Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Orne pura. >venig ist der menschliche Körper imstande, durch größere Mengen vegetabilischer Die wissenschaftliche Theorie verlangt für die rationelle Ernährung des Zwar ist der Fleischkonsum, auch in Deutschland, vo" Jahr zu Jahr ge¬ Unter solchen Umständen lag der Gedanke nahe, die großen Viehbestände Zunächst begann man damit, das überseeische Fleisch in Form von Kon¬ Orne pura. >venig ist der menschliche Körper imstande, durch größere Mengen vegetabilischer Die wissenschaftliche Theorie verlangt für die rationelle Ernährung des Zwar ist der Fleischkonsum, auch in Deutschland, vo» Jahr zu Jahr ge¬ Unter solchen Umständen lag der Gedanke nahe, die großen Viehbestände Zunächst begann man damit, das überseeische Fleisch in Form von Kon¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0568" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152446"/> <fw type="header" place="top"> Orne pura.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2150" prev="#ID_2149"> >venig ist der menschliche Körper imstande, durch größere Mengen vegetabilischer<lb/> Nahrungsmittel über ein bestimmtes Maß hinaus diesen Mangel auszugleichen,<lb/> so daß Personen, deren Hauptnahrung etwa aus Kartoffeln besteht, wohl ein<lb/> schwammiges, aufgedunsenes Aussehen bekommen, ohne doch die rechte markige<lb/> Kraft zu angestrengter Arbeit zu gewinnen. Hieraus folgt ohne weiteres, daß<lb/> unter normalen Verhältnissen das Fleisch innerhalb der wünschenswerten ge¬<lb/> mischten Kost einen erheblichen Bruchteil bilde» sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2151"> Die wissenschaftliche Theorie verlangt für die rationelle Ernährung des<lb/> ausgewachsenen kräftige» Arbeiters eine tägliche Fleischportion von 250 Gramm,<lb/> wie der Fleischer die Waare mit Fett und Knochen liefert. Auf den ersten Blick<lb/> leuchtet el», wie weit im deutsche» Volksleben die Wirklichkeit hinter diesem<lb/> wünschenswerte» Ziele zurückbleibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2152"> Zwar ist der Fleischkonsum, auch in Deutschland, vo» Jahr zu Jahr ge¬<lb/> stiegen; er hat sich beispielsweise in Berlin während des Zeitraums von 1873<lb/> bis 1878 von 144 auf 180 Gramm täglich für die Person gehoben, was ein<lb/> erfreuliches Zeugnis von der» Wachstum des allgemeinen Wohlstandes ablegt.<lb/> Dennoch gelingt es bei aller Sorgfalt der Einteilung, bei größter Sparsamkeit,<lb/> bei Ankäufen im großen und manchen andern kleinen Ersparnissen nicht einmal<lb/> der Heeresverwaltung, den Mannschaften mit den vorhandenen Mitteln eine<lb/> tägliche Fleischportion von 250 Gramm zukomme» zu lassen, und es giebt wohl<lb/> keine einzige deutsche Arbeiterfamilie, welche durchschnittlich eine auch nur an¬<lb/> nähernd so bedeutende Menge von Fleisch erschwingen könnte. In manche»<lb/> Arbeiterküchen wird vielleicht nur am Sonntage ein kleines Stück Fleisch gekocht,<lb/> und vielfach mag auch das nicht einmal regelmäßig geschehen. Mit der starken<lb/> Zunahme der Bevölkerung hat die Abnahme des Schlachtviehbestandes im ganzen<lb/> westlichen Europa gleichen Schritt gehalten, und neben manchen andern Gründen<lb/> hat dieser Unistand die Fleischpreise derartig in die Höhe getrieben, daß es unter<lb/> den heutigen Lvhnverhältnissen dem Arbeiter unmöglich ist, das zu seiner aus¬<lb/> reichenden Ernährung so notwendige Fleisch regelmäßig zu beschaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2153"> Unter solchen Umständen lag der Gedanke nahe, die großen Viehbestände<lb/> Anstraliens, der Vereinigten Staaten und Südamerikas denn Bedürfnisse des<lb/> enropäischen Kontinents nutzbar zu macheu. Es ist dies auch in einer Ausdehnung<lb/> geschehen, daß der internationale Fleisch- und Viehhandel, der vor zwanzig Jahren<lb/> kaum noch Beachtung verdiente, inzwischen einen mächtigen Aufschwung genommen<lb/> hat und sein Gesamtumsatz im Jahre 1877 bereits 1946 Millionen Mark betrug,<lb/> eine Summe, die in den folgenden Jahren noch beträchtlich überschritten worden<lb/> sein dürfte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2154" next="#ID_2155"> Zunächst begann man damit, das überseeische Fleisch in Form von Kon¬<lb/> serven verschiedenster Art und Zusammensetzung zu uns herüberzubringen. Am<lb/> bekanntesten und bewährtesten ist das nach seinem Erfinder benante Liebigsche<lb/> Fleischextrakt, das so allgemeine Verbreitung gefunden hat, daß 1876 in dein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0568]
Orne pura.
