Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Das neue Aktiengesetz.

lassung ausländischer Wertpapiere recht vorsichtig zu sein. Aber wir fürchten,
daß diese platonische Mahnung nichts nützen wird, ebenso wie der Hinweis, daß,
wer aus dem Erwerb solcher Papiere zu Schaden komme, sich denselben selbst
zuschreiben müsse. Hier muß Wandel geschaffen werden, und wir zweifeln nicht,
daß der mächtige Kanzler mit seinen Hilfskräften auch hier die richtige Lösung
finden wird.

Dies sind die Grundzüge des Entwurfs. Die Weitschweifigkeit unsrer Be¬
trachtungen mag der geneigte Leser mit dem Umfang der Vorlage und seiner
Bedeutung für unser wirtschaftliches Leben entschuldigen. Das Gesamtergebnis
dieser Erörterungen kann uns nur zufrieden stellen. Vom wirtschaftlichen Stand¬
punkt -- und dieser war hier der ausschlaggebende -- muß die Tendenz des
Entwurfs gebilligt werden, da sie darauf gerichtet ist, die beklagenswerten Aus¬
schreitungen auf dem Gebiete des Aktienwesens künftighin zu verhindern. Wir
geben uns sogar der Hoffnung hin, daß die Lösung der hier obwaltenden Streit¬
punkte nicht von der Zinne der Partei erfolgen wird, und einige Stimmen in
der Tagespresse deuten darauf hin, daß wir uns nicht täuschen. Die Börsen¬
blätter, welche lediglich dem Interesse des Jobbcrtums dienen, können sich mit
dem Entwurf nicht einverstanden erklären, deren Zustimmung würde vielmehr
ein recht schlimmes Zeichen sein. Von andrer Seite dagegen, die sonst unbe¬
sehen tadelt, was von der Regierung herkommt, ist dem Entwurf Lob gespendet
worden. Wir haben hier nur die Tendenz im Auge gehabt. Ob nicht noch
an einzelnen Vorschriften eine Änderung vorgenommen werden sollte, mag
dahingestellt bleiben, wenn nur die einmal eingeschlagene Richtung keine Ände¬
rung erleidet. Wir behalten uns vor, den Leserkreis über die weitern Schick¬
sale der Vorlage auf dem Laufenden zu erhalten.

Eines aber muß schon jetzt hervorgehoben werden. Aus der hier gegebenen
Darstellung tritt der Gegensatz des Entwurfs zu dem bestehenden Recht klar
hervor. In diesem ist das 1870 in voller Blüte stehende Manchestertum zum
unverwischten Ausdruck gekommen, das Kapital wurde entfesselt, und gegen die
ihm freigegebene Kaperei mochte sich jeder schützen, so gut oder schlecht er konnte,
für die Dummen giebt es ja darnach keinen Schutz. Diesem Gesetz gegenüber beruht
der Entwurf auf jenen Grundsätzen, welche seit dem Jahre 1878 die Politik
des Kanzlers beherrschen, wenn auch in einzelnen Punkten jene Prinzipien eine
Änderung zulassen sollten. Es gehört also eine sehr bewußte Naivität dazu
-- um es nicht schärfer zu bezeichnen --, wenn sezessionistische Blätter in
dem Entwurf das Aufgeben der bisherigen Richtung in der Politik des Kanz¬
lers bezeichnen und bemerken, daß dieselbe eigentlich zu einer Vernichtung der
Aktiengesellschaften führen müsse. Wie thöricht das ist, darf schon als oben be¬
wiesen angesehen werden. Aber man giebt sich nicht damit zufrieden, es wird
versteckt und offen angedeutet, daß die Mitarbeiter des Kanzlers noch stark in
manchesterlichen Theorien befangen seien, und daß für die entgegengesetzte Rich-


Das neue Aktiengesetz.

lassung ausländischer Wertpapiere recht vorsichtig zu sein. Aber wir fürchten,
daß diese platonische Mahnung nichts nützen wird, ebenso wie der Hinweis, daß,
wer aus dem Erwerb solcher Papiere zu Schaden komme, sich denselben selbst
zuschreiben müsse. Hier muß Wandel geschaffen werden, und wir zweifeln nicht,
daß der mächtige Kanzler mit seinen Hilfskräften auch hier die richtige Lösung
finden wird.

