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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francesca von Rimini,

Nicht bloß der Dichter, bemerkte Oswald, auch der Künstler muß mit
dem Könige gehen, und alle die Meister der Renaissance haben ihre großen
Werke unter dem Einfluß mächtiger Fürsten und Patrone ausgeübt.

Nicht alle, erwiederte Francesca, Correggio, dieser liebenswürdigste unsrer
Maler, hat in der stillen Abgeschiedenheit des häuslichen Glückes die Samm¬
lung und den unerschöpflichen Quell sür seine Meisterwerke gefunden. Denn
nicht immer sind es die reinen Strahlen der Sonne, welche den Künstler am
Hofe seiner Mäcene beleuchten. Mit der Anerkennung erscheint auch Mißgunst
und Neid, und in dem kleinlichen Kampfe mit diesen haben sich schon die besten
Kräfte aufgerieben.

In den Leben, meinte Oswald, ist aber auch der Antrieb zu neuem Schaffen,
der Künstler kann beobachten, er ist dem geistigen Getriebe der Gegenwart nahe,
und aus ihren Gegensätzen klärt sich für ihn die Idee zu neuen Bildern ab.

Nicht neidenswert, Oswald, erscheint mir der Künstler, der seine Werke nicht
aus der eignen Brust schöpft, sondern sie erst in der Unruhe des Lebens finden
muß. Dann ist es nicht mehr die heilige Begeisterung für die Kunst, die ihn
beseelt, dann werden es die Neigungen der Menge sein, denen er nachspürt und
denen er zu gefallen sucht.

Und die Heimat und den Freundeskreis ansteht du für nichts?

Wohl weiß ich es, Oswald, daß es ein Opfer war, als du hierher dich
verpflanztest, aber ist nicht Italien die zweite Heimat des Künstlers, und hat
auch deine Francesca sich nicht bemüht, dir hier das Entbehrte zu ersetzen?
Wohl bin ich bereit, dir überallhin zu folgen, wohin deine Neigung dich ruft,
und auch andre heilige Pflichten um deinetwillen zu opfern. Aber hier sind
wir so glücklich, laß uns diesen Frieden erhalten, den du indeß schützen wirst,
wenn die Aufregung, in welche dich der Erfolg deines Gemäldes versetzte, vor¬
über ist.

Wenn dann Oswald in die treuen, bittenden Augen Francescas sah, dann
war jeder Widerstand vorüber, daun fühlte er sich überzeugt und schalt sich
einen Undankbaren, der eine solche Frau nicht verdiene. Aber ein solches Ein
lenken war doch nur vorübergehend und seine Unruhe kehrte nach einigen Tagen
wieder. In trüber Stimmung hielt er dann wohl auch Fmnceseas Meinung
nur für den Ausdruck des Egoismus einer übertriebenen Liebe und Ängstlich¬
keit. Mehrere Tage vergingen, während deren sei" Interesse für Berlin dnrch
neue Siegesnnchrichtcn genährt wurde. Dann trat wieder eine Pause el", bis
endlich Oswald einen Brief ans dem Kultusministerium erhielt, in welchem ihm
angezeigt wurde, daß sei" Bild für 10 000 Mark vou der Natioualgalerie an¬
gekauft sei und daß der König dem Künstler auf den einstimmigen Antrag der
Jury die große goldne Medaille verliehen habe. Dem amtlichen Schreiben war
ein Privatbrief des Dezernenten beigefügt, worin dem Maler eine zu schaffende
Professur an der Akademie angeboten und gleichzeitig angedeutet wurde, daß


Francesca von Rimini,

Nicht bloß der Dichter, bemerkte Oswald, auch der Künstler muß mit
dem Könige gehen, und alle die Meister der Renaissance haben ihre großen
Werke unter dem Einfluß mächtiger Fürsten und Patrone ausgeübt.

Nicht alle, erwiederte Francesca, Correggio, dieser liebenswürdigste unsrer
Maler, hat in der stillen Abgeschiedenheit des häuslichen Glückes die Samm¬
lung und den unerschöpflichen Quell sür seine Meisterwerke gefunden. Denn
nicht immer sind es die reinen Strahlen der Sonne, welche den Künstler am
Hofe seiner Mäcene beleuchten. Mit der Anerkennung erscheint auch Mißgunst
und Neid, und in dem kleinlichen Kampfe mit diesen haben sich schon die besten
Kräfte aufgerieben.

In den Leben, meinte Oswald, ist aber auch der Antrieb zu neuem Schaffen,
der Künstler kann beobachten, er ist dem geistigen Getriebe der Gegenwart nahe,
und aus ihren Gegensätzen klärt sich für ihn die Idee zu neuen Bildern ab.

Nicht neidenswert, Oswald, erscheint mir der Künstler, der seine Werke nicht
aus der eignen Brust schöpft, sondern sie erst in der Unruhe des Lebens finden
muß. Dann ist es nicht mehr die heilige Begeisterung für die Kunst, die ihn
beseelt, dann werden es die Neigungen der Menge sein, denen er nachspürt und
denen er zu gefallen sucht.

Und die Heimat und den Freundeskreis ansteht du für nichts?