>venig ist der menschliche Körper imstande, durch größere Mengen vegetabilischer
Nahrungsmittel über ein bestimmtes Maß hinaus diesen Mangel auszugleichen,
so daß Personen, deren Hauptnahrung etwa aus Kartoffeln besteht, wohl ein
schwammiges, aufgedunsenes Aussehen bekommen, ohne doch die rechte markige
Kraft zu angestrengter Arbeit zu gewinnen. Hieraus folgt ohne weiteres, daß
unter normalen Verhältnissen das Fleisch innerhalb der wünschenswerten ge¬
mischten Kost einen erheblichen Bruchteil bilde» sollte.
Die wissenschaftliche Theorie verlangt für die rationelle Ernährung des
ausgewachsenen kräftige» Arbeiters eine tägliche Fleischportion von 250 Gramm,
wie der Fleischer die Waare mit Fett und Knochen liefert. Auf den ersten Blick
leuchtet el», wie weit im deutsche» Volksleben die Wirklichkeit hinter diesem
wünschenswerte» Ziele zurückbleibt.
Zwar ist der Fleischkonsum, auch in Deutschland, vo» Jahr zu Jahr ge¬
stiegen; er hat sich beispielsweise in Berlin während des Zeitraums von 1873
bis 1878 von 144 auf 180 Gramm täglich für die Person gehoben, was ein
erfreuliches Zeugnis von der» Wachstum des allgemeinen Wohlstandes ablegt.
Dennoch gelingt es bei aller Sorgfalt der Einteilung, bei größter Sparsamkeit,
bei Ankäufen im großen und manchen andern kleinen Ersparnissen nicht einmal
der Heeresverwaltung, den Mannschaften mit den vorhandenen Mitteln eine
tägliche Fleischportion von 250 Gramm zukomme» zu lassen, und es giebt wohl
keine einzige deutsche Arbeiterfamilie, welche durchschnittlich eine auch nur an¬
nähernd so bedeutende Menge von Fleisch erschwingen könnte. In manche»
Arbeiterküchen wird vielleicht nur am Sonntage ein kleines Stück Fleisch gekocht,
und vielfach mag auch das nicht einmal regelmäßig geschehen. Mit der starken
Zunahme der Bevölkerung hat die Abnahme des Schlachtviehbestandes im ganzen
westlichen Europa gleichen Schritt gehalten, und neben manchen andern Gründen
hat dieser Unistand die Fleischpreise derartig in die Höhe getrieben, daß es unter
den heutigen Lvhnverhältnissen dem Arbeiter unmöglich ist, das zu seiner aus¬
reichenden Ernährung so notwendige Fleisch regelmäßig zu beschaffen.
Unter solchen Umständen lag der Gedanke nahe, die großen Viehbestände
Anstraliens, der Vereinigten Staaten und Südamerikas denn Bedürfnisse des
enropäischen Kontinents nutzbar zu macheu. Es ist dies auch in einer Ausdehnung
geschehen, daß der internationale Fleisch- und Viehhandel, der vor zwanzig Jahren
kaum noch Beachtung verdiente, inzwischen einen mächtigen Aufschwung genommen
hat und sein Gesamtumsatz im Jahre 1877 bereits 1946 Millionen Mark betrug,
eine Summe, die in den folgenden Jahren noch beträchtlich überschritten worden
sein dürfte.
Zunächst begann man damit, das überseeische Fleisch in Form von Kon¬
serven verschiedenster Art und Zusammensetzung zu uns herüberzubringen. Am
bekanntesten und bewährtesten ist das nach seinem Erfinder benante Liebigsche
Fleischextrakt, das so allgemeine Verbreitung gefunden hat, daß 1876 in dein
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