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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Der jüngste Tag.

dem Vormittag haben konnte. Aber zu Kairo war ein Passagier an Bord ge¬
stiegen, dessen Gesicht ihm bekannt vorkam. Der Anblick desselben hatte ein
Gedränge alter Erinnerungen, angenehmer und unangenehmer, wachgerufen, und
ein Gedränge der zartesten und grimmigsten Empfindungen, die der Striker je
im Leben gefühlt hatte. Schlafen konnte er unter diesen Umständen nicht, und
so suchte er, da ihm bekannt war, daß der Mut-Clerk die Wache hatte, nach
nenn Uhr das Kvmptoir auf, stellte sich außen vor den Zähltisch und unterhielt
sich mit seinem Freunde, der wenig zu thun hatte, da der größte Teil der
Fracht so verladen war, daß er bis ans Ende der Fahrt an Vord blieb, und
da seine Frachtzettel für Padneah alle fertig gemacht waren. Der Striker
unterhielt sich mit dem Mut-Clerk, hielt aber ein Ange ans das Gedränge von
Passagieren geheftet, die mit einander am Schenktische tranken, im Gescllschafts-
salvn rauchten, an den Tischen des Herrenzimmers lasen oder schrieben oder mit
abgenommenen Hüten galant in der Dameukajüte plauderten, welche im fernen
Hintergründe über einer langen Reihe von Tischen mit grünen Decken und unter
einer langen Reihe vergoldeter Stalaktite" zu sehen war. Die kleinen herab¬
hängenden Glnsprismen unter den Kronleuchtern klirrte" lustig, wenn das Boot
bei jedem Schlag seiner Schaufelräder erzitterte, und gaffende Hinterwäldler
starrten, zum erstenmal von Hanse fort, all de" rostigen Firlefanz an und fragten
sich verwundert, ob Könige wohl imstande wären, mich mir halb so schön zu
N'ohren als sie hier in der Kajüte des "palastartigen Dampfers Jatan," wie
das Boot anf de" Anzeigen geschildert wurde. Das wirre Geumrmel vieler
Stimme", gemischt mit dem lustigen Geklingel der Glasbehänge, gab dem Ganzen
ein lebendiges, aufgewecktes Wesen.

Aber der Striker sah de" Manu "icht. nach denn er a"sheba"te.

Wer stieg in Kairo el"? fragte er. Mir ist, als hätte ich einen Mann
ans unsrer Gegend gesehen.

Das weiß ich wahrhaftig "icht, sagte der Mut-Clerk, der seine Worte in
Phlegmatischer Weise langsam auseinander folge" ließ. Wollen 'mal nachsehen.
Hier steht A. Robertson und T. Lefevre und L. B. Shkes und N. Anderso".

Wo will Anderson hin?

Hat dnrchbezahlt bis Lomsville. Kenne" Sie ih"?

Aber gerade i" diesen" Angenblicke trat Norman Anderson selbst herein "ut
ging mit einer neue" Bekanntschaft nach dein Schenktische. Sie rauchten mit¬
einander nicht die Friedenspfeife wie die rothäntigen Amerikaner, sondern wie
die weißsandiger ließen sie sich eine geheiminSvolle Flüssigkeit mit einer ander"
sorgfältig mischen, "ut indem sie dieses Gebräu verschluckte", besiegelte" sie ihre
-"'"geschlossene Freundschaft "ach dem seltsame" und ""erklärlichen Ritus, der
""ter ihren" Volke Brauch war.

Norma" war zu einer Tour abgeschickt worden, ans der er aufstehende
Gelder emknssiren sollte, u"d da er "ennhnndertnndfünfzig Dollars in der Tasche


Der jüngste Tag.

dem Vormittag haben konnte. Aber zu Kairo war ein Passagier an Bord ge¬
stiegen, dessen Gesicht ihm bekannt vorkam. Der Anblick desselben hatte ein
Gedränge alter Erinnerungen, angenehmer und unangenehmer, wachgerufen, und
ein Gedränge der zartesten und grimmigsten Empfindungen, die der Striker je
im Leben gefühlt hatte. Schlafen konnte er unter diesen Umständen nicht, und
so suchte er, da ihm bekannt war, daß der Mut-Clerk die Wache hatte, nach
nenn Uhr das Kvmptoir auf, stellte sich außen vor den Zähltisch und unterhielt
sich mit seinem Freunde, der wenig zu thun hatte, da der größte Teil der
Fracht so verladen war, daß er bis ans Ende der Fahrt an Vord blieb, und
da seine Frachtzettel für Padneah alle fertig gemacht waren. Der Striker
unterhielt sich mit dem Mut-Clerk, hielt aber ein Ange ans das Gedränge von
Passagieren geheftet, die mit einander am Schenktische tranken, im Gescllschafts-
salvn rauchten, an den Tischen des Herrenzimmers lasen oder schrieben oder mit
abgenommenen Hüten galant in der Dameukajüte plauderten, welche im fernen
Hintergründe über einer langen Reihe von Tischen mit grünen Decken und unter
einer langen Reihe vergoldeter Stalaktite» zu sehen war. Die kleinen herab¬
hängenden Glnsprismen unter den Kronleuchtern klirrte» lustig, wenn das Boot
bei jedem Schlag seiner Schaufelräder erzitterte, und gaffende Hinterwäldler
starrten, zum erstenmal von Hanse fort, all de» rostigen Firlefanz an und fragten
sich verwundert, ob Könige wohl imstande wären, mich mir halb so schön zu
N'ohren als sie hier in der Kajüte des „palastartigen Dampfers Jatan," wie
das Boot anf de» Anzeigen geschildert wurde. Das wirre Geumrmel vieler
Stimme», gemischt mit dem lustigen Geklingel der Glasbehänge, gab dem Ganzen
ein lebendiges, aufgewecktes Wesen.