Dies sind die Grundzüge des Entwurfs. Die Weitschweifigkeit unsrer Be¬
trachtungen mag der geneigte Leser mit dem Umfang der Vorlage und seiner
Bedeutung für unser wirtschaftliches Leben entschuldigen. Das Gesamtergebnis
dieser Erörterungen kann uns nur zufrieden stellen. Vom wirtschaftlichen Stand¬
punkt — und dieser war hier der ausschlaggebende — muß die Tendenz des
Entwurfs gebilligt werden, da sie darauf gerichtet ist, die beklagenswerten Aus¬
schreitungen auf dem Gebiete des Aktienwesens künftighin zu verhindern. Wir
geben uns sogar der Hoffnung hin, daß die Lösung der hier obwaltenden Streit¬
punkte nicht von der Zinne der Partei erfolgen wird, und einige Stimmen in
der Tagespresse deuten darauf hin, daß wir uns nicht täuschen. Die Börsen¬
blätter, welche lediglich dem Interesse des Jobbcrtums dienen, können sich mit
dem Entwurf nicht einverstanden erklären, deren Zustimmung würde vielmehr
ein recht schlimmes Zeichen sein. Von andrer Seite dagegen, die sonst unbe¬
sehen tadelt, was von der Regierung herkommt, ist dem Entwurf Lob gespendet
worden. Wir haben hier nur die Tendenz im Auge gehabt. Ob nicht noch
an einzelnen Vorschriften eine Änderung vorgenommen werden sollte, mag
dahingestellt bleiben, wenn nur die einmal eingeschlagene Richtung keine Ände¬
rung erleidet. Wir behalten uns vor, den Leserkreis über die weitern Schick¬
sale der Vorlage auf dem Laufenden zu erhalten.

