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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Mode im alten Griechenland.

dem auf diesem Gebiete seit dem siebzehnten Jahrhundert unumschränkt gebie¬
tenden Einflüsse Frankreichs -- jede Veränderung der Kleidermode ihren
Triumphzug über die ganze zivilisirtc Welt hält. Gehen wir weiter zurück, so
finden wir auch in Rom, und zwar vornehmlich im kaiserlichen Rom, infolge
bes tonangebenden Hofes bereits die Mode auf verschiednen Gebieten des Le-
bens wirksam, und es ist vor kurzem in einem hübschen Vortrage"') auseinander¬
gesetzt worden, wie die Herrschaft der Mode im alten Rom bereits zur Zeit
der Republik beobachtet werden kann und in welcher Weise sich dieselbe dann
weiterhin kundgegeben hat. Am wenigsten aber pflegt man heute den Einfluß
der Mode im alten Griechenland anzuerkennen. Hier, wo kein monarchischer
Hof nach irgendwelcher Seite hin einen Druck auszuüben oder durch sein Bei¬
spiel zur Nachahmung anzureizen imstande war, wo die Trennung in zahlreiche
kleine Republiken, die zum Teil schon durch Stamuceseigentnmlichleiteu sich deut¬
lich schieden und sich dabei in der Regel so feindlich gegenüberstanden, daß ein
gegenseitiger Einfluß dadurch bedeutend vermindert werden mußte -- hier scheint
der Boden für die Herrschaft der Mode in der That so ungünstig wie möglich
zu sein. Und doch fehlt es auch hier nicht, wenn wir näher zusehen, an ganz
der gleichen, offenbar tief in der Natur des Menschen, zumal in seinem. Nach¬
ahmungstrieb begründeten Erscheinung, daß gewisse Veränderungen in der Tracht,
im Gerät, im Leben und in Gebräuchen allmählich oder bisweilen auch plötzlich
auftauchen und nach und nach mit so unwiderstehlicher Geivalt sich Geltung zu
verschaffen wissen, daß sie das vorher Dagewesene fast vollständig verdrängen und
allgemein angenommen werden, um nach eiuer gewissen Zeit selbst wieder andern
Neuerungen zum Opfer zu fallen. Von den verschiednen Gebieten, auf welche"
sich dies nachweisen läßt, wählen wir für unsre im folgenden zu gebende Dar¬
stellung dasjenige, auf welches die Mode vou jeher den weitaus größten Einfluß
ausgeübt hat und welches man daher von selbst zu verstehen Pflegt, wenn man
von Mode im eigentlichen Sinne des Wortes spricht: die Tracht. Leider müssen
wir dabei auf die unsre Darlegungen verdeutlichenden Abbildungen verzichten;
doch wollen wir uns bemühen, durch möglichst scharfe Beschreibung diesen
Mangel einigermaßen zu ersetze", und bitten nur um Entschuldigung, wenn es
hie und da den Anschein hat, als schrieben wir einen Artikel für ein antikes
Modejournal.

Wenn man heute von griechischer Tracht spricht, so versteht man darunter
fast durchweg diejenige Kleidung, welche wir, was die weibliche Tracht anlangt,
am schönsten wiedergegeben finden in den Jungfrauen des Parthenonfrieses oder
in den Karhatiden des Erechthcivns, und welche, wenn es sich um männliche
Tracht handelt, uns nirgends so großartig und würdevoll entgegentritt wie in



IN-. Frmiz Fröhlich, Die Mode im nider Rom. Bühel, 1.334.
Die Mode im alten Griechenland.

dem auf diesem Gebiete seit dem siebzehnten Jahrhundert unumschränkt gebie¬
tenden Einflüsse Frankreichs — jede Veränderung der Kleidermode ihren
Triumphzug über die ganze zivilisirtc Welt hält. Gehen wir weiter zurück, so
finden wir auch in Rom, und zwar vornehmlich im kaiserlichen Rom, infolge
bes tonangebenden Hofes bereits die Mode auf verschiednen Gebieten des Le-
bens wirksam, und es ist vor kurzem in einem hübschen Vortrage"') auseinander¬
gesetzt worden, wie die Herrschaft der Mode im alten Rom bereits zur Zeit
der Republik beobachtet werden kann und in welcher Weise sich dieselbe dann
weiterhin kundgegeben hat. Am wenigsten aber pflegt man heute den Einfluß
der Mode im alten Griechenland anzuerkennen. Hier, wo kein monarchischer
Hof nach irgendwelcher Seite hin einen Druck auszuüben oder durch sein Bei¬
spiel zur Nachahmung anzureizen imstande war, wo die Trennung in zahlreiche
kleine Republiken, die zum Teil schon durch Stamuceseigentnmlichleiteu sich deut¬
lich schieden und sich dabei in der Regel so feindlich gegenüberstanden, daß ein
gegenseitiger Einfluß dadurch bedeutend vermindert werden mußte — hier scheint
der Boden für die Herrschaft der Mode in der That so ungünstig wie möglich
zu sein. Und doch fehlt es auch hier nicht, wenn wir näher zusehen, an ganz
der gleichen, offenbar tief in der Natur des Menschen, zumal in seinem. Nach¬
ahmungstrieb begründeten Erscheinung, daß gewisse Veränderungen in der Tracht,
im Gerät, im Leben und in Gebräuchen allmählich oder bisweilen auch plötzlich
auftauchen und nach und nach mit so unwiderstehlicher Geivalt sich Geltung zu
verschaffen wissen, daß sie das vorher Dagewesene fast vollständig verdrängen und
allgemein angenommen werden, um nach eiuer gewissen Zeit selbst wieder andern
Neuerungen zum Opfer zu fallen. Von den verschiednen Gebieten, auf welche»
sich dies nachweisen läßt, wählen wir für unsre im folgenden zu gebende Dar¬
stellung dasjenige, auf welches die Mode vou jeher den weitaus größten Einfluß
ausgeübt hat und welches man daher von selbst zu verstehen Pflegt, wenn man
von Mode im eigentlichen Sinne des Wortes spricht: die Tracht. Leider müssen
wir dabei auf die unsre Darlegungen verdeutlichenden Abbildungen verzichten;
doch wollen wir uns bemühen, durch möglichst scharfe Beschreibung diesen
Mangel einigermaßen zu ersetze», und bitten nur um Entschuldigung, wenn es
hie und da den Anschein hat, als schrieben wir einen Artikel für ein antikes
Modejournal.

