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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Notiz.

Adele gab Rina einen Wink, und alle blieben stehen, um zu warten.

O, Frau Nina! fing Gcgia an. Wie freut es mich, daß ich Sie wieder
wohlauf sehe. Gesegnet sei die heilige Jungfrau, ich habe in den letzten Tagen
recht oft für Sie gebetet.

Guter Gott! Ob wir gebetet haben, fügte die Alte hinzu.

Ich danke Euch, antwortete Nina. Und Eure Gebete haben mir geholfen.
Ich bin glücklich und zufrieden.

Wie mir Ihre Worte wohlthun! erwiederte Gegia. Auch ich bin jetzt zu¬
frieden, weil mein rettender Engel es ist.

(Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Parlamentarische Formen. Der Wert der Verfassungsformen ist weder
so groß, wie wir ihn im Anfange dieses Jahrhunderts geschätzt haben, noch so
gering, wie man ihn nach den gemachten Erfahrungen anzuschlagen versucht sein
könnte. Es läßt sich unter jeder Verfcissnng leben, wenn sie mit Gerechtigkeit und
Kraft, mit Verstand und Wohlwollen gehandhabt wird. Die beste Verfassung hilft
nichts, wenn das Volk nicht dazu taugt.

Auf den Streit über die beste Verfassungsform wollen wir uns daher nicht
einlassen. Wir haben nun einmal unsre Verfassungen nach doktrinären Systemen
und müssen uns mit ihnen abfinden, uns in ihnen bewegen und sie schrittweise
zu verbessern, deutscher zu machen suchen. Die nicht kodifizirte, lange für muster¬
haft gehaltene, aus innern Kämpfen hervorgegangene und mit dem Volke ver¬
wachsene englische Verfassung will auch nicht mehr vorhalten.

Dagegen scheint es fraglich, nicht warum von Uebertragung der englischen
Verfassung ans uns abgesehen wurde, deun dazu fehlten uns, wie fast allen an
Alleinherrschaft gewöhnten Kontinentalvölkern, die realen Grundlagen, sondern warum
wir die Formen der Verhandlungen nicht lieber von den Engländern als von den
Franzosen entlehnt haben. Am wenigsten hat das in den Kleinstaaten geschadet,
schon mehr vielleicht in den Mittelstaaten, am meisten wohl in den beiden Gro߬
staaten, in denen es erst nach dem Umschwunge von 1843 zu Repräsentativver-
fnssnngen gekommen ist.

Bei den praktischen Engländern hat sich Jahrhunderte lang der oblonge
Sitzungssaal bewährt, mit dem Sprecher am obern Ende und den Mitgliederbänken
an beiden Langseiten, die man vielleicht etwas weiter hätte auseinander rücken
können, um für das Präsidium und die "Wilden" Platz zu gewinnen an den
Querwänden. Diese Raumverteilung erleichtert den Sprechern das gegenseitige
Verstehen.

Jedes Mitglied muß ferner vom Platze aus sprechen, und zwar muß es seine
Worte an den Vorsitzenden richten. Das ist nicht bloß eine höfliche Anerkennung
der Autorität desselben, noch weniger eine englische Absonderlichkeit, sondern sehr
verständig und sachgemäß, denn der Vorsitzende muß wissen, was gesprochen wird


Notiz.

Adele gab Rina einen Wink, und alle blieben stehen, um zu warten.

O, Frau Nina! fing Gcgia an. Wie freut es mich, daß ich Sie wieder
wohlauf sehe. Gesegnet sei die heilige Jungfrau, ich habe in den letzten Tagen
recht oft für Sie gebetet.

Guter Gott! Ob wir gebetet haben, fügte die Alte hinzu.

Ich danke Euch, antwortete Nina. Und Eure Gebete haben mir geholfen.
Ich bin glücklich und zufrieden.

Wie mir Ihre Worte wohlthun! erwiederte Gegia. Auch ich bin jetzt zu¬
frieden, weil mein rettender Engel es ist.

(Fortsetzung folgt.)




Notiz.

Parlamentarische Formen. Der Wert der Verfassungsformen ist weder
so groß, wie wir ihn im Anfange dieses Jahrhunderts geschätzt haben, noch so
gering, wie man ihn nach den gemachten Erfahrungen anzuschlagen versucht sein
könnte. Es läßt sich unter jeder Verfcissnng leben, wenn sie mit Gerechtigkeit und
Kraft, mit Verstand und Wohlwollen gehandhabt wird. Die beste Verfassung hilft
nichts, wenn das Volk nicht dazu taugt.

Auf den Streit über die beste Verfassungsform wollen wir uns daher nicht
einlassen. Wir haben nun einmal unsre Verfassungen nach doktrinären Systemen
und müssen uns mit ihnen abfinden, uns in ihnen bewegen und sie schrittweise
zu verbessern, deutscher zu machen suchen. Die nicht kodifizirte, lange für muster¬
haft gehaltene, aus innern Kämpfen hervorgegangene und mit dem Volke ver¬
wachsene englische Verfassung will auch nicht mehr vorhalten.

Dagegen scheint es fraglich, nicht warum von Uebertragung der englischen
Verfassung ans uns abgesehen wurde, deun dazu fehlten uns, wie fast allen an
Alleinherrschaft gewöhnten Kontinentalvölkern, die realen Grundlagen, sondern warum
wir die Formen der Verhandlungen nicht lieber von den Engländern als von den
Franzosen entlehnt haben. Am wenigsten hat das in den Kleinstaaten geschadet,
schon mehr vielleicht in den Mittelstaaten, am meisten wohl in den beiden Gro߬
staaten, in denen es erst nach dem Umschwunge von 1843 zu Repräsentativver-
fnssnngen gekommen ist.

Bei den praktischen Engländern hat sich Jahrhunderte lang der oblonge
Sitzungssaal bewährt, mit dem Sprecher am obern Ende und den Mitgliederbänken
an beiden Langseiten, die man vielleicht etwas weiter hätte auseinander rücken
können, um für das Präsidium und die „Wilden" Platz zu gewinnen an den
Querwänden. Diese Raumverteilung erleichtert den Sprechern das gegenseitige
Verstehen.

Jedes Mitglied muß ferner vom Platze aus sprechen, und zwar muß es seine
Worte an den Vorsitzenden richten. Das ist nicht bloß eine höfliche Anerkennung
der Autorität desselben, noch weniger eine englische Absonderlichkeit, sondern sehr
verständig und sachgemäß, denn der Vorsitzende muß wissen, was gesprochen wird


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[0204] Notiz. Adele gab Rina einen Wink, und alle blieben stehen, um zu warten. O, Frau Nina! fing Gcgia an. Wie freut es mich, daß ich Sie wieder wohlauf sehe. Gesegnet sei die heilige Jungfrau, ich habe in den letzten Tagen recht oft für Sie gebetet. Guter Gott! Ob wir gebetet haben, fügte die Alte hinzu. Ich danke Euch, antwortete Nina. Und Eure Gebete haben mir geholfen. Ich bin glücklich und zufrieden. Wie mir Ihre Worte wohlthun! erwiederte Gegia. Auch ich bin jetzt zu¬ frieden, weil mein rettender Engel es ist. (Fortsetzung folgt.) Notiz. Parlamentarische Formen. Der Wert der Verfassungsformen ist weder so groß, wie wir ihn im Anfange dieses Jahrhunderts geschätzt haben, noch so gering, wie man ihn nach den gemachten Erfahrungen anzuschlagen versucht sein könnte. Es läßt sich unter jeder Verfcissnng leben, wenn sie mit Gerechtigkeit und Kraft, mit Verstand und Wohlwollen gehandhabt wird. Die beste Verfassung hilft nichts, wenn das Volk nicht dazu taugt. Auf den Streit über die beste Verfassungsform wollen wir uns daher nicht einlassen. Wir haben nun einmal unsre Verfassungen nach doktrinären Systemen und müssen uns mit ihnen abfinden, uns in ihnen bewegen und sie schrittweise zu verbessern, deutscher zu machen suchen. Die nicht kodifizirte, lange für muster¬ haft gehaltene, aus innern Kämpfen hervorgegangene und mit dem Volke ver¬ wachsene englische Verfassung will auch nicht mehr vorhalten. Dagegen scheint es fraglich, nicht warum von Uebertragung der englischen Verfassung ans uns abgesehen wurde, deun dazu fehlten uns, wie fast allen an Alleinherrschaft gewöhnten Kontinentalvölkern, die realen Grundlagen, sondern warum wir die Formen der Verhandlungen nicht lieber von den Engländern als von den Franzosen entlehnt haben. Am wenigsten hat das in den Kleinstaaten geschadet, schon mehr vielleicht in den Mittelstaaten, am meisten wohl in den beiden Gro߬ staaten, in denen es erst nach dem Umschwunge von 1843 zu Repräsentativver- fnssnngen gekommen ist. Bei den praktischen Engländern hat sich Jahrhunderte lang der oblonge Sitzungssaal bewährt, mit dem Sprecher am obern Ende und den Mitgliederbänken an beiden Langseiten, die man vielleicht etwas weiter hätte auseinander rücken können, um für das Präsidium und die „Wilden" Platz zu gewinnen an den Querwänden. Diese Raumverteilung erleichtert den Sprechern das gegenseitige Verstehen. Jedes Mitglied muß ferner vom Platze aus sprechen, und zwar muß es seine Worte an den Vorsitzenden richten. Das ist nicht bloß eine höfliche Anerkennung der Autorität desselben, noch weniger eine englische Absonderlichkeit, sondern sehr verständig und sachgemäß, denn der Vorsitzende muß wissen, was gesprochen wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/204>, abgerufen am 15.06.2024.