Eines aber muß schon jetzt hervorgehoben werden. Aus der hier gegebenen
Darstellung tritt der Gegensatz des Entwurfs zu dem bestehenden Recht klar
hervor. In diesem ist das 1870 in voller Blüte stehende Manchestertum zum
unverwischten Ausdruck gekommen, das Kapital wurde entfesselt, und gegen die
ihm freigegebene Kaperei mochte sich jeder schützen, so gut oder schlecht er konnte,
für die Dummen giebt es ja darnach keinen Schutz. Diesem Gesetz gegenüber beruht
der Entwurf auf jenen Grundsätzen, welche seit dem Jahre 1878 die Politik
des Kanzlers beherrschen, wenn auch in einzelnen Punkten jene Prinzipien eine
Änderung zulassen sollten. Es gehört also eine sehr bewußte Naivität dazu
— um es nicht schärfer zu bezeichnen —, wenn sezessionistische Blätter in
dem Entwurf das Aufgeben der bisherigen Richtung in der Politik des Kanz¬
lers bezeichnen und bemerken, daß dieselbe eigentlich zu einer Vernichtung der
Aktiengesellschaften führen müsse. Wie thöricht das ist, darf schon als oben be¬
wiesen angesehen werden. Aber man giebt sich nicht damit zufrieden, es wird
versteckt und offen angedeutet, daß die Mitarbeiter des Kanzlers noch stark in
manchesterlichen Theorien befangen seien, und daß für die entgegengesetzte Rich-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154521"/>
            <fw type="header" place="top"> Das neue Aktiengesetz.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1063" prev="#ID_1062"> lassung ausländischer Wertpapiere recht vorsichtig zu sein. Aber wir fürchten,<lb/>
daß diese platonische Mahnung nichts nützen wird, ebenso wie der Hinweis, daß,<lb/>
wer aus dem Erwerb solcher Papiere zu Schaden komme, sich denselben selbst<lb/>
zuschreiben müsse. Hier muß Wandel geschaffen werden, und wir zweifeln nicht,<lb/>
daß der mächtige Kanzler mit seinen Hilfskräften auch hier die richtige Lösung<lb/>
finden wird.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1064"> Dies sind die Grundzüge des Entwurfs. Die Weitschweifigkeit unsrer Be¬<lb/>
trachtungen mag der geneigte Leser mit dem Umfang der Vorlage und seiner<lb/>
Bedeutung für unser wirtschaftliches Leben entschuldigen. Das Gesamtergebnis<lb/>
dieser Erörterungen kann uns nur zufrieden stellen. Vom wirtschaftlichen Stand¬<lb/>
punkt &#x2014; und dieser war hier der ausschlaggebende &#x2014; muß die Tendenz des<lb/>
Entwurfs gebilligt werden, da sie darauf gerichtet ist, die beklagenswerten Aus¬<lb/>
schreitungen auf dem Gebiete des Aktienwesens künftighin zu verhindern. Wir<lb/>
geben uns sogar der Hoffnung hin, daß die Lösung der hier obwaltenden Streit¬<lb/>
punkte nicht von der Zinne der Partei erfolgen wird, und einige Stimmen in<lb/>
der Tagespresse deuten darauf hin, daß wir uns nicht täuschen. Die Börsen¬<lb/>
blätter, welche lediglich dem Interesse des Jobbcrtums dienen, können sich mit<lb/>
dem Entwurf nicht einverstanden erklären, deren Zustimmung würde vielmehr<lb/>
ein recht schlimmes Zeichen sein. Von andrer Seite dagegen, die sonst unbe¬<lb/>
sehen tadelt, was von der Regierung herkommt, ist dem Entwurf Lob gespendet<lb/>
worden. Wir haben hier nur die Tendenz im Auge gehabt. Ob nicht noch<lb/>
an einzelnen Vorschriften eine Änderung vorgenommen werden sollte, mag<lb/>
dahingestellt bleiben, wenn nur die einmal eingeschlagene Richtung keine Ände¬<lb/>
rung erleidet. Wir behalten uns vor, den Leserkreis über die weitern Schick¬<lb/>
sale der Vorlage auf dem Laufenden zu erhalten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1065" next="#ID_1066"> Eines aber muß schon jetzt hervorgehoben werden. Aus der hier gegebenen<lb/>
Darstellung tritt der Gegensatz des Entwurfs zu dem bestehenden Recht klar<lb/>
hervor. In diesem ist das 1870 in voller Blüte stehende Manchestertum zum<lb/>
unverwischten Ausdruck gekommen, das Kapital wurde entfesselt, und gegen die<lb/>
ihm freigegebene Kaperei mochte sich jeder schützen, so gut oder schlecht er konnte,<lb/>
für die Dummen giebt es ja darnach keinen Schutz. Diesem Gesetz gegenüber beruht<lb/>
der Entwurf auf jenen Grundsätzen, welche seit dem Jahre 1878 die Politik<lb/>
