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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Lage in Frankreich.

le französische Presse hat in der letzten Zeit mit einer gewissen
Genugthuung verkündigt, daß der Ansgnng der ägyptischen Ver¬
wicklung eine Niederlage für den Fürsten Vismarck bedeute, da
dieser hinter der Zanderpolitik des Sultans gestanden habe. Diese
.Behauptung ist grundlos; denn der deutsche Reichskanzler steht
^'r Pforte mit seiner Politik zwar wohlwollend gegenüber, hält sich aber nicht
berufen, die Rolle eines Beraters derselben zu spielen, der ihr sagt, was
'hr fromme oder uicht. Der Pndischa und seine Minister müssen selbst wissen,
was ihr Interesse erheischt oder verbietet.

Viel besser begründet würde es sein, wenn man sagen wollte, der Triumph
der Engländer am Nil und der Zustand, welcher sich wahrscheinlich daraus ent¬
wickeln wird, werde sich zu einer Schädigung der Interessen Frankreichs und zu
einer Verminderung seines Einflusses gestalten. Zwar ist nicht in Abrede zu
hellen, daß der rasche Sieg Wolseleys über die Ägypter in gewissem Maße auch
Franzosen zu Gute kommt; denn der Schrecken und das Gefühl der Ohr-
'nuche, die dadurch dem Volke im Lande der Pyramiden eingeflößt worden sind,
werden sich selbstverständlich über die ganze muhammedanische Welt, also auch
über diejenigen Teile derselben, welche im Besitze Frankreichs sind, verbreiten,
Und andrerseits wird die neue Ordnung der Dinge, welche in Ägypten beabsich-
^at ist, s^i sie welche sie wolle, zweifelsohne anch die Ansprüche der französischen
gläubiger des ägyptischen Staatsschatzes, soweit sie der Billigkeit entsprechen,
unserer stellen, als sie in den letzten Jahren waren. Aber das ist nicht die
Hauptsache. Wenn Gambettas Organe behaupten, die Expedition Englands und
erer Erfolg habe an dem Condominium Frankreichs und Großbritanniens nichts
geändert, so sagen sie damit nnr etwas halbwahres und werden vermutlich bald


^rnizbotcn IV. 1882. 3


Die Lage in Frankreich.

le französische Presse hat in der letzten Zeit mit einer gewissen
Genugthuung verkündigt, daß der Ansgnng der ägyptischen Ver¬
wicklung eine Niederlage für den Fürsten Vismarck bedeute, da
dieser hinter der Zanderpolitik des Sultans gestanden habe. Diese
.Behauptung ist grundlos; denn der deutsche Reichskanzler steht
^'r Pforte mit seiner Politik zwar wohlwollend gegenüber, hält sich aber nicht
berufen, die Rolle eines Beraters derselben zu spielen, der ihr sagt, was
'hr fromme oder uicht. Der Pndischa und seine Minister müssen selbst wissen,
was ihr Interesse erheischt oder verbietet.

Viel besser begründet würde es sein, wenn man sagen wollte, der Triumph
der Engländer am Nil und der Zustand, welcher sich wahrscheinlich daraus ent¬
wickeln wird, werde sich zu einer Schädigung der Interessen Frankreichs und zu
einer Verminderung seines Einflusses gestalten. Zwar ist nicht in Abrede zu
hellen, daß der rasche Sieg Wolseleys über die Ägypter in gewissem Maße auch
Franzosen zu Gute kommt; denn der Schrecken und das Gefühl der Ohr-
'nuche, die dadurch dem Volke im Lande der Pyramiden eingeflößt worden sind,
werden sich selbstverständlich über die ganze muhammedanische Welt, also auch
über diejenigen Teile derselben, welche im Besitze Frankreichs sind, verbreiten,
Und andrerseits wird die neue Ordnung der Dinge, welche in Ägypten beabsich-
^at ist, s^i sie welche sie wolle, zweifelsohne anch die Ansprüche der französischen
gläubiger des ägyptischen Staatsschatzes, soweit sie der Billigkeit entsprechen,
unserer stellen, als sie in den letzten Jahren waren. Aber das ist nicht die
Hauptsache. Wenn Gambettas Organe behaupten, die Expedition Englands und
erer Erfolg habe an dem Condominium Frankreichs und Großbritanniens nichts
geändert, so sagen sie damit nnr etwas halbwahres und werden vermutlich bald


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[0061] [Abbildung] Die Lage in Frankreich. le französische Presse hat in der letzten Zeit mit einer gewissen Genugthuung verkündigt, daß der Ansgnng der ägyptischen Ver¬ wicklung eine Niederlage für den Fürsten Vismarck bedeute, da dieser hinter der Zanderpolitik des Sultans gestanden habe. Diese .Behauptung ist grundlos; denn der deutsche Reichskanzler steht ^'r Pforte mit seiner Politik zwar wohlwollend gegenüber, hält sich aber nicht berufen, die Rolle eines Beraters derselben zu spielen, der ihr sagt, was 'hr fromme oder uicht. Der Pndischa und seine Minister müssen selbst wissen, was ihr Interesse erheischt oder verbietet. Viel besser begründet würde es sein, wenn man sagen wollte, der Triumph der Engländer am Nil und der Zustand, welcher sich wahrscheinlich daraus ent¬ wickeln wird, werde sich zu einer Schädigung der Interessen Frankreichs und zu einer Verminderung seines Einflusses gestalten. Zwar ist nicht in Abrede zu hellen, daß der rasche Sieg Wolseleys über die Ägypter in gewissem Maße auch Franzosen zu Gute kommt; denn der Schrecken und das Gefühl der Ohr- 'nuche, die dadurch dem Volke im Lande der Pyramiden eingeflößt worden sind, werden sich selbstverständlich über die ganze muhammedanische Welt, also auch über diejenigen Teile derselben, welche im Besitze Frankreichs sind, verbreiten, Und andrerseits wird die neue Ordnung der Dinge, welche in Ägypten beabsich- ^at ist, s^i sie welche sie wolle, zweifelsohne anch die Ansprüche der französischen gläubiger des ägyptischen Staatsschatzes, soweit sie der Billigkeit entsprechen, unserer stellen, als sie in den letzten Jahren waren. Aber das ist nicht die Hauptsache. Wenn Gambettas Organe behaupten, die Expedition Englands und erer Erfolg habe an dem Condominium Frankreichs und Großbritanniens nichts geändert, so sagen sie damit nnr etwas halbwahres und werden vermutlich bald ^rnizbotcn IV. 1882. 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/61>, abgerufen am 26.05.2024.