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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die österreichischen Auponprocesse.

Silberwährung kontrahirt worden sind und in ihr zu bezahlen wären, wenn
die Silberwährung noch bestünde und nicht durch die Goldwährung ersetzt wäre.
Diese Bestimmung wäre also giltige Norm für alle Zahlungen, welche bis dahin
in inländischer Währung in Deutschland zu leisten waren, gleichviel, ob der
Gläubiger oder Schuldner Ausländer oder Inländer ist.

Andrer Meinung waren die österreichischen Schuldner, Nach der Ein¬
führung der Goldwährung in Deutschland, behaupteten sie, sei der noch vor¬
läufig im Umlauf gelassene Thaler etwas ganz andres, nämlich ein Wertzeichen
der Goldwährung geworden, er habe durch seine Gleichstellung mit drei Mark
in Gold eine künstliche Werterhöhung erfahren, die je nach dem Stande des
Silberkurses 15 bis 25 Prozent betrage; die Aktiengesellschaften seien aber jetzt
nicht mehr gebunden, 133^ Thaler zu zahlen, welche unter Umständen 230
bis 250 Gulden gleichkämen, sondern mir verpflichtet, das Aequivalent von
200 Gulden zu entrichten, also etwa 321 bis 348 Mark.

Sehen wir von der strenge" Rechtsfrage einstweilen ab, so läßt sich nicht
in Abrede stellen, daß gewisse Gründe der Billigkeit zu Gunsten der Schuldner
sprechen. Erhalten haben die Oesterreicher noch nicht ganz 600 Millionen
Gulden, die sie thatsächlich mit mehr als sechs Procent zu verzinsen und mit
einem Aufschlag von 20 bis 25 Procent zurückzuzahlen übernommen haben.
Von der Geldbezeichnuug abgesehen, so sind für etwa 10 bis 11 Millionen ent¬
liehene Zollpfund Silbers jährlich etwa 666 666 Zollpfund als Zinsen, 13
bis 14 Millionen Zollpfund aber als Rückzahlungssumme zu verwenden. Weniger
zahlen die Eisenbahngesellschaften auch heute nicht. Die Deutschen aber verlangen
noch 15 Procent mehr, als Zuschlag für den heute gesunkenen Silberkurs. Hatten
sie aber ursprünglich mehr als die obengenannten Mengen Silbers erwartet,
mehr an Zinsen, mehr als Kapitalsrestitntion? Die Erwartung ging zweifellos
nur auf die Silberbeträge, welche den angegebenen Geldsummen zur Zeit der
Emission der fraglichen Papiere entsprachen. Bei einem Emissionskurs der sünf-
proccntigen Obligationen von etwa 80 Procent erwartete man auf 80 Teile
eingezahlten Silbers jährlich 5 Teile als Zinsen und 100 Teile als Rück¬
zahlung, nicht mehr und nicht weniger. Jetzt verlangen die Deutschen, jährlich
5,75 bis 6,1 Teile als Zinsen zu erhalten, 115 bis 125 Teile aber als Kapitals¬
rückzahlung. "Erscheint es der allgemeinen Billigkeit und vous, ückss gemäß,
dem Schuldner soviel mehr aufzuerlegen, dem Gläubiger aber soviel mehr zu¬
zusprechen, als woran beide Parteien bei der Eingehung des Rechtsgeschäfts
gedacht?"

Die Gläubiger aber bestanden wie Shylock auf ihrem Schein, sie verklagten
die Gesellschaften, sie legten vorher Beschlag auf ihre Wagen, wenn sie aus
deutschen Bahnen liefen und zwangen so gelegentlich die Schuldner zu zahlen.
Aber eben doch nur gelegentlich, da die betreffenden Wagen bald nicht mehr
über die deutsche Grenze gingen, anch dnrch Artikel 17 des deutsch-österreichischen


Die österreichischen Auponprocesse.

Silberwährung kontrahirt worden sind und in ihr zu bezahlen wären, wenn
die Silberwährung noch bestünde und nicht durch die Goldwährung ersetzt wäre.
Diese Bestimmung wäre also giltige Norm für alle Zahlungen, welche bis dahin
in inländischer Währung in Deutschland zu leisten waren, gleichviel, ob der
Gläubiger oder Schuldner Ausländer oder Inländer ist.

Andrer Meinung waren die österreichischen Schuldner, Nach der Ein¬
führung der Goldwährung in Deutschland, behaupteten sie, sei der noch vor¬
läufig im Umlauf gelassene Thaler etwas ganz andres, nämlich ein Wertzeichen
der Goldwährung geworden, er habe durch seine Gleichstellung mit drei Mark
in Gold eine künstliche Werterhöhung erfahren, die je nach dem Stande des
Silberkurses 15 bis 25 Prozent betrage; die Aktiengesellschaften seien aber jetzt
nicht mehr gebunden, 133^ Thaler zu zahlen, welche unter Umständen 230
bis 250 Gulden gleichkämen, sondern mir verpflichtet, das Aequivalent von
200 Gulden zu entrichten, also etwa 321 bis 348 Mark.

Sehen wir von der strenge» Rechtsfrage einstweilen ab, so läßt sich nicht
in Abrede stellen, daß gewisse Gründe der Billigkeit zu Gunsten der Schuldner
sprechen. Erhalten haben die Oesterreicher noch nicht ganz 600 Millionen
Gulden, die sie thatsächlich mit mehr als sechs Procent zu verzinsen und mit
einem Aufschlag von 20 bis 25 Procent zurückzuzahlen übernommen haben.
Von der Geldbezeichnuug abgesehen, so sind für etwa 10 bis 11 Millionen ent¬
liehene Zollpfund Silbers jährlich etwa 666 666 Zollpfund als Zinsen, 13
bis 14 Millionen Zollpfund aber als Rückzahlungssumme zu verwenden. Weniger
zahlen die Eisenbahngesellschaften auch heute nicht. Die Deutschen aber verlangen
noch 15 Procent mehr, als Zuschlag für den heute gesunkenen Silberkurs. Hatten
sie aber ursprünglich mehr als die obengenannten Mengen Silbers erwartet,
mehr an Zinsen, mehr als Kapitalsrestitntion? Die Erwartung ging zweifellos
nur auf die Silberbeträge, welche den angegebenen Geldsummen zur Zeit der
Emission der fraglichen Papiere entsprachen. Bei einem Emissionskurs der sünf-
proccntigen Obligationen von etwa 80 Procent erwartete man auf 80 Teile
eingezahlten Silbers jährlich 5 Teile als Zinsen und 100 Teile als Rück¬
zahlung, nicht mehr und nicht weniger. Jetzt verlangen die Deutschen, jährlich
5,75 bis 6,1 Teile als Zinsen zu erhalten, 115 bis 125 Teile aber als Kapitals¬
rückzahlung. „Erscheint es der allgemeinen Billigkeit und vous, ückss gemäß,
dem Schuldner soviel mehr aufzuerlegen, dem Gläubiger aber soviel mehr zu¬
zusprechen, als woran beide Parteien bei der Eingehung des Rechtsgeschäfts
gedacht?"

Die Gläubiger aber bestanden wie Shylock auf ihrem Schein, sie verklagten
die Gesellschaften, sie legten vorher Beschlag auf ihre Wagen, wenn sie aus
deutschen Bahnen liefen und zwangen so gelegentlich die Schuldner zu zahlen.
Aber eben doch nur gelegentlich, da die betreffenden Wagen bald nicht mehr
über die deutsche Grenze gingen, anch dnrch Artikel 17 des deutsch-österreichischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/20>, abgerufen am 25.05.2024.