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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Stellung der Polizei im Strafverfahren.

nehmnngcn in andern Strafsachen gleich lebhaft wie hier hervortreten. In
England ist die Aburteilung der zu solchen Strafverfügungen Anlaß gebenden
Falle infolge des oben dargelegten Gedankens, daß solche Verfügungen im
Dienste der polizeilichen Ordnung stehen, nicht den ordentlichen Gerichten zu-'
gewiesen, sondern dem Friedensrichter, d, h. dem Beamten, welcher in erster
Instanz Polizei und Justiz vereinigt. Die Berufung gegen dessen Urteile ist
sehr eingeschränkt, hat mir aufschiebende Wirkung, wenn der Beamte, gegen
dessen Verfügung die Berufung erhoben werden soll, es für zulässig hält, und
geht an die sogenannte Quartalssitzung der Friedensrichter, in welcher mehrere
solcher gemeinschaftlich erkennen; es wird dadurch Schnelligkeit der Aburteilung,
Energie in der Durchführung der Polizeivcrordnuugcn und Aburteilung dnrch
sachverständige Personen erreicht. Bei uns geht die Berufung an das Schöffen¬
gericht und dessen vorgesetzte Instanzen, und die Polizei muß sich dabei
dnrch den Staatsanwalt vertreten lassen; dadurch entsteht naturgemäß eine
erhebliche Verzögerung in der Aburteilung der Fälle, die Sache wird nicht mit
der im polizeilichen Interesse wünschenswerten Energie betrieben, und es fehlt,
man darf es, ohne den Gerichten zu nahe zu treten, aussprechen, der Sach¬
verstand bei Aburteilung der Sachen, da wohl meistens die Vorstünde der
Polizeibehörden ihren Kursus bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften
durchgemacht haben, aber kein Amtsrichter oder Vertreter der Staatsanwaltschaft
je in die Polizeiverwaltung hineingesehen hat. Endlich, und das ist das
schlimmste, erscheint die Polizei bei der Handhabung der ihr zur Aufrecht¬
erhaltung überwiesenen öffentlichen Ordnung nicht, wie es sich gebührt, als
Obrigkeit, sondern sie muß als Partei vor eiuer koordinirten Behörde die
Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen nachweisen und hat daher, da sie der an¬
greifende Teil ist, die Vermutung aber stets zu gunsten des Angegriffenen gilt,
immer die Vermutung gegen sich. Es läßt sich für ein solches Verhältnis
gar keine Analogie finden. Die Verwaltungsklage gegen polizeiliche Ver¬
fügungen geht an ein mit der vorgesetzten Verwaltungsbehörde in Verbindung
stehendes Verwnltungsgericht, der Staatsanwalt wird als Mitglied des Gerichts,
vor welchem es auftritt, angesehen, die Zivilgerichtsbarkeit stellt Rechtsverhältnisse
sest, welche für die Verwaltungsbehörden zwar von Interesse sind, nicht aber
die denselben organisch zugewiesene Amtsthätigkeit betreffen, die Polizei allein
'se wegen ihrer eigentlichsten Berufsthätigkeit einer ihr vollständig fremden
Behörde, dem Schöffengericht, zur Entscheidung darüber unterworfen, ob sie in
ihrem Dienstzweige nach deu Gesetzen und mit sachgemäßem Ermessen ge¬
handelt habe.

Betrachten wir nnn die Folgen, welche ans den entwickelten Grundlagen
entstehen. Nach den älteren Strafgcsetzgebungen^) war für alle öffentlichen



Vergl, z. B, die Preußische Slmfprvzeßvrdmuu, van 25. Juni 1867, t;
Die Stellung der Polizei im Strafverfahren.

nehmnngcn in andern Strafsachen gleich lebhaft wie hier hervortreten. In
England ist die Aburteilung der zu solchen Strafverfügungen Anlaß gebenden
Falle infolge des oben dargelegten Gedankens, daß solche Verfügungen im
Dienste der polizeilichen Ordnung stehen, nicht den ordentlichen Gerichten zu-'
gewiesen, sondern dem Friedensrichter, d, h. dem Beamten, welcher in erster
Instanz Polizei und Justiz vereinigt. Die Berufung gegen dessen Urteile ist
sehr eingeschränkt, hat mir aufschiebende Wirkung, wenn der Beamte, gegen
dessen Verfügung die Berufung erhoben werden soll, es für zulässig hält, und
geht an die sogenannte Quartalssitzung der Friedensrichter, in welcher mehrere
solcher gemeinschaftlich erkennen; es wird dadurch Schnelligkeit der Aburteilung,
Energie in der Durchführung der Polizeivcrordnuugcn und Aburteilung dnrch
sachverständige Personen erreicht. Bei uns geht die Berufung an das Schöffen¬
gericht und dessen vorgesetzte Instanzen, und die Polizei muß sich dabei
dnrch den Staatsanwalt vertreten lassen; dadurch entsteht naturgemäß eine
erhebliche Verzögerung in der Aburteilung der Fälle, die Sache wird nicht mit
der im polizeilichen Interesse wünschenswerten Energie betrieben, und es fehlt,
man darf es, ohne den Gerichten zu nahe zu treten, aussprechen, der Sach¬
verstand bei Aburteilung der Sachen, da wohl meistens die Vorstünde der
Polizeibehörden ihren Kursus bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften
durchgemacht haben, aber kein Amtsrichter oder Vertreter der Staatsanwaltschaft
je in die Polizeiverwaltung hineingesehen hat. Endlich, und das ist das
schlimmste, erscheint die Polizei bei der Handhabung der ihr zur Aufrecht¬
erhaltung überwiesenen öffentlichen Ordnung nicht, wie es sich gebührt, als
Obrigkeit, sondern sie muß als Partei vor eiuer koordinirten Behörde die
Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen nachweisen und hat daher, da sie der an¬
greifende Teil ist, die Vermutung aber stets zu gunsten des Angegriffenen gilt,
immer die Vermutung gegen sich. Es läßt sich für ein solches Verhältnis
gar keine Analogie finden. Die Verwaltungsklage gegen polizeiliche Ver¬
fügungen geht an ein mit der vorgesetzten Verwaltungsbehörde in Verbindung
stehendes Verwnltungsgericht, der Staatsanwalt wird als Mitglied des Gerichts,
vor welchem es auftritt, angesehen, die Zivilgerichtsbarkeit stellt Rechtsverhältnisse
sest, welche für die Verwaltungsbehörden zwar von Interesse sind, nicht aber
die denselben organisch zugewiesene Amtsthätigkeit betreffen, die Polizei allein
'se wegen ihrer eigentlichsten Berufsthätigkeit einer ihr vollständig fremden
Behörde, dem Schöffengericht, zur Entscheidung darüber unterworfen, ob sie in
ihrem Dienstzweige nach deu Gesetzen und mit sachgemäßem Ermessen ge¬
handelt habe.

