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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Im Herzogtum Friedland.

ein kleiner, einschiffiger gothischer Bau mit schöner Wölbung und reichem Detail
an den schlanken Pfeilern; doch wird sie nicht benutzt, statt ihrer steht ein bunt
aufgeputzter Altar im Klosterhöfe,

Den Bau des Klosters hat Wallenstein wie alles derart mit großem Eifer
betrieben. "Ich will, daß Bezdiczi mit Furia sollte gebaut werden," schreibt
er im August 1627, auf seinem Eilmärsche nach Holstein begriffen, von Havel¬
berg aus, und im nächsten Jahre erwartete er, daß die Augustiner ihren luftigen
Sitz dort oben bezogen hätten, wozu sie offenbar keine besondre Neigung hatten,
"denn ich muß selbst ihr Visitator sein," setzt der Herzog einem Schreiben von
Wolgast aus zu.

Jedenfalls hat das Kloster nur kurze Zeit in der von ihm geplanten
Weise bestanden. 1642 zerstörten die Schweden den Bau, 1666 wurde er
wiederhergestellt und den Benediktinern übergeben, die nun bis 1785 hier oben
aushielten und im Besitz eines Gnadenbildes der Muttergottes von Moutserrcit
den Berg zu einem besuchten Wallfahrtsorte machten. 1785 hob Joseph der Zweite
das Kloster auf, das noch sieben Jahre zuvor von preußischem Truppen ge¬
plündert worden war. Die leeren Gebäude verkaufte der Fiskus um ganze
fünfzig Gulden. Seitdem verfielen sie der Verwahrlosung und Zerstörung.
Nur den Hauptturm hat der gegenwärtige Besitzer, Graf von Waldstein-Warten¬
berg, mit einen: Aufwande von 20000 Gulden wieder herstellen lassen.

Was die Mönche da oben schwerlich jemals sehr bekümmert hat, das ist
jetzt der Hauptreiz des Berges, die Rundschau. Sie umfaßt das ganze
Grenzgebiet bis zum Riesengebirge im Osten, dem Lausitzer Gebirge im Norden,
dem Mittelgebirge im Nordwesten, aber landschaftlich malerischer wirkt doch die
nähere Umgebung: auf der einen Seite unmittelbar gegenüber der Teufelsberg,
aus dichtem Walde aufsteigend, weiterhin die großen Teiche bei Hirschberg, die
man eher Seen nennen möchte, umgeben von dunkeln Waldmassen, aus denen
wieder spitze Kegelberge ragen, ihre breiten, hellen Spiegel von keinem Fahrzeuge
belebt, in einsamer Stille, die nur zuweilen der Schrei einer Möve unterbricht,
und nun weithin im Westen und Süden schroffe Kegel und langgestreckte Höhen-
züge, das ganze Land im Abendlichte, wenn die Weißen Nebel über der Tiefe
liegen, ähnlich den riesigen, erstarrten Wogen eines Urmeeres. Gerade im
Norden erhebt sich die imposante Pyramide des Roll; sonst decken breite Wald¬
massen das flache Land im Norden und Osten. Ein schicksalsvoller Boden!
Dort, bei Hühncrwasser, stieß am 26. Juni 1866 zuerst die Elbarmee auf die
Österreicher; im Osten schimmert Weißwasser, und darüber zeigt sich die Gegend
von Mttnchengrcitz mit dem breiten Plateau des Musky. wo Prinz Friedrich
Karl am 28. Juni den Grafen Clam-Gallas schlug, den Nachkommen eines der
Hauptgcgner Wallensteins. Und kaum eine Stunde vom Bösig entfernt, noch
vor Weißwasser, läuft die Sprachgrenze zwischen Deutschen und Tschechen; kein
äußeres Merkmal bezeichnet sie, aber schroffer als jemals trennt sie zwei Volks-


Im Herzogtum Friedland.

ein kleiner, einschiffiger gothischer Bau mit schöner Wölbung und reichem Detail
an den schlanken Pfeilern; doch wird sie nicht benutzt, statt ihrer steht ein bunt
aufgeputzter Altar im Klosterhöfe,

Den Bau des Klosters hat Wallenstein wie alles derart mit großem Eifer
betrieben. „Ich will, daß Bezdiczi mit Furia sollte gebaut werden," schreibt
er im August 1627, auf seinem Eilmärsche nach Holstein begriffen, von Havel¬
berg aus, und im nächsten Jahre erwartete er, daß die Augustiner ihren luftigen
Sitz dort oben bezogen hätten, wozu sie offenbar keine besondre Neigung hatten,
„denn ich muß selbst ihr Visitator sein," setzt der Herzog einem Schreiben von
Wolgast aus zu.

Jedenfalls hat das Kloster nur kurze Zeit in der von ihm geplanten
Weise bestanden. 1642 zerstörten die Schweden den Bau, 1666 wurde er
wiederhergestellt und den Benediktinern übergeben, die nun bis 1785 hier oben
aushielten und im Besitz eines Gnadenbildes der Muttergottes von Moutserrcit
den Berg zu einem besuchten Wallfahrtsorte machten. 1785 hob Joseph der Zweite
das Kloster auf, das noch sieben Jahre zuvor von preußischem Truppen ge¬
plündert worden war. Die leeren Gebäude verkaufte der Fiskus um ganze
fünfzig Gulden. Seitdem verfielen sie der Verwahrlosung und Zerstörung.
Nur den Hauptturm hat der gegenwärtige Besitzer, Graf von Waldstein-Warten¬
berg, mit einen: Aufwande von 20000 Gulden wieder herstellen lassen.

