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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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England und die Boers.

Heimat gründeten. Ihre Maxime ist: "Steh auf, daß ich mich zu Tische setze
und fett werde!"

Um das in Afrika ausführen zu können, müssen die Boers beseitigt werden.
Aber wie ist das zu bewerkstelligen? Die einen sagen, mit Benutzung der
Wilden, der Kaffern und Betschuanen, die wir protegiren und als Bundes¬
genossen gegen die holländischen Afrikanders verwenden müssen. Die Klügeren
wissen, daß ein solches Mittel, offen gebraucht, gegen den Geist der Zeit ver¬
stoßen und Proteste hervorrufen würde. Überdies sind die Wilden geteilt, und
viele neigen sich den Boers zu. So bemühte sich denn jener Kaufmannsgeist
im philanthropischen Gewände schon seit Jahrzehnten, die britische Negierung
zur Bekriegung der Boers zu bewegen, indem alles, was gegen sein Interesse
geschah, als Rebellion oder Vertragsbruch dargestellt wurde, und wiederholt
gelang dieses Bemühen, aber nur, um zuletzt doch zu mißglücken. Wir hoffen,
daß dies auch jetzt der Fall sein werde.

Aber die Interessen des Handels sind nicht die einzigen, die hier in Frage
kommen. Das nichteuglische Europa hat hier auch andre Interessen auf dem
Spiele stehen. Dieses Europa bedarf Grund und Boden, Beschäftigung und
Verdienst für seine Auswanderung, und diese würde sich in Fülle in Afrika südlich
vom Äquator finden, wo das Klima gemäßigt ist und weite Gebiete mit frucht¬
barem Lande uoch unbebaut sind. Die Auswanderung nach den Vereinigten
Staaten von Amerika wird in fünfzig Jahren aufhören müssen, weil die
lohnenden Gebiete dort überfüllt sein werden. In Südafrika dagegen wäre
uoch lauge Raum und sonstige Gelegenheit zur Ansiedlung. Wird aber den
Engländern gestattet, sich dort weiter zu befestigen und auszubreiten, so wird
bei ihrer auf Ausschluß fremder Elemente abzielenden Politik, bei ihrem Import
asiatischer Knechte dieser Raum und diese Gelegenheit nur für sie dasein.

Noch halten die Boers die Festungen für sich und das nichtbritische Europa,
und sie sind Männer unsers Stammes und Blutes. Ju London sind Rings,
Syndikate und Cliquen bemüht, diesen Widerstand zu verdunkeln, zu schmähen
und lächerlich zu machen und die edeln Absichten Englands in Helles Licht zu
stelle". Es ist dieselbe Fülle von Verlogenheit, die hier über die europäische
Presse ausgegossen wird, wie die, welche einst sich vernehmen ließ, als den:
Kontingent der alleinseligmachende Freihandel gepredigt wurde. Man glaube
daher jenen Darstellungen nicht! Die Konvention vom 27. Februar vorigen
Jahres ist von den Boers nicht verletzt worden, und sie sollte als eine unsach¬
gemäße und unbillige verbessert, es sollte auf die Sandriver-Konvention zurück¬
gegriffen werden, die, zwischen den englischen Kommissären Hogge und Owen
einerseits und Andries Pretorius nebst fünfzehn Delegaten der Boers
andrerseits abgeschlossen wurde, und bei der sich die Königin von England ver¬
pflichtete, keine Ausdehnung ihrer Macht nördlich vom Vaalflusfe zu unter¬
nehmen, keine Bündnisse mit den Eingebornen dort einzugehen und denselben


England und die Boers.

Heimat gründeten. Ihre Maxime ist: „Steh auf, daß ich mich zu Tische setze
und fett werde!"

Um das in Afrika ausführen zu können, müssen die Boers beseitigt werden.
Aber wie ist das zu bewerkstelligen? Die einen sagen, mit Benutzung der
Wilden, der Kaffern und Betschuanen, die wir protegiren und als Bundes¬
genossen gegen die holländischen Afrikanders verwenden müssen. Die Klügeren
wissen, daß ein solches Mittel, offen gebraucht, gegen den Geist der Zeit ver¬
stoßen und Proteste hervorrufen würde. Überdies sind die Wilden geteilt, und
viele neigen sich den Boers zu. So bemühte sich denn jener Kaufmannsgeist
im philanthropischen Gewände schon seit Jahrzehnten, die britische Negierung
zur Bekriegung der Boers zu bewegen, indem alles, was gegen sein Interesse
geschah, als Rebellion oder Vertragsbruch dargestellt wurde, und wiederholt
gelang dieses Bemühen, aber nur, um zuletzt doch zu mißglücken. Wir hoffen,
daß dies auch jetzt der Fall sein werde.

Aber die Interessen des Handels sind nicht die einzigen, die hier in Frage
kommen. Das nichteuglische Europa hat hier auch andre Interessen auf dem
Spiele stehen. Dieses Europa bedarf Grund und Boden, Beschäftigung und
Verdienst für seine Auswanderung, und diese würde sich in Fülle in Afrika südlich
vom Äquator finden, wo das Klima gemäßigt ist und weite Gebiete mit frucht¬
barem Lande uoch unbebaut sind. Die Auswanderung nach den Vereinigten
Staaten von Amerika wird in fünfzig Jahren aufhören müssen, weil die
lohnenden Gebiete dort überfüllt sein werden. In Südafrika dagegen wäre
uoch lauge Raum und sonstige Gelegenheit zur Ansiedlung. Wird aber den
Engländern gestattet, sich dort weiter zu befestigen und auszubreiten, so wird
bei ihrer auf Ausschluß fremder Elemente abzielenden Politik, bei ihrem Import
asiatischer Knechte dieser Raum und diese Gelegenheit nur für sie dasein.

Noch halten die Boers die Festungen für sich und das nichtbritische Europa,
und sie sind Männer unsers Stammes und Blutes. Ju London sind Rings,
Syndikate und Cliquen bemüht, diesen Widerstand zu verdunkeln, zu schmähen
und lächerlich zu machen und die edeln Absichten Englands in Helles Licht zu
stelle». Es ist dieselbe Fülle von Verlogenheit, die hier über die europäische
Presse ausgegossen wird, wie die, welche einst sich vernehmen ließ, als den:
Kontingent der alleinseligmachende Freihandel gepredigt wurde. Man glaube
daher jenen Darstellungen nicht! Die Konvention vom 27. Februar vorigen
Jahres ist von den Boers nicht verletzt worden, und sie sollte als eine unsach¬
gemäße und unbillige verbessert, es sollte auf die Sandriver-Konvention zurück¬
gegriffen werden, die, zwischen den englischen Kommissären Hogge und Owen
einerseits und Andries Pretorius nebst fünfzehn Delegaten der Boers
andrerseits abgeschlossen wurde, und bei der sich die Königin von England ver¬
pflichtete, keine Ausdehnung ihrer Macht nördlich vom Vaalflusfe zu unter¬
nehmen, keine Bündnisse mit den Eingebornen dort einzugehen und denselben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/130>, abgerufen am 21.05.2024.