Betrachten wir nnn die Folgen, welche ans den entwickelten Grundlagen
entstehen. Nach den älteren Strafgcsetzgebungen^) war für alle öffentlichen



Vergl, z. B, die Preußische Slmfprvzeßvrdmuu, van 25. Juni 1867, t;
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[0401] Die Stellung der Polizei im Strafverfahren. nehmnngcn in andern Strafsachen gleich lebhaft wie hier hervortreten. In England ist die Aburteilung der zu solchen Strafverfügungen Anlaß gebenden Falle infolge des oben dargelegten Gedankens, daß solche Verfügungen im Dienste der polizeilichen Ordnung stehen, nicht den ordentlichen Gerichten zu-' gewiesen, sondern dem Friedensrichter, d, h. dem Beamten, welcher in erster Instanz Polizei und Justiz vereinigt. Die Berufung gegen dessen Urteile ist sehr eingeschränkt, hat mir aufschiebende Wirkung, wenn der Beamte, gegen dessen Verfügung die Berufung erhoben werden soll, es für zulässig hält, und geht an die sogenannte Quartalssitzung der Friedensrichter, in welcher mehrere solcher gemeinschaftlich erkennen; es wird dadurch Schnelligkeit der Aburteilung, Energie in der Durchführung der Polizeivcrordnuugcn und Aburteilung dnrch sachverständige Personen erreicht. Bei uns geht die Berufung an das Schöffen¬ gericht und dessen vorgesetzte Instanzen, und die Polizei muß sich dabei dnrch den Staatsanwalt vertreten lassen; dadurch entsteht naturgemäß eine erhebliche Verzögerung in der Aburteilung der Fälle, die Sache wird nicht mit der im polizeilichen Interesse wünschenswerten Energie betrieben, und es fehlt, man darf es, ohne den Gerichten zu nahe zu treten, aussprechen, der Sach¬ verstand bei Aburteilung der Sachen, da wohl meistens die Vorstünde der Polizeibehörden ihren Kursus bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften durchgemacht haben, aber kein Amtsrichter oder Vertreter der Staatsanwaltschaft je in die Polizeiverwaltung hineingesehen hat. Endlich, und das ist das schlimmste, erscheint die Polizei bei der Handhabung der ihr zur Aufrecht¬ erhaltung überwiesenen öffentlichen Ordnung nicht, wie es sich gebührt, als Obrigkeit, sondern sie muß als Partei vor eiuer koordinirten Behörde die Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen nachweisen und hat daher, da sie der an¬ greifende Teil ist, die Vermutung aber stets zu gunsten des Angegriffenen gilt, immer die Vermutung gegen sich. Es läßt sich für ein solches Verhältnis gar keine Analogie finden. Die Verwaltungsklage gegen polizeiliche Ver¬ fügungen geht an ein mit der vorgesetzten Verwaltungsbehörde in Verbindung stehendes Verwnltungsgericht, der Staatsanwalt wird als Mitglied des Gerichts, vor welchem es auftritt, angesehen, die Zivilgerichtsbarkeit stellt Rechtsverhältnisse sest, welche für die Verwaltungsbehörden zwar von Interesse sind, nicht aber die denselben organisch zugewiesene Amtsthätigkeit betreffen, die Polizei allein 'se wegen ihrer eigentlichsten Berufsthätigkeit einer ihr vollständig fremden Behörde, dem Schöffengericht, zur Entscheidung darüber unterworfen, ob sie in ihrem Dienstzweige nach deu Gesetzen und mit sachgemäßem Ermessen ge¬ handelt habe. Betrachten wir nnn die Folgen, welche ans den entwickelten Grundlagen entstehen. Nach den älteren Strafgcsetzgebungen^) war für alle öffentlichen Vergl, z. B, die Preußische Slmfprvzeßvrdmuu, van 25. Juni 1867, t;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/401>, abgerufen am 21.05.2024.