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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die letzte Präsidentenwahl in Nordamerika.

Erwähnen wir jetzt noch kurz der Bella Lockwovd, die ebenfalls in die
Wahlarena hinabgestiegen war, da die Frauen ja in der nordamerikanischen
Verfassung nicht ausdrücklich vom Präsidentenstuhle ausgeschlossen sind, und
des Temperenzlcrkandidaten Se. Johns, so ist die Liste der Erfolglosen hiermit
geschlossen, und wir können uns dem Sieger zuwenden.

Der zukünftige Präsident Grover Cleveland, bisher Gouverneur des Staates
Newyork, ist ein Mann in seinen besten Jahren. Er genießt erfreulicherweise
den Ruf der Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit und soll sich durch große Gerech¬
tigkeitsliebe während seiner Amtsführung ausgezeichnet haben. Während der
Wahlkampagne wurde er von seinen Gegnern zwar in ausreichender Weise mit
Schmutz beworfen, doch hat sich mit Sicherheit nur feststellen lassen, daß ein
natürlicher Sohn von ihm im Waisenhause und dessen Mutter sich in einem
Irrenhaus befindet. Dies begeisterte die Republikaner zu dem Feldgeschrei:
Mi, -- -- ^kisr's (Mama, Mama -- wo ist mein Papa?), welches
sie Tag und Nacht, einzeln und in Gruppen, mit -- sit voni^ vsrbo -- hyste¬
rischer Krampfhaftigkeit ausstießen, wenn sie eine Cleveland-Fahne oder einen
Cleveland-Mann oder eine Cleveland-Prozession erblickten. Mau Hort es noch
jetzt. Cleveland hat übrigens von der Pike auf gedient und war früher einmal
Sheriff. Ein Sheriff hat u. a. auch das Amt, die verurteilten Leute zu hängen,
und hält sich zu diesem Zwecke einen Untcrsheriff, dem er für den betreffenden
Akt hundert Dollar giebt. Vösc Zungen behaupten nun, daß Grover, ein sehr
haushälterischer Mann, diese hundert Dollar immer gespart und die Sache
selber "gemanaget" habe; doch ist dieser so wohlthuende Zug wahrscheinlich
nur von hungrigen Stellenjägern erfunden worden, die sich im voraus dafür
rächen, daß sie unter dem kommenden Präsidenten leer ausgehen sollen.

Cleveland hat sich nach keiner Richtung hin die Hände gebunden und sich
niemand gegenüber zu irgendetwas verpflichtet, und via Äsmoorg.ti" part,^,
die so lange Jahre abseits von den Staatskrippen hat stehen müssen, findet
vielleicht nicht einmal ihre Rechnung, nachdem einer der Ihrigen gesiegt hat.
So wurden denn auch bereits Stimmen laut, die den genialen Butler mit dem
schwerfälligen Cleveland verglichen. Mag das Land sich immer dessen getrosten,
daß kein schöpferischer Kopf, voll von großen Ideen, an seine Spitze treten wird.
Einer Verwaltung, in der so eigentümliche Gewohnheiten durch langjährige
Tradition geheiligt sind, thut vielleicht eine Hand am besten, die nur ordnet, ohne
zu experimentiren, und vorerst eine Zeitlang einfach das Korrekte thut. Die
ehrlichen Leute im Lande behaupten jedenfalls, daß die Wahl Clevclcmds ein
Triumph für sie sei.

Wenn nicht ein Triumph, so doch ein sehr erfreuliches Ereignis ist der
schließliche Ausgang ohne Zweifel für eine Klasse von Bürgern, auf die ich
zum Schluß noch die Aufmerksamkeit lenken möchte; dies sind die Deutsch-
Amerikaner. Unsre Landsleute haben sich fast überall sehr für Cleveland inter-


Die letzte Präsidentenwahl in Nordamerika.

Erwähnen wir jetzt noch kurz der Bella Lockwovd, die ebenfalls in die
Wahlarena hinabgestiegen war, da die Frauen ja in der nordamerikanischen
Verfassung nicht ausdrücklich vom Präsidentenstuhle ausgeschlossen sind, und
des Temperenzlcrkandidaten Se. Johns, so ist die Liste der Erfolglosen hiermit
geschlossen, und wir können uns dem Sieger zuwenden.

Der zukünftige Präsident Grover Cleveland, bisher Gouverneur des Staates
Newyork, ist ein Mann in seinen besten Jahren. Er genießt erfreulicherweise
den Ruf der Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit und soll sich durch große Gerech¬
tigkeitsliebe während seiner Amtsführung ausgezeichnet haben. Während der
Wahlkampagne wurde er von seinen Gegnern zwar in ausreichender Weise mit
Schmutz beworfen, doch hat sich mit Sicherheit nur feststellen lassen, daß ein
natürlicher Sohn von ihm im Waisenhause und dessen Mutter sich in einem
Irrenhaus befindet. Dies begeisterte die Republikaner zu dem Feldgeschrei:
Mi, — — ^kisr's (Mama, Mama — wo ist mein Papa?), welches
sie Tag und Nacht, einzeln und in Gruppen, mit — sit voni^ vsrbo — hyste¬
rischer Krampfhaftigkeit ausstießen, wenn sie eine Cleveland-Fahne oder einen
Cleveland-Mann oder eine Cleveland-Prozession erblickten. Mau Hort es noch
jetzt. Cleveland hat übrigens von der Pike auf gedient und war früher einmal
Sheriff. Ein Sheriff hat u. a. auch das Amt, die verurteilten Leute zu hängen,
und hält sich zu diesem Zwecke einen Untcrsheriff, dem er für den betreffenden
Akt hundert Dollar giebt. Vösc Zungen behaupten nun, daß Grover, ein sehr
haushälterischer Mann, diese hundert Dollar immer gespart und die Sache
selber „gemanaget" habe; doch ist dieser so wohlthuende Zug wahrscheinlich
nur von hungrigen Stellenjägern erfunden worden, die sich im voraus dafür
rächen, daß sie unter dem kommenden Präsidenten leer ausgehen sollen.

