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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die deutschen Anegervercine,

Es ist allgemein anerkannt, in wie hohem Grade segensreich die Armee
nach dieser Richtung wirkt. Namentlich das feste Aneinanderschließen von
Männern aus den verschiedensten Lebenskreisen, die Kameradschaftlichkeit und
die damit verbundene gegenseitige Treue entwickelt sich in den Reihen des
deutschen Heeres in solchem Maße, daß sie vielfach die Dienstzeit weit über¬
dauert und die Grundlage abgiebt für manche Vereinigung mit Zwecken und
Zielen, die in ihrer weitern Verbreitung wieder dem allgemeinen zu Gute
kommen.

Zu diesen letztem gehören vor allen Dingen die Kriegervereine. In
Preußen, dem eigentlichen Lande der allgemeinen Dienstpflicht, vielleicht auch
in einigen andern deutschen Staaten bestanden derartige Vereine und Verbände
schon längere Zeit, infolge der Neugestaltung so mancher politischen und mili¬
tärischen Verhältnisse habe" sie sich aber setzt über das ganze Reich verbreitet.
Man wird in der Annahme nicht zu hoch greifen, daß augenblicklich wenigstens
eine halbe Million thatkräftiger Männer, lauter frühere Soldaten der verschie¬
densten Dienststellung und aus allen bürgerlichen Gesellschaftsklassen, zu solchen
Kriegervereineu oder Verbänden zusammengeschlossen sind. Mögen diese Ver¬
einigungen nun verschiedene Bezeichnungen führen oder in Bezug ans die Mit¬
gliedschaft sich teilweise innerhalb eines räumlich eng begrenzten Rahmens bewegen,
so gründen sie sich doch ohne Ausnahme auf das aus militärischer Dienstzeit
hergeleitete Gefühl der Kameradschaft, des festen Zusammenstehens in Freud und
Leid, und haben wohl sämtlich die Unterstützung hilfsbedürftiger Vereinsmit¬
glieder und ihrer Witwen und Waisen zu einem schönen Zwecke ihrer Wirk¬
samkeit gemacht. Eine über das Gebiet dieser ihrer innern Thätigkeit hinaus¬
reichende allgemeine Bedeutung gewinnen aber die Kriegervereine dadurch, daß
sie in ihrer Gesamtheit das Panier echt deutscher Fürstentreue hoch und heilig
halten und so schon durch die bloße Thatsache ihres Bestehens für die destruk¬
tiven Tendenzen gewisser politischen Richtungen einen Stein des Anstoßes bilden.

Zum erstenmale nach jahrhundertelanger Schmach und Zerstückelung war
es in den denkwürdigen Feldzügen der Jahre 1870 und 1871 den streitbaren
deutschen Männern ans allen Gauen des weiten Vaterlandes vergönnt gewesen,
Schulter an Schulter in hingebender Waffenbrüderschaft zu kämpfen und dem
übermütigen Erbfeinde deutscher Kultur und Gesittung den Fuß auf den Nacken
zu setzen. Sie hatten dabei gelernt, sich nicht lediglich als die Söhne einzelner,
wenn auch noch so begabter Stämme und Staaten, sondern gleichzeitig als die
Mitglieder eiuer starken, zu neuem Leben erwachten Nation zu fühlen. In der
nachklingenden Begeisterung gemeinsam durchlebter großer Zeit, in dem stolzen
Selbstgefühl, welches die Brust jedes Patrioten bei der Aufrichtung des neuen
Reiches schwellte, fehlte es auch nicht an Anregungen, welche bezweckten, durch
Verbindung sämtlicher vorhandenen deutschen Kriegervereine aus Nord und Süd,
aus Ost und West zu einer einzigen Gemeinschaft der thatsächlichen Zusammen-


Grcnzboten I. 18S3. - 25
Die deutschen Anegervercine,

Es ist allgemein anerkannt, in wie hohem Grade segensreich die Armee
nach dieser Richtung wirkt. Namentlich das feste Aneinanderschließen von
Männern aus den verschiedensten Lebenskreisen, die Kameradschaftlichkeit und
die damit verbundene gegenseitige Treue entwickelt sich in den Reihen des
deutschen Heeres in solchem Maße, daß sie vielfach die Dienstzeit weit über¬
dauert und die Grundlage abgiebt für manche Vereinigung mit Zwecken und
Zielen, die in ihrer weitern Verbreitung wieder dem allgemeinen zu Gute
kommen.

Zu diesen letztem gehören vor allen Dingen die Kriegervereine. In
Preußen, dem eigentlichen Lande der allgemeinen Dienstpflicht, vielleicht auch
in einigen andern deutschen Staaten bestanden derartige Vereine und Verbände
schon längere Zeit, infolge der Neugestaltung so mancher politischen und mili¬
tärischen Verhältnisse habe» sie sich aber setzt über das ganze Reich verbreitet.
Man wird in der Annahme nicht zu hoch greifen, daß augenblicklich wenigstens
eine halbe Million thatkräftiger Männer, lauter frühere Soldaten der verschie¬
densten Dienststellung und aus allen bürgerlichen Gesellschaftsklassen, zu solchen
Kriegervereineu oder Verbänden zusammengeschlossen sind. Mögen diese Ver¬
einigungen nun verschiedene Bezeichnungen führen oder in Bezug ans die Mit¬
gliedschaft sich teilweise innerhalb eines räumlich eng begrenzten Rahmens bewegen,
so gründen sie sich doch ohne Ausnahme auf das aus militärischer Dienstzeit
hergeleitete Gefühl der Kameradschaft, des festen Zusammenstehens in Freud und
Leid, und haben wohl sämtlich die Unterstützung hilfsbedürftiger Vereinsmit¬
glieder und ihrer Witwen und Waisen zu einem schönen Zwecke ihrer Wirk¬
samkeit gemacht. Eine über das Gebiet dieser ihrer innern Thätigkeit hinaus¬
reichende allgemeine Bedeutung gewinnen aber die Kriegervereine dadurch, daß
sie in ihrer Gesamtheit das Panier echt deutscher Fürstentreue hoch und heilig
halten und so schon durch die bloße Thatsache ihres Bestehens für die destruk¬
tiven Tendenzen gewisser politischen Richtungen einen Stein des Anstoßes bilden.