Was die Mönche da oben schwerlich jemals sehr bekümmert hat, das ist
jetzt der Hauptreiz des Berges, die Rundschau. Sie umfaßt das ganze
Grenzgebiet bis zum Riesengebirge im Osten, dem Lausitzer Gebirge im Norden,
dem Mittelgebirge im Nordwesten, aber landschaftlich malerischer wirkt doch die
nähere Umgebung: auf der einen Seite unmittelbar gegenüber der Teufelsberg,
aus dichtem Walde aufsteigend, weiterhin die großen Teiche bei Hirschberg, die
man eher Seen nennen möchte, umgeben von dunkeln Waldmassen, aus denen
wieder spitze Kegelberge ragen, ihre breiten, hellen Spiegel von keinem Fahrzeuge
belebt, in einsamer Stille, die nur zuweilen der Schrei einer Möve unterbricht,
und nun weithin im Westen und Süden schroffe Kegel und langgestreckte Höhen-
züge, das ganze Land im Abendlichte, wenn die Weißen Nebel über der Tiefe
liegen, ähnlich den riesigen, erstarrten Wogen eines Urmeeres. Gerade im
Norden erhebt sich die imposante Pyramide des Roll; sonst decken breite Wald¬
massen das flache Land im Norden und Osten. Ein schicksalsvoller Boden!
Dort, bei Hühncrwasser, stieß am 26. Juni 1866 zuerst die Elbarmee auf die
Österreicher; im Osten schimmert Weißwasser, und darüber zeigt sich die Gegend
von Mttnchengrcitz mit dem breiten Plateau des Musky. wo Prinz Friedrich
Karl am 28. Juni den Grafen Clam-Gallas schlug, den Nachkommen eines der
Hauptgcgner Wallensteins. Und kaum eine Stunde vom Bösig entfernt, noch
vor Weißwasser, läuft die Sprachgrenze zwischen Deutschen und Tschechen; kein
äußeres Merkmal bezeichnet sie, aber schroffer als jemals trennt sie zwei Volks-


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[0242] Im Herzogtum Friedland. ein kleiner, einschiffiger gothischer Bau mit schöner Wölbung und reichem Detail an den schlanken Pfeilern; doch wird sie nicht benutzt, statt ihrer steht ein bunt aufgeputzter Altar im Klosterhöfe, Den Bau des Klosters hat Wallenstein wie alles derart mit großem Eifer betrieben. „Ich will, daß Bezdiczi mit Furia sollte gebaut werden," schreibt er im August 1627, auf seinem Eilmärsche nach Holstein begriffen, von Havel¬ berg aus, und im nächsten Jahre erwartete er, daß die Augustiner ihren luftigen Sitz dort oben bezogen hätten, wozu sie offenbar keine besondre Neigung hatten, „denn ich muß selbst ihr Visitator sein," setzt der Herzog einem Schreiben von Wolgast aus zu. Jedenfalls hat das Kloster nur kurze Zeit in der von ihm geplanten Weise bestanden. 1642 zerstörten die Schweden den Bau, 1666 wurde er wiederhergestellt und den Benediktinern übergeben, die nun bis 1785 hier oben aushielten und im Besitz eines Gnadenbildes der Muttergottes von Moutserrcit den Berg zu einem besuchten Wallfahrtsorte machten. 1785 hob Joseph der Zweite das Kloster auf, das noch sieben Jahre zuvor von preußischem Truppen ge¬ plündert worden war. Die leeren Gebäude verkaufte der Fiskus um ganze fünfzig Gulden. Seitdem verfielen sie der Verwahrlosung und Zerstörung. Nur den Hauptturm hat der gegenwärtige Besitzer, Graf von Waldstein-Warten¬ berg, mit einen: Aufwande von 20000 Gulden wieder herstellen lassen. Was die Mönche da oben schwerlich jemals sehr bekümmert hat, das ist jetzt der Hauptreiz des Berges, die Rundschau. Sie umfaßt das ganze Grenzgebiet bis zum Riesengebirge im Osten, dem Lausitzer Gebirge im Norden, dem Mittelgebirge im Nordwesten, aber landschaftlich malerischer wirkt doch die nähere Umgebung: auf der einen Seite unmittelbar gegenüber der Teufelsberg, aus dichtem Walde aufsteigend, weiterhin die großen Teiche bei Hirschberg, die man eher Seen nennen möchte, umgeben von dunkeln Waldmassen, aus denen wieder spitze Kegelberge ragen, ihre breiten, hellen Spiegel von keinem Fahrzeuge belebt, in einsamer Stille, die nur zuweilen der Schrei einer Möve unterbricht, und nun weithin im Westen und Süden schroffe Kegel und langgestreckte Höhen- züge, das ganze Land im Abendlichte, wenn die Weißen Nebel über der Tiefe liegen, ähnlich den riesigen, erstarrten Wogen eines Urmeeres. Gerade im Norden erhebt sich die imposante Pyramide des Roll; sonst decken breite Wald¬ massen das flache Land im Norden und Osten. Ein schicksalsvoller Boden! Dort, bei Hühncrwasser, stieß am 26. Juni 1866 zuerst die Elbarmee auf die Österreicher; im Osten schimmert Weißwasser, und darüber zeigt sich die Gegend von Mttnchengrcitz mit dem breiten Plateau des Musky. wo Prinz Friedrich Karl am 28. Juni den Grafen Clam-Gallas schlug, den Nachkommen eines der Hauptgcgner Wallensteins. Und kaum eine Stunde vom Bösig entfernt, noch vor Weißwasser, läuft die Sprachgrenze zwischen Deutschen und Tschechen; kein äußeres Merkmal bezeichnet sie, aber schroffer als jemals trennt sie zwei Volks-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/242>, abgerufen am 22.05.2024.