Cleveland hat sich nach keiner Richtung hin die Hände gebunden und sich
niemand gegenüber zu irgendetwas verpflichtet, und via Äsmoorg.ti« part,^,
die so lange Jahre abseits von den Staatskrippen hat stehen müssen, findet
vielleicht nicht einmal ihre Rechnung, nachdem einer der Ihrigen gesiegt hat.
So wurden denn auch bereits Stimmen laut, die den genialen Butler mit dem
schwerfälligen Cleveland verglichen. Mag das Land sich immer dessen getrosten,
daß kein schöpferischer Kopf, voll von großen Ideen, an seine Spitze treten wird.
Einer Verwaltung, in der so eigentümliche Gewohnheiten durch langjährige
Tradition geheiligt sind, thut vielleicht eine Hand am besten, die nur ordnet, ohne
zu experimentiren, und vorerst eine Zeitlang einfach das Korrekte thut. Die
ehrlichen Leute im Lande behaupten jedenfalls, daß die Wahl Clevclcmds ein
Triumph für sie sei.

Wenn nicht ein Triumph, so doch ein sehr erfreuliches Ereignis ist der
schließliche Ausgang ohne Zweifel für eine Klasse von Bürgern, auf die ich
zum Schluß noch die Aufmerksamkeit lenken möchte; dies sind die Deutsch-
Amerikaner. Unsre Landsleute haben sich fast überall sehr für Cleveland inter-


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[0450] Die letzte Präsidentenwahl in Nordamerika. Erwähnen wir jetzt noch kurz der Bella Lockwovd, die ebenfalls in die Wahlarena hinabgestiegen war, da die Frauen ja in der nordamerikanischen Verfassung nicht ausdrücklich vom Präsidentenstuhle ausgeschlossen sind, und des Temperenzlcrkandidaten Se. Johns, so ist die Liste der Erfolglosen hiermit geschlossen, und wir können uns dem Sieger zuwenden. Der zukünftige Präsident Grover Cleveland, bisher Gouverneur des Staates Newyork, ist ein Mann in seinen besten Jahren. Er genießt erfreulicherweise den Ruf der Ehrlichkeit und Unbestechlichkeit und soll sich durch große Gerech¬ tigkeitsliebe während seiner Amtsführung ausgezeichnet haben. Während der Wahlkampagne wurde er von seinen Gegnern zwar in ausreichender Weise mit Schmutz beworfen, doch hat sich mit Sicherheit nur feststellen lassen, daß ein natürlicher Sohn von ihm im Waisenhause und dessen Mutter sich in einem Irrenhaus befindet. Dies begeisterte die Republikaner zu dem Feldgeschrei: Mi, — — ^kisr's (Mama, Mama — wo ist mein Papa?), welches sie Tag und Nacht, einzeln und in Gruppen, mit — sit voni^ vsrbo — hyste¬ rischer Krampfhaftigkeit ausstießen, wenn sie eine Cleveland-Fahne oder einen Cleveland-Mann oder eine Cleveland-Prozession erblickten. Mau Hort es noch jetzt. Cleveland hat übrigens von der Pike auf gedient und war früher einmal Sheriff. Ein Sheriff hat u. a. auch das Amt, die verurteilten Leute zu hängen, und hält sich zu diesem Zwecke einen Untcrsheriff, dem er für den betreffenden Akt hundert Dollar giebt. Vösc Zungen behaupten nun, daß Grover, ein sehr haushälterischer Mann, diese hundert Dollar immer gespart und die Sache selber „gemanaget" habe; doch ist dieser so wohlthuende Zug wahrscheinlich nur von hungrigen Stellenjägern erfunden worden, die sich im voraus dafür rächen, daß sie unter dem kommenden Präsidenten leer ausgehen sollen. Cleveland hat sich nach keiner Richtung hin die Hände gebunden und sich niemand gegenüber zu irgendetwas verpflichtet, und via Äsmoorg.ti« part,^, die so lange Jahre abseits von den Staatskrippen hat stehen müssen, findet vielleicht nicht einmal ihre Rechnung, nachdem einer der Ihrigen gesiegt hat. So wurden denn auch bereits Stimmen laut, die den genialen Butler mit dem schwerfälligen Cleveland verglichen. Mag das Land sich immer dessen getrosten, daß kein schöpferischer Kopf, voll von großen Ideen, an seine Spitze treten wird. Einer Verwaltung, in der so eigentümliche Gewohnheiten durch langjährige Tradition geheiligt sind, thut vielleicht eine Hand am besten, die nur ordnet, ohne zu experimentiren, und vorerst eine Zeitlang einfach das Korrekte thut. Die ehrlichen Leute im Lande behaupten jedenfalls, daß die Wahl Clevclcmds ein Triumph für sie sei. Wenn nicht ein Triumph, so doch ein sehr erfreuliches Ereignis ist der schließliche Ausgang ohne Zweifel für eine Klasse von Bürgern, auf die ich zum Schluß noch die Aufmerksamkeit lenken möchte; dies sind die Deutsch- Amerikaner. Unsre Landsleute haben sich fast überall sehr für Cleveland inter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/450>, abgerufen am 21.05.2024.