Aber der Striker sah de» Manu »icht. nach denn er a»sheba»te.

Wer stieg in Kairo el»? fragte er. Mir ist, als hätte ich einen Mann
ans unsrer Gegend gesehen.

Das weiß ich wahrhaftig »icht, sagte der Mut-Clerk, der seine Worte in
Phlegmatischer Weise langsam auseinander folge» ließ. Wollen 'mal nachsehen.
Hier steht A. Robertson und T. Lefevre und L. B. Shkes und N. Anderso».

Wo will Anderson hin?

Hat dnrchbezahlt bis Lomsville. Kenne» Sie ih»?

Aber gerade i» diesen» Angenblicke trat Norman Anderson selbst herein »ut
ging mit einer neue» Bekanntschaft nach dein Schenktische. Sie rauchten mit¬
einander nicht die Friedenspfeife wie die rothäntigen Amerikaner, sondern wie
die weißsandiger ließen sie sich eine geheiminSvolle Flüssigkeit mit einer ander»
sorgfältig mischen, »ut indem sie dieses Gebräu verschluckte», besiegelte» sie ihre
-»'»geschlossene Freundschaft »ach dem seltsame» und »«erklärlichen Ritus, der
»»ter ihren» Volke Brauch war.

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[0050] Der jüngste Tag. dem Vormittag haben konnte. Aber zu Kairo war ein Passagier an Bord ge¬ stiegen, dessen Gesicht ihm bekannt vorkam. Der Anblick desselben hatte ein Gedränge alter Erinnerungen, angenehmer und unangenehmer, wachgerufen, und ein Gedränge der zartesten und grimmigsten Empfindungen, die der Striker je im Leben gefühlt hatte. Schlafen konnte er unter diesen Umständen nicht, und so suchte er, da ihm bekannt war, daß der Mut-Clerk die Wache hatte, nach nenn Uhr das Kvmptoir auf, stellte sich außen vor den Zähltisch und unterhielt sich mit seinem Freunde, der wenig zu thun hatte, da der größte Teil der Fracht so verladen war, daß er bis ans Ende der Fahrt an Vord blieb, und da seine Frachtzettel für Padneah alle fertig gemacht waren. Der Striker unterhielt sich mit dem Mut-Clerk, hielt aber ein Ange ans das Gedränge von Passagieren geheftet, die mit einander am Schenktische tranken, im Gescllschafts- salvn rauchten, an den Tischen des Herrenzimmers lasen oder schrieben oder mit abgenommenen Hüten galant in der Dameukajüte plauderten, welche im fernen Hintergründe über einer langen Reihe von Tischen mit grünen Decken und unter einer langen Reihe vergoldeter Stalaktite» zu sehen war. Die kleinen herab¬ hängenden Glnsprismen unter den Kronleuchtern klirrte» lustig, wenn das Boot bei jedem Schlag seiner Schaufelräder erzitterte, und gaffende Hinterwäldler starrten, zum erstenmal von Hanse fort, all de» rostigen Firlefanz an und fragten sich verwundert, ob Könige wohl imstande wären, mich mir halb so schön zu N'ohren als sie hier in der Kajüte des „palastartigen Dampfers Jatan," wie das Boot anf de» Anzeigen geschildert wurde. Das wirre Geumrmel vieler Stimme», gemischt mit dem lustigen Geklingel der Glasbehänge, gab dem Ganzen ein lebendiges, aufgewecktes Wesen. Aber der Striker sah de» Manu »icht. nach denn er a»sheba»te. Wer stieg in Kairo el»? fragte er. Mir ist, als hätte ich einen Mann ans unsrer Gegend gesehen. Das weiß ich wahrhaftig »icht, sagte der Mut-Clerk, der seine Worte in Phlegmatischer Weise langsam auseinander folge» ließ. Wollen 'mal nachsehen. Hier steht A. Robertson und T. Lefevre und L. B. Shkes und N. Anderso». Wo will Anderson hin? Hat dnrchbezahlt bis Lomsville. Kenne» Sie ih»? Aber gerade i» diesen» Angenblicke trat Norman Anderson selbst herein »ut ging mit einer neue» Bekanntschaft nach dein Schenktische. Sie rauchten mit¬ einander nicht die Friedenspfeife wie die rothäntigen Amerikaner, sondern wie die weißsandiger ließen sie sich eine geheiminSvolle Flüssigkeit mit einer ander» sorgfältig mischen, »ut indem sie dieses Gebräu verschluckte», besiegelte» sie ihre -»'»geschlossene Freundschaft »ach dem seltsame» und »«erklärlichen Ritus, der »»ter ihren» Volke Brauch war. Norma» war zu einer Tour abgeschickt worden, ans der er aufstehende Gelder emknssiren sollte, u»d da er »ennhnndertnndfünfzig Dollars in der Tasche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/50>, abgerufen am 26.05.2024.