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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Literatur.

Rückblick auf das mit ihm in seinen hcißpnlsirenden Dichtungen durchlebte, noch eine
gute Weile fortleuchtet und wohl auch noch länger fortleuchten wird, als der Dichter
es zu hoffen wagt.

Im Grunde übrigens kann er seiner ganzen Weltanschauung nach sich nicht
denen zuzählen, welche an dem göttlichen Geschenk der Poesie nicht schon genug
haben, sondern auch noch nach Anerkennung dürsten. Zwar sagt er in dem Ge¬
dichte "Heimkehr," in welchem die Sehnsucht, mit seinem früh ihm entrissenen Sohne
im Tode vereinigt zu werden, rührend durchgingt:


Du hast, mein Sohn, die Feuer nicht gekannt,
Die nach der Mcnschcnchre eitlen Träumen,
Nach der Genüsse kaum berührten Schäumen
In meinem Herzen oft so heiß gebrannt. . . .

Aber die Fähigkeit, der ganzen Welt ein Schnippchen zu schlagen und auch auf
eigne Faust des Lebens froh zu werden, bor allem im Genusse der schönen Natur,
diese Fähigkeit klingt zu vernehmbar aus Hunderten seiner Gedichte heraus, als daß
uicht vor allem sie als der eigentliche Grundton seines Wesens erschiene, wie er
denn auch in dem Gedichte "Ein Idyll" die rote wollene Decke, die ihm zum Ge¬
burtstag geschenkt wurde, mit den Worten annimmt:


Lebenslang hält sie mich aus, und wenn
Es einmal zum letzten kommt, so decket
Mich zu mit ihr, nur lasset mir frei
Arme und Brust, wie ichs immer liebte.
Und da hüllt es mich ein, dein lindes Geschenk,
Das lebendig rote -- und wahr muß bleiben,
Der darunter liegt, hat der Welt sich gefreut
Und ihr Gutes gegönnt, so wahr als einer.

Diese Zugehörigkeit zu der Erde und ihren Freuden kommt in so zahlreichen Ge¬
dichten der Sammlung zu lebhaftem Ausdruck, daß dieselben sich als ein scharfes
Rüstzeug gegen den kraft- und saftlosen Pessimismus unsrer Tage darbieten, wie
sie nicht minder dem Verhimmeln die Wege zu verlegen suchen. Wenn Vater
Rückert singt:


Bleib auf Erdart Um dich zu wärmen,
Kommt hernieder der Sonnenstrahl;
Laß die andern in Lüften schwärmen
Oder klimmen auf Bergen kahl,

so feiert Fischer in seinem Gedichte "Am Herzen der Mutter" die Erde in
dithyrambischen Schwunge:


Ein Brauttag ist,
Deinen Frühling begehst du,
Ewige Mutter
Und ewige Jungfrau
Erde, heut.
Und ich bin bei dir,
Allein bei dir,
Und habe genug.
Ich will nur dich,
Vernehme nur dich,
Deine Quellen alle
In einem Quell.. ..

Die Erde ist ihm aber in andern Stimmungen vor- allem auch das, was in ihrer
Gesundheit und Urwüchsigkeit hinaushebt über die Kartenhäuser des Menschenwitzcs


Literatur.

Rückblick auf das mit ihm in seinen hcißpnlsirenden Dichtungen durchlebte, noch eine
gute Weile fortleuchtet und wohl auch noch länger fortleuchten wird, als der Dichter
es zu hoffen wagt.

Im Grunde übrigens kann er seiner ganzen Weltanschauung nach sich nicht
denen zuzählen, welche an dem göttlichen Geschenk der Poesie nicht schon genug
haben, sondern auch noch nach Anerkennung dürsten. Zwar sagt er in dem Ge¬
dichte „Heimkehr," in welchem die Sehnsucht, mit seinem früh ihm entrissenen Sohne
im Tode vereinigt zu werden, rührend durchgingt:


Du hast, mein Sohn, die Feuer nicht gekannt,
Die nach der Mcnschcnchre eitlen Träumen,
Nach der Genüsse kaum berührten Schäumen
In meinem Herzen oft so heiß gebrannt. . . .

Aber die Fähigkeit, der ganzen Welt ein Schnippchen zu schlagen und auch auf
eigne Faust des Lebens froh zu werden, bor allem im Genusse der schönen Natur,
diese Fähigkeit klingt zu vernehmbar aus Hunderten seiner Gedichte heraus, als daß
uicht vor allem sie als der eigentliche Grundton seines Wesens erschiene, wie er
denn auch in dem Gedichte „Ein Idyll" die rote wollene Decke, die ihm zum Ge¬
burtstag geschenkt wurde, mit den Worten annimmt:


Lebenslang hält sie mich aus, und wenn
Es einmal zum letzten kommt, so decket
Mich zu mit ihr, nur lasset mir frei
Arme und Brust, wie ichs immer liebte.
Und da hüllt es mich ein, dein lindes Geschenk,
Das lebendig rote — und wahr muß bleiben,
Der darunter liegt, hat der Welt sich gefreut
Und ihr Gutes gegönnt, so wahr als einer.