Wenn man heute von griechischer Tracht spricht, so versteht man darunter
fast durchweg diejenige Kleidung, welche wir, was die weibliche Tracht anlangt,
am schönsten wiedergegeben finden in den Jungfrauen des Parthenonfrieses oder
in den Karhatiden des Erechthcivns, und welche, wenn es sich um männliche
Tracht handelt, uns nirgends so großartig und würdevoll entgegentritt wie in



IN-. Frmiz Fröhlich, Die Mode im nider Rom. Bühel, 1.334.
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[0412] Die Mode im alten Griechenland. dem auf diesem Gebiete seit dem siebzehnten Jahrhundert unumschränkt gebie¬ tenden Einflüsse Frankreichs — jede Veränderung der Kleidermode ihren Triumphzug über die ganze zivilisirtc Welt hält. Gehen wir weiter zurück, so finden wir auch in Rom, und zwar vornehmlich im kaiserlichen Rom, infolge bes tonangebenden Hofes bereits die Mode auf verschiednen Gebieten des Le- bens wirksam, und es ist vor kurzem in einem hübschen Vortrage"') auseinander¬ gesetzt worden, wie die Herrschaft der Mode im alten Rom bereits zur Zeit der Republik beobachtet werden kann und in welcher Weise sich dieselbe dann weiterhin kundgegeben hat. Am wenigsten aber pflegt man heute den Einfluß der Mode im alten Griechenland anzuerkennen. Hier, wo kein monarchischer Hof nach irgendwelcher Seite hin einen Druck auszuüben oder durch sein Bei¬ spiel zur Nachahmung anzureizen imstande war, wo die Trennung in zahlreiche kleine Republiken, die zum Teil schon durch Stamuceseigentnmlichleiteu sich deut¬ lich schieden und sich dabei in der Regel so feindlich gegenüberstanden, daß ein gegenseitiger Einfluß dadurch bedeutend vermindert werden mußte — hier scheint der Boden für die Herrschaft der Mode in der That so ungünstig wie möglich zu sein. Und doch fehlt es auch hier nicht, wenn wir näher zusehen, an ganz der gleichen, offenbar tief in der Natur des Menschen, zumal in seinem. Nach¬ ahmungstrieb begründeten Erscheinung, daß gewisse Veränderungen in der Tracht, im Gerät, im Leben und in Gebräuchen allmählich oder bisweilen auch plötzlich auftauchen und nach und nach mit so unwiderstehlicher Geivalt sich Geltung zu verschaffen wissen, daß sie das vorher Dagewesene fast vollständig verdrängen und allgemein angenommen werden, um nach eiuer gewissen Zeit selbst wieder andern Neuerungen zum Opfer zu fallen. Von den verschiednen Gebieten, auf welche» sich dies nachweisen läßt, wählen wir für unsre im folgenden zu gebende Dar¬ stellung dasjenige, auf welches die Mode vou jeher den weitaus größten Einfluß ausgeübt hat und welches man daher von selbst zu verstehen Pflegt, wenn man von Mode im eigentlichen Sinne des Wortes spricht: die Tracht. Leider müssen wir dabei auf die unsre Darlegungen verdeutlichenden Abbildungen verzichten; doch wollen wir uns bemühen, durch möglichst scharfe Beschreibung diesen Mangel einigermaßen zu ersetze», und bitten nur um Entschuldigung, wenn es hie und da den Anschein hat, als schrieben wir einen Artikel für ein antikes Modejournal. Wenn man heute von griechischer Tracht spricht, so versteht man darunter fast durchweg diejenige Kleidung, welche wir, was die weibliche Tracht anlangt, am schönsten wiedergegeben finden in den Jungfrauen des Parthenonfrieses oder in den Karhatiden des Erechthcivns, und welche, wenn es sich um männliche Tracht handelt, uns nirgends so großartig und würdevoll entgegentritt wie in IN-. Frmiz Fröhlich, Die Mode im nider Rom. Bühel, 1.334.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/412>, abgerufen am 21.05.2024.