Zum erstenmale nach jahrhundertelanger Schmach und Zerstückelung war
es in den denkwürdigen Feldzügen der Jahre 1870 und 1871 den streitbaren
deutschen Männern ans allen Gauen des weiten Vaterlandes vergönnt gewesen,
Schulter an Schulter in hingebender Waffenbrüderschaft zu kämpfen und dem
übermütigen Erbfeinde deutscher Kultur und Gesittung den Fuß auf den Nacken
zu setzen. Sie hatten dabei gelernt, sich nicht lediglich als die Söhne einzelner,
wenn auch noch so begabter Stämme und Staaten, sondern gleichzeitig als die
Mitglieder eiuer starken, zu neuem Leben erwachten Nation zu fühlen. In der
nachklingenden Begeisterung gemeinsam durchlebter großer Zeit, in dem stolzen
Selbstgefühl, welches die Brust jedes Patrioten bei der Aufrichtung des neuen
Reiches schwellte, fehlte es auch nicht an Anregungen, welche bezweckten, durch
Verbindung sämtlicher vorhandenen deutschen Kriegervereine aus Nord und Süd,
aus Ost und West zu einer einzigen Gemeinschaft der thatsächlichen Zusammen-


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[0201] Die deutschen Anegervercine, Es ist allgemein anerkannt, in wie hohem Grade segensreich die Armee nach dieser Richtung wirkt. Namentlich das feste Aneinanderschließen von Männern aus den verschiedensten Lebenskreisen, die Kameradschaftlichkeit und die damit verbundene gegenseitige Treue entwickelt sich in den Reihen des deutschen Heeres in solchem Maße, daß sie vielfach die Dienstzeit weit über¬ dauert und die Grundlage abgiebt für manche Vereinigung mit Zwecken und Zielen, die in ihrer weitern Verbreitung wieder dem allgemeinen zu Gute kommen. Zu diesen letztem gehören vor allen Dingen die Kriegervereine. In Preußen, dem eigentlichen Lande der allgemeinen Dienstpflicht, vielleicht auch in einigen andern deutschen Staaten bestanden derartige Vereine und Verbände schon längere Zeit, infolge der Neugestaltung so mancher politischen und mili¬ tärischen Verhältnisse habe» sie sich aber setzt über das ganze Reich verbreitet. Man wird in der Annahme nicht zu hoch greifen, daß augenblicklich wenigstens eine halbe Million thatkräftiger Männer, lauter frühere Soldaten der verschie¬ densten Dienststellung und aus allen bürgerlichen Gesellschaftsklassen, zu solchen Kriegervereineu oder Verbänden zusammengeschlossen sind. Mögen diese Ver¬ einigungen nun verschiedene Bezeichnungen führen oder in Bezug ans die Mit¬ gliedschaft sich teilweise innerhalb eines räumlich eng begrenzten Rahmens bewegen, so gründen sie sich doch ohne Ausnahme auf das aus militärischer Dienstzeit hergeleitete Gefühl der Kameradschaft, des festen Zusammenstehens in Freud und Leid, und haben wohl sämtlich die Unterstützung hilfsbedürftiger Vereinsmit¬ glieder und ihrer Witwen und Waisen zu einem schönen Zwecke ihrer Wirk¬ samkeit gemacht. Eine über das Gebiet dieser ihrer innern Thätigkeit hinaus¬ reichende allgemeine Bedeutung gewinnen aber die Kriegervereine dadurch, daß sie in ihrer Gesamtheit das Panier echt deutscher Fürstentreue hoch und heilig halten und so schon durch die bloße Thatsache ihres Bestehens für die destruk¬ tiven Tendenzen gewisser politischen Richtungen einen Stein des Anstoßes bilden. Zum erstenmale nach jahrhundertelanger Schmach und Zerstückelung war es in den denkwürdigen Feldzügen der Jahre 1870 und 1871 den streitbaren deutschen Männern ans allen Gauen des weiten Vaterlandes vergönnt gewesen, Schulter an Schulter in hingebender Waffenbrüderschaft zu kämpfen und dem übermütigen Erbfeinde deutscher Kultur und Gesittung den Fuß auf den Nacken zu setzen. Sie hatten dabei gelernt, sich nicht lediglich als die Söhne einzelner, wenn auch noch so begabter Stämme und Staaten, sondern gleichzeitig als die Mitglieder eiuer starken, zu neuem Leben erwachten Nation zu fühlen. In der nachklingenden Begeisterung gemeinsam durchlebter großer Zeit, in dem stolzen Selbstgefühl, welches die Brust jedes Patrioten bei der Aufrichtung des neuen Reiches schwellte, fehlte es auch nicht an Anregungen, welche bezweckten, durch Verbindung sämtlicher vorhandenen deutschen Kriegervereine aus Nord und Süd, aus Ost und West zu einer einzigen Gemeinschaft der thatsächlichen Zusammen- Grcnzboten I. 18S3. - 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/201>, abgerufen am 19.05.2024.