Wohl weiß ich es, Oswald, daß es ein Opfer war, als du hierher dich
verpflanztest, aber ist nicht Italien die zweite Heimat des Künstlers, und hat
auch deine Francesca sich nicht bemüht, dir hier das Entbehrte zu ersetzen?
Wohl bin ich bereit, dir überallhin zu folgen, wohin deine Neigung dich ruft,
und auch andre heilige Pflichten um deinetwillen zu opfern. Aber hier sind
wir so glücklich, laß uns diesen Frieden erhalten, den du indeß schützen wirst,
wenn die Aufregung, in welche dich der Erfolg deines Gemäldes versetzte, vor¬
über ist.

Wenn dann Oswald in die treuen, bittenden Augen Francescas sah, dann
war jeder Widerstand vorüber, daun fühlte er sich überzeugt und schalt sich
einen Undankbaren, der eine solche Frau nicht verdiene. Aber ein solches Ein
lenken war doch nur vorübergehend und seine Unruhe kehrte nach einigen Tagen
wieder. In trüber Stimmung hielt er dann wohl auch Fmnceseas Meinung
nur für den Ausdruck des Egoismus einer übertriebenen Liebe und Ängstlich¬
keit. Mehrere Tage vergingen, während deren sei» Interesse für Berlin dnrch
neue Siegesnnchrichtcn genährt wurde. Dann trat wieder eine Pause el», bis
endlich Oswald einen Brief ans dem Kultusministerium erhielt, in welchem ihm
angezeigt wurde, daß sei» Bild für 10 000 Mark vou der Natioualgalerie an¬
gekauft sei und daß der König dem Künstler auf den einstimmigen Antrag der
Jury die große goldne Medaille verliehen habe. Dem amtlichen Schreiben war
ein Privatbrief des Dezernenten beigefügt, worin dem Maler eine zu schaffende
Professur an der Akademie angeboten und gleichzeitig angedeutet wurde, daß


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[0422] Francesca von Rimini, Nicht bloß der Dichter, bemerkte Oswald, auch der Künstler muß mit dem Könige gehen, und alle die Meister der Renaissance haben ihre großen Werke unter dem Einfluß mächtiger Fürsten und Patrone ausgeübt. Nicht alle, erwiederte Francesca, Correggio, dieser liebenswürdigste unsrer Maler, hat in der stillen Abgeschiedenheit des häuslichen Glückes die Samm¬ lung und den unerschöpflichen Quell sür seine Meisterwerke gefunden. Denn nicht immer sind es die reinen Strahlen der Sonne, welche den Künstler am Hofe seiner Mäcene beleuchten. Mit der Anerkennung erscheint auch Mißgunst und Neid, und in dem kleinlichen Kampfe mit diesen haben sich schon die besten Kräfte aufgerieben. In den Leben, meinte Oswald, ist aber auch der Antrieb zu neuem Schaffen, der Künstler kann beobachten, er ist dem geistigen Getriebe der Gegenwart nahe, und aus ihren Gegensätzen klärt sich für ihn die Idee zu neuen Bildern ab. Nicht neidenswert, Oswald, erscheint mir der Künstler, der seine Werke nicht aus der eignen Brust schöpft, sondern sie erst in der Unruhe des Lebens finden muß. Dann ist es nicht mehr die heilige Begeisterung für die Kunst, die ihn beseelt, dann werden es die Neigungen der Menge sein, denen er nachspürt und denen er zu gefallen sucht. Und die Heimat und den Freundeskreis ansteht du für nichts? Wohl weiß ich es, Oswald, daß es ein Opfer war, als du hierher dich verpflanztest, aber ist nicht Italien die zweite Heimat des Künstlers, und hat auch deine Francesca sich nicht bemüht, dir hier das Entbehrte zu ersetzen? Wohl bin ich bereit, dir überallhin zu folgen, wohin deine Neigung dich ruft, und auch andre heilige Pflichten um deinetwillen zu opfern. Aber hier sind wir so glücklich, laß uns diesen Frieden erhalten, den du indeß schützen wirst, wenn die Aufregung, in welche dich der Erfolg deines Gemäldes versetzte, vor¬ über ist. Wenn dann Oswald in die treuen, bittenden Augen Francescas sah, dann war jeder Widerstand vorüber, daun fühlte er sich überzeugt und schalt sich einen Undankbaren, der eine solche Frau nicht verdiene. Aber ein solches Ein lenken war doch nur vorübergehend und seine Unruhe kehrte nach einigen Tagen wieder. In trüber Stimmung hielt er dann wohl auch Fmnceseas Meinung nur für den Ausdruck des Egoismus einer übertriebenen Liebe und Ängstlich¬ keit. Mehrere Tage vergingen, während deren sei» Interesse für Berlin dnrch neue Siegesnnchrichtcn genährt wurde. Dann trat wieder eine Pause el», bis endlich Oswald einen Brief ans dem Kultusministerium erhielt, in welchem ihm angezeigt wurde, daß sei» Bild für 10 000 Mark vou der Natioualgalerie an¬ gekauft sei und daß der König dem Künstler auf den einstimmigen Antrag der Jury die große goldne Medaille verliehen habe. Dem amtlichen Schreiben war ein Privatbrief des Dezernenten beigefügt, worin dem Maler eine zu schaffende Professur an der Akademie angeboten und gleichzeitig angedeutet wurde, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/422>, abgerufen am 21.05.2024.