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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Zur Revision manchesterlicher Lehren.

dem Unternehmer gewinnen können, bleibt in gewissen bescheidnen Grenzen. Der
Gewinn dagegen, aber auch ebenso der Verlust des Unternehmers ist unbegrenzt,
weil er neben dem Kampf mit Kapitalisten und Arbeitern, seinen Gehilfen, noch
einen andern Kampf zu führen hat, an welchem jene keinen Anteil nehmen,
nämlich den Kampf mit dem Konsumenten um den Verkaufspreis.

Unter diesen Verhältnissen ist es natürlich, daß Kapitalist sowohl als
Arbeiter, welche beide auf eine mäßige Entlohnung beschränkt sind, die der
Natur der Sache nach gewisse Grenzen niemals überschreiten kann, bestrebt sind,
an dem Unternehmergewinn beteiligt zu werden. Auch hier zeigt sich ganz
deutlich, daß Kapital und Arbeit keineswegs natürliche Feinde, sondern im
Gegenteil daß sie durch gleichartiges Interesse verbunden sind, wenn auch jedes
von beiden seine besondern Wege geht.

Eine gerechtere oder, zutreffender gesagt, eine befriedigendere Verteilung
der erzeugten Werte zwischen Unternehmer, Kapitalist und Arbeiter ist also die
große Aufgabe, vou deren Lösung die soziale Befriedigung abhängt, und eben
dies ist in der That auch der Schlachtruf des vernünftigeren Teiles der so¬
zialistischen Schule.

Wenn die erzeugten Güter unmittelbar in die Hände der Konsumenten
gelangten, wenn nichts produzirt würde, was nicht von der Konsumtion er¬
wartet oder gewissermaßen bestellt wäre, wenn also der Unternehmer jenen
andern Kampf mit den Konsumenten um den Preis der Waare nicht zu führen
hätte, so würde eine höhere oder, wenn man will, eine gerechtere Entlohnung
des Arbeiters Wohl ohne große Schwierigkeiten zu erzielen sein. Denn eines¬
teils würde in diesem Falle, wie wir oben gezeigt haben, das Kapital nur in
sehr untergeordnetem Maße bei der Produktion (für Beschaffung der Gebäude,
Stoffe und Werkzeuge) beteiligt sein, und demnach würden die Produktionskosten
wesentlich geringer sein; andrerseits aber hätte der Unternehmer das ganze
Risiko des Verkaufs und der damit verbundenen Spekulation nicht zu tragen.
Er könnte daher, ohne seinen Gewinn wesentlich zu kürzen, dem Arbeiter sehr
wohl höheren Lohn bewilligen, und würde sich dem aus tausend Gründen nicht
entziehen können und wollen.

Freilich könnte es müßig erscheinen, eine solche Hypothese aufzustellen, weil
sie offenbar unter den heutigen verwickelten Verhältnissen nicht möglich ist.*)
Es schien mir aber von Nutzen, diese Hypothese aufzustellen, weil daraus
hervorgeht, daß ebenso wie das bei der Produktion beteiligte Kapital, an
und für sich auch der Unternehmer es nicht ist, der auf den Arbeiter drückte,
sondern der Umstand, daß die erzeugten Güter statt direkt in die Hände der
Konsumenten, zuvor in diejenigen des spekulirenden Handels gehen, also in ein



*) Was Rodbertus mit der von Staatswegen zu bewirkenden Magazinirung der er¬
zeugten Güter zu erreichen gedachte, ist von unsrer Hypothese nicht weit entfernt.
Zur Revision manchesterlicher Lehren.

dem Unternehmer gewinnen können, bleibt in gewissen bescheidnen Grenzen. Der
Gewinn dagegen, aber auch ebenso der Verlust des Unternehmers ist unbegrenzt,
weil er neben dem Kampf mit Kapitalisten und Arbeitern, seinen Gehilfen, noch
einen andern Kampf zu führen hat, an welchem jene keinen Anteil nehmen,
nämlich den Kampf mit dem Konsumenten um den Verkaufspreis.

Unter diesen Verhältnissen ist es natürlich, daß Kapitalist sowohl als
Arbeiter, welche beide auf eine mäßige Entlohnung beschränkt sind, die der
Natur der Sache nach gewisse Grenzen niemals überschreiten kann, bestrebt sind,
an dem Unternehmergewinn beteiligt zu werden. Auch hier zeigt sich ganz
deutlich, daß Kapital und Arbeit keineswegs natürliche Feinde, sondern im
Gegenteil daß sie durch gleichartiges Interesse verbunden sind, wenn auch jedes
von beiden seine besondern Wege geht.

Eine gerechtere oder, zutreffender gesagt, eine befriedigendere Verteilung
der erzeugten Werte zwischen Unternehmer, Kapitalist und Arbeiter ist also die
große Aufgabe, vou deren Lösung die soziale Befriedigung abhängt, und eben
dies ist in der That auch der Schlachtruf des vernünftigeren Teiles der so¬
zialistischen Schule.

Wenn die erzeugten Güter unmittelbar in die Hände der Konsumenten
gelangten, wenn nichts produzirt würde, was nicht von der Konsumtion er¬
wartet oder gewissermaßen bestellt wäre, wenn also der Unternehmer jenen
andern Kampf mit den Konsumenten um den Preis der Waare nicht zu führen
hätte, so würde eine höhere oder, wenn man will, eine gerechtere Entlohnung
des Arbeiters Wohl ohne große Schwierigkeiten zu erzielen sein. Denn eines¬
teils würde in diesem Falle, wie wir oben gezeigt haben, das Kapital nur in
sehr untergeordnetem Maße bei der Produktion (für Beschaffung der Gebäude,
Stoffe und Werkzeuge) beteiligt sein, und demnach würden die Produktionskosten
wesentlich geringer sein; andrerseits aber hätte der Unternehmer das ganze
Risiko des Verkaufs und der damit verbundenen Spekulation nicht zu tragen.
Er könnte daher, ohne seinen Gewinn wesentlich zu kürzen, dem Arbeiter sehr
wohl höheren Lohn bewilligen, und würde sich dem aus tausend Gründen nicht
entziehen können und wollen.

Freilich könnte es müßig erscheinen, eine solche Hypothese aufzustellen, weil
sie offenbar unter den heutigen verwickelten Verhältnissen nicht möglich ist.*)
Es schien mir aber von Nutzen, diese Hypothese aufzustellen, weil daraus
hervorgeht, daß ebenso wie das bei der Produktion beteiligte Kapital, an
und für sich auch der Unternehmer es nicht ist, der auf den Arbeiter drückte,
sondern der Umstand, daß die erzeugten Güter statt direkt in die Hände der
Konsumenten, zuvor in diejenigen des spekulirenden Handels gehen, also in ein



*) Was Rodbertus mit der von Staatswegen zu bewirkenden Magazinirung der er¬
zeugten Güter zu erreichen gedachte, ist von unsrer Hypothese nicht weit entfernt.
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[0510] Zur Revision manchesterlicher Lehren. dem Unternehmer gewinnen können, bleibt in gewissen bescheidnen Grenzen. Der Gewinn dagegen, aber auch ebenso der Verlust des Unternehmers ist unbegrenzt, weil er neben dem Kampf mit Kapitalisten und Arbeitern, seinen Gehilfen, noch einen andern Kampf zu führen hat, an welchem jene keinen Anteil nehmen, nämlich den Kampf mit dem Konsumenten um den Verkaufspreis. Unter diesen Verhältnissen ist es natürlich, daß Kapitalist sowohl als Arbeiter, welche beide auf eine mäßige Entlohnung beschränