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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Der Aufruhr im Sudan.

genug, die gefährliche Ehre abzulehnen. Er würde auch kaum geordnete Zu¬
stände im Sudan haben herbeiführen können. War doch Gordon selbst dazu
nicht imstande. Zwar jubelte ihm die Bevölkerung Chartums zu, als er die
Verzeichnisse der Steuerrückstände, die Kurbatsche (Peitschen aus Nilpferdhaut,
das Agens der Stcuerbeitreiber) und die Bastonadenwerkzeuge öffentlich ver¬
brennen ließ und die gehaßten Baschibosuks (irreguläre Soldaten) nicht mehr
als Steuerbeitreiber zu verwenden versprach. Aber der anfängliche Enthusiasmus
ließ bald nach. Die Macht der Persönlichkeit ist im Orient allerdings groß,
größer jedoch ist die Macht des eignen Interesses. Den Mcchdi selbst konnte
Gordon nicht gewinnen. Derselbe wies die ihm zugedachte Würde eines Sultans
von Kordofan zurück, lehnte die Annahme der ihm von Gordon gesendeten
Ehrenkleider ab und forderte den britischen Kommissar auf, ein Mnselman
und sein Freund zu werden. Die Sudanesen wußten Wohl, daß Gordons
Mission nur eine vorübergehende war. Was wartete ihrer vom Mahdi, sobald
der General sich entfernt hatte? So erklärt es sich, daß Gordon wiederholt
gegen Meutereien und Verrat der ihm in Chartum unterstellten ägyptischen
Truppen und ihrer Paschas zu kämpfen hatte. Die Anhänger des Mahdi
schlössen Chartum ein. Die Verbindung nach Norden ward unterbrochen.
Flüchtlinge, welche Chartum vor der völligen Einschließung verlassen hatten,
um sich nach Schendy und Berber zu begeben, wurden auf der Reise nieder¬
gemetzelt. Die Sicherheit Gordons, für welche sich die englische Negierung
wiederholt für verpflichtet erklärt hatte, erschien ernstlich gefährdet. Die sofortige
Absendung von Truppen nach Oberägypten erachtete die englische Regierung sür
unthunlich und gewährte dem Gouverneur von Berber die wiederholt dringend
erbetene Hilfe nicht. Auch die Absicht Gordons, türkische Truppen anzuwerben,
erlangte nicht den Beifall der britischen Regierung, Dies liege -- ließ ihm
Lord Greenville wissen -- außerhalb des Spielraums seiner Vollmacht und stehe
im Widerspruch mit der friedlichen Politik, welche zu seiner Sendung Anlaß
gegeben habe. Gordon hielt sich nnn für berechtigt, frei nach eignem Ermessen
zu handeln. Er erklärte (April 1834), daß er den Aufstand zu unterdrücken
suchen, falls ihm das aber nicht gelinge, seinen Rückzug nach dem Äquator
antreten werde. Der englischen Regierung müsse er die unauslöschliche Schande
überlassen, die Garnisonen von Sennaar, Kassala, Berber und Dongola preis¬
gegeben zu haben, er habe die Gewißheit, daß die Regierung, wenn sie den
Frieden in Ägypten aufrecht erhalten wolle, schließlich gezwungen sein werde,
den Mahdi unter großen Schwierigkeiten zu Boden zu werfen. Dies war für
einige Zeit die letzte Nachricht, welche Gordon nach außen hin gelangen lassen
konnte. Erst im Juli und August erhielt der Gouverneur von Dongola
authentische Kunde, daß Chartum noch in den Händen Gordons und der
Ägypter sei.


Der Aufruhr im Sudan.

genug, die gefährliche Ehre abzulehnen. Er würde auch kaum geordnete Zu¬
stände im Sudan haben herbeiführen können. War doch Gordon selbst dazu
nicht imstande. Zwar jubelte ihm die Bevölkerung Chartums zu, als er die
Verzeichnisse der Steuerrückstände, die Kurbatsche (Peitschen aus Nilpferdhaut,
das Agens der Stcuerbeitreiber) und die Bastonadenwerkzeuge öffentlich ver¬
brennen ließ und die gehaßten Baschibosuks (irreguläre Soldaten) nicht mehr
als Steuerbeitreiber zu verwenden versprach. Aber der anfängliche Enthusiasmus
ließ bald nach. Die Macht der Persönlichkeit ist im Orient allerdings groß,
größer jedoch ist die Macht des eignen Interesses. Den Mcchdi selbst konnte
Gordon nicht gewinnen. Derselbe wies die ihm zugedachte Würde eines Sultans
von Kordofan zurück, lehnte die Annahme der ihm von Gordon gesendeten
Ehrenkleider ab und forderte den britischen Kommissar auf, ein Mnselman
und sein Freund zu werden. Die Sudanesen wußten Wohl, daß Gordons
Mission nur eine vorübergehende war. Was wartete ihrer vom Mahdi, sobald
der General sich entfernt hatte? So erklärt es sich, daß Gordon wiederholt
gegen Meutereien und Verrat der ihm in Chartum unterstellten ägyptischen
Truppen und ihrer Paschas zu kämpfen hatte. Die Anhänger des Mahdi
schlössen Chartum ein. Die Verbindung nach Norden ward unterbrochen.
Flüchtlinge, welche Chartum vor der völligen Einschließung verlassen hatten,
um sich nach Schendy und Berber zu begeben, wurden auf der Reise nieder¬
gemetzelt. Die Sicherheit Gordons, für welche sich die englische Negierung
wiederholt für verpflichtet erklärt hatte, erschien ernstlich gefährdet. Die sofortige
Absendung von Truppen nach Oberägypten erachtete die englische Regierung sür
unthunlich und gewährte dem Gouverneur von Berber die wiederholt dringend
erbetene Hilfe nicht. Auch die Absicht Gordons, türkische Truppen anzuwerben,
erlangte nicht den Beifall der britischen Regierung, Dies liege — ließ ihm
Lord Greenville wissen — außerhalb des Spielraums seiner Vollmacht und stehe
im Widerspruch mit der friedlichen Politik, welche zu seiner Sendung Anlaß
gegeben habe. Gordon hielt sich nnn für berechtigt, frei nach eignem Ermessen
zu handeln. Er erklärte (April 1834), daß er den Aufstand zu unterdrücken
suchen, falls ihm das aber nicht gelinge, seinen Rückzug nach dem Äquator
antreten werde. Der englischen Regierung müsse er die unauslöschliche Schande
überlassen, die Garnisonen von Sennaar, Kassala, Berber und Dongola preis¬
gegeben zu haben, er habe die Gewißheit, daß die Regierung, wenn sie den
Frieden in Ägypten aufrecht erhalten wolle, schließlich gezwungen sein werde,
den Mahdi unter großen Schwierigkeiten zu Boden zu werfen. Dies war für
einige Zeit die letzte Nachricht, welche Gordon nach außen hin gelangen lassen
konnte. Erst im Juli und August erhielt der Gouverneur von Dongola
authentische Kunde, daß Chartum noch in den Händen Gordons und der
Ägypter sei.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/22>, abgerufen am 28.05.2024.