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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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ein beängstigend fruchtbarer Autor, der für einen konservativ und christlich sein
wollenden Schriftsteller mit dein jüdischen Zeitnngstume vom Schlage des "Berliner
Montagsblattcs" bedenklich eng verbunden ist, bietet in seinen gesammelten Feuil-
letonaufscitzen (Auf der Bresche, Randglossen zum Buche des Lebens u. s. w.) ein
Deutsch, das nndentscher nicht gedacht werden kann. Es mag persönlicher Ge¬
schmack sein, daß uns seine gespreizte Schreibweise das Gegenteil wahrer Vor¬
nehmheit zu sein dünkt; auch der Nachweis, daß sein eintönig formloser Satzbau
von bedenklicher stilistischer llnkraft zeuge, würde über die Grenzen unsrer Auf¬
gabe gehen; aber sein buntscheckig zusammengewürfelter Wortbestand fordert jeden
Deutschen, der seine Muttersprache kennt und liebt, zum stärksten Ausdrucke der
Mißbilligung heraus. Die heißspvrnigen Bestrebungen der einseitig deutsch-
tümelnden Sprachreiniger sind noch immer zu Schanden geworden, und mit
Recht. Daß aber ein deutscher Schriftsteller, wo ihm ein vollgiltiges, aus¬
reichendes deutsches Wort zur Verfügung steht, das deutsche jederzeit dem fremden
Ausdrucke vorziehen soll, ist eine so selbstverständliche, billige Forderung, daß
man sich fast schämt, sie noch ausdrücklich aufzustellen. Gerhard von Amyntor
aber begnügt sich nicht, in solchem Falle das Fremdwort anzuwenden, er sucht
mit Fleiß den Leser durch möglichst weit hergesuchte Fremdausdrücke zu ver¬
blüffen und fügt den schon erschreckend zahlreich eingebürgerten Fremdwörtern
ganz unnütz neue in solcher Menge zu, daß die auslünderndeu deutschen Schrift¬
steller des siebzehnten Jahrhunderts gegen ihn fast als gute Deutsche erscheinen.
Daß jene alten Herren, ehrlicher als die heutigen Sprachverfälscher, ausländische
Worte im Druck auch als fremde kennzeichneten, spricht nur zu ihrem Lobe.
So unerhört nen aber sind die Feuilletongedanken Gerhard von Amyntors nicht,
daß sie mit dem vorhandenen Sprachschatze nicht auszudrücken wären, noch ist
seine Sprachgewalt so groß, daß er zum Sprnchschaffen Beruf hätte; ein
Deutscher aber sollte, wenn durchaus neu gebildet werden muß, deutsche Wörter
bilden, nicht fremden Wust Herüberholen. Selbst der, welcher neben einiger
klassischen Bildung französisch, englisch, italienisch und spanisch versteht, kann
Gerhard von Amyntors Aufsätzchen nicht ohne Fremdwörterbuch und Konver¬
sationslexikon lesen. Wer seine Muttersprache durch solch fremdländisches Un¬
wesen mißstaltet, hat nicht das Recht, sich einen deutschen Schriftsteller zu nennen,
wenn man ihn, der mit solchen Künsteleien seine Gedanken aufzustutzen gezwungen
ist, überhaupt einen Schriftsteller nennen darf. Daß Amyntor bei alledem ein be¬
rühmter deutscher Schriftsteller hat werden können, gehört in das traurige Kapitel
von der litterarischen Selbstachtung der Deutschen.

(FvrtseMng folgt.)




ein beängstigend fruchtbarer Autor, der für einen konservativ und christlich sein
wollenden Schriftsteller mit dein jüdischen Zeitnngstume vom Schlage des „Berliner
Montagsblattcs" bedenklich eng verbunden ist, bietet in seinen gesammelten Feuil-
letonaufscitzen (Auf der Bresche, Randglossen zum Buche des Lebens u. s. w.) ein
Deutsch, das nndentscher nicht gedacht werden kann. Es mag persönlicher Ge¬
schmack sein, daß uns seine gespreizte Schreibweise das Gegenteil wahrer Vor¬
nehmheit zu sein dünkt; auch der Nachweis, daß sein eintönig formloser Satzbau
von bedenklicher stilistischer llnkraft zeuge, würde über die Grenzen unsrer Auf¬
gabe gehen; aber sein buntscheckig zusammengewürfelter Wortbestand fordert jeden
Deutschen, der seine Muttersprache kennt und liebt, zum stärksten Ausdrucke der
Mißbilligung heraus. Die heißspvrnigen Bestrebungen der einseitig deutsch-
tümelnden Sprachreiniger sind noch immer zu Schanden geworden, und mit
Recht. Daß aber ein deutscher Schriftsteller, wo ihm ein vollgiltiges, aus¬
reichendes deutsches Wort zur Verfügung steht, das deutsche jederzeit dem fremden
Ausdrucke vorziehen soll, ist eine so selbstverständliche, billige Forderung, daß
man sich fast schämt, sie noch ausdrücklich aufzustellen. Gerhard von Amyntor
aber begnügt sich nicht, in solchem Falle das Fremdwort anzuwenden, er sucht
mit Fleiß den Leser durch möglichst weit hergesuchte Fremdausdrücke zu ver¬
blüffen und fügt den schon erschreckend zahlreich eingebürgerten Fremdwörtern
ganz unnütz neue in solcher Menge zu, daß die auslünderndeu deutschen Schrift¬
steller des siebzehnten Jahrhunderts gegen ihn fast als gute Deutsche erscheinen.
Daß jene alten Herren, ehrlicher als die heutigen Sprachverfälscher, ausländische
Worte im Druck auch als fremde kennzeichneten, spricht nur zu ihrem Lobe.
So unerhört nen aber sind die Feuilletongedanken Gerhard von Amyntors nicht,
daß sie mit dem vorhandenen Sprachschatze nicht auszudrücken wären, noch ist
seine Sprachgewalt so groß, daß er zum Sprnchschaffen Beruf hätte; ein
Deutscher aber sollte, wenn durchaus neu gebildet werden muß, deutsche Wörter
bilden, nicht fremden Wust Herüberholen. Selbst der, welcher neben einiger
klassischen Bildung französisch, englisch, italienisch und spanisch versteht, kann
Gerhard von Amyntors Aufsätzchen nicht ohne Fremdwörterbuch und Konver¬
sationslexikon lesen. Wer seine Muttersprache durch solch fremdländisches Un¬
wesen mißstaltet, hat nicht das Recht, sich einen deutschen Schriftsteller zu nennen,
wenn man ihn, der mit solchen Künsteleien seine Gedanken aufzustutzen gezwungen
ist, überhaupt einen Schriftsteller nennen darf. Daß Amyntor bei alledem ein be¬
rühmter deutscher Schriftsteller hat werden können, gehört in das traurige Kapitel
von der litterarischen Selbstachtung der Deutschen.

(FvrtseMng folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/229>, abgerufen am 19.05.2024.