichen und vielseitigen Mistes mit Spannung entgegensehen. Die unlängst an anderem Orte von mir aufgeworfene Frage, ob der Dichter fernerhin seine Erfolge auf dem mit so großem Glücke von ihm cultivirten Gebiete der altrömischen Geschichte suchen ^erde, ist nur insofern beantwortet, als wir erfahren, daß er in letzter Zeit mit own eminent dramatischen Stoffe dieser Art, einer Tragödie Lulla beschäf¬ tigt war. Eine auch nur annähernd erschöpfende Würdigung Cosfas und seiner lite¬ rarischen Bedeutung zu geben, wird, abgesehen von den räumlichen Grenzen, die dieser Skizze gezogen sind, durch den Umstand wesentlich erschwert, daß wir seinem Wirken zeitlich viel zu nahe stehen, um uns darüber ein Urtheil zu bilden, Grenzboten IV. 1331. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/87>, abgerufen am 14.05.2024.