des Kanzlers beherrschen, wenn auch in einzelnen Punkten jene Prinzipien eine<lb/>
Änderung zulassen sollten. Es gehört also eine sehr bewußte Naivität dazu<lb/>
&#x2014; um es nicht schärfer zu bezeichnen &#x2014;, wenn sezessionistische Blätter in<lb/>
dem Entwurf das Aufgeben der bisherigen Richtung in der Politik des Kanz¬<lb/>
lers bezeichnen und bemerken, daß dieselbe eigentlich zu einer Vernichtung der<lb/>
Aktiengesellschaften führen müsse. Wie thöricht das ist, darf schon als oben be¬<lb/>
wiesen angesehen werden. Aber man giebt sich nicht damit zufrieden, es wird<lb/>
versteckt und offen angedeutet, daß die Mitarbeiter des Kanzlers noch stark in<lb/>
manchesterlichen Theorien befangen seien, und daß für die entgegengesetzte Rich-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0356] Das neue Aktiengesetz. lassung ausländischer Wertpapiere recht vorsichtig zu sein. Aber wir fürchten, daß diese platonische Mahnung nichts nützen wird, ebenso wie der Hinweis, daß, wer aus dem Erwerb solcher Papiere zu Schaden komme, sich denselben selbst zuschreiben müsse. Hier muß Wandel geschaffen werden, und wir zweifeln nicht, daß der mächtige Kanzler mit seinen Hilfskräften auch hier die richtige Lösung finden wird. Dies sind die Grundzüge des Entwurfs. Die Weitschweifigkeit unsrer Be¬ trachtungen mag der geneigte Leser mit dem Umfang der Vorlage und seiner Bedeutung für unser wirtschaftliches Leben entschuldigen. Das Gesamtergebnis dieser Erörterungen kann uns nur zufrieden stellen. Vom wirtschaftlichen Stand¬ punkt — und dieser war hier der ausschlaggebende — muß die Tendenz des Entwurfs gebilligt werden, da sie darauf gerichtet ist, die beklagenswerten Aus¬ schreitungen auf dem Gebiete des Aktienwesens künftighin zu verhindern. Wir geben uns sogar der Hoffnung hin, daß die Lösung der hier obwaltenden Streit¬ punkte nicht von der Zinne der Partei erfolgen wird, und einige Stimmen in der Tagespresse deuten darauf hin, daß wir uns nicht täuschen. Die Börsen¬ blätter, welche lediglich dem Interesse des Jobbcrtums dienen, können sich mit dem Entwurf nicht einverstanden erklären, deren Zustimmung würde vielmehr ein recht schlimmes Zeichen sein. Von andrer Seite dagegen, die sonst unbe¬ sehen tadelt, was von der Regierung herkommt, ist dem Entwurf Lob gespendet worden. Wir haben hier nur die Tendenz im Auge gehabt. Ob nicht noch an einzelnen Vorschriften eine Änderung vorgenommen werden sollte, mag dahingestellt bleiben, wenn nur die einmal eingeschlagene Richtung keine Ände¬ rung erleidet. Wir behalten uns vor, den Leserkreis über die weitern Schick¬ sale der Vorlage auf dem Laufenden zu erhalten. Eines aber muß schon jetzt hervorgehoben werden. Aus der hier gegebenen Darstellung tritt der Gegensatz des Entwurfs zu dem bestehenden Recht klar hervor. In diesem ist das 1870 in voller Blüte stehende Manchestertum zum unverwischten Ausdruck gekommen, das Kapital wurde entfesselt, und gegen die ihm freigegebene Kaperei mochte sich jeder schützen, so gut oder schlecht er konnte, für die Dummen giebt es ja darnach keinen Schutz. Diesem Gesetz gegenüber beruht der Entwurf auf jenen Grundsätzen, welche seit dem Jahre 1878 die Politik des Kanzlers beherrschen, wenn auch in einzelnen Punkten jene Prinzipien eine Änderung zulassen sollten. Es gehört also eine sehr bewußte Naivität dazu — um es nicht schärfer zu bezeichnen —, wenn sezessionistische Blätter in dem Entwurf das Aufgeben der bisherigen Richtung in der Politik des Kanz¬ lers bezeichnen und bemerken, daß dieselbe eigentlich zu einer Vernichtung der Aktiengesellschaften führen müsse. Wie thöricht das ist, darf schon als oben be¬ wiesen angesehen werden. Aber man giebt sich nicht damit zufrieden, es wird versteckt und offen angedeutet, daß die Mitarbeiter des Kanzlers noch stark in manchesterlichen Theorien befangen seien, und daß für die entgegengesetzte Rich-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/356
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/356>, abgerufen am 20.05.2024.