Diese Zugehörigkeit zu der Erde und ihren Freuden kommt in so zahlreichen Ge¬
dichten der Sammlung zu lebhaftem Ausdruck, daß dieselben sich als ein scharfes
Rüstzeug gegen den kraft- und saftlosen Pessimismus unsrer Tage darbieten, wie
sie nicht minder dem Verhimmeln die Wege zu verlegen suchen. Wenn Vater
Rückert singt:


Bleib auf Erdart Um dich zu wärmen,
Kommt hernieder der Sonnenstrahl;
Laß die andern in Lüften schwärmen
Oder klimmen auf Bergen kahl,

so feiert Fischer in seinem Gedichte „Am Herzen der Mutter" die Erde in
dithyrambischen Schwunge:


Ein Brauttag ist,
Deinen Frühling begehst du,
Ewige Mutter
Und ewige Jungfrau
Erde, heut.
Und ich bin bei dir,
Allein bei dir,
Und habe genug.
Ich will nur dich,
Vernehme nur dich,
Deine Quellen alle
In einem Quell.. ..

Die Erde ist ihm aber in andern Stimmungen vor- allem auch das, was in ihrer
Gesundheit und Urwüchsigkeit hinaushebt über die Kartenhäuser des Menschenwitzcs


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[0433] Literatur. Rückblick auf das mit ihm in seinen hcißpnlsirenden Dichtungen durchlebte, noch eine gute Weile fortleuchtet und wohl auch noch länger fortleuchten wird, als der Dichter es zu hoffen wagt. Im Grunde übrigens kann er seiner ganzen Weltanschauung nach sich nicht denen zuzählen, welche an dem göttlichen Geschenk der Poesie nicht schon genug haben, sondern auch noch nach Anerkennung dürsten. Zwar sagt er in dem Ge¬ dichte „Heimkehr," in welchem die Sehnsucht, mit seinem früh ihm entrissenen Sohne im Tode vereinigt zu werden, rührend durchgingt: Du hast, mein Sohn, die Feuer nicht gekannt, Die nach der Mcnschcnchre eitlen Träumen, Nach der Genüsse kaum berührten Schäumen In meinem Herzen oft so heiß gebrannt. . . . Aber die Fähigkeit, der ganzen Welt ein Schnippchen zu schlagen und auch auf eigne Faust des Lebens froh zu werden, bor allem im Genusse der schönen Natur, diese Fähigkeit klingt zu vernehmbar aus Hunderten seiner Gedichte heraus, als daß uicht vor allem sie als der eigentliche Grundton seines Wesens erschiene, wie er denn auch in dem Gedichte „Ein Idyll" die rote wollene Decke, die ihm zum Ge¬ burtstag geschenkt wurde, mit den Worten annimmt: Lebenslang hält sie mich aus, und wenn Es einmal zum letzten kommt, so decket Mich zu mit ihr, nur lasset mir frei Arme und Brust, wie ichs immer liebte. Und da hüllt es mich ein, dein lindes Geschenk, Das lebendig rote — und wahr muß bleiben, Der darunter liegt, hat der Welt sich gefreut Und ihr Gutes gegönnt, so wahr als einer. Diese Zugehörigkeit zu der Erde und ihren Freuden kommt in so zahlreichen Ge¬ dichten der Sammlung zu lebhaftem Ausdruck, daß dieselben sich als ein scharfes Rüstzeug gegen den kraft- und saftlosen Pessimismus unsrer Tage darbieten, wie sie nicht minder dem Verhimmeln die Wege zu verlegen suchen. Wenn Vater Rückert singt: Bleib auf Erdart Um dich zu wärmen, Kommt hernieder der Sonnenstrahl; Laß die andern in Lüften schwärmen Oder klimmen auf Bergen kahl, so feiert Fischer in seinem Gedichte „Am Herzen der Mutter" die Erde in dithyrambischen Schwunge: Ein Brauttag ist, Deinen Frühling begehst du, Ewige Mutter Und ewige Jungfrau Erde, heut. Und ich bin bei dir, Allein bei dir, Und habe genug. Ich will nur dich, Vernehme nur dich, Deine Quellen alle In einem Quell.. .. Die Erde ist ihm aber in andern Stimmungen vor- allem auch das, was in ihrer Gesundheit und Urwüchsigkeit hinaushebt über die Kartenhäuser des Menschenwitzcs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/433>, abgerufen am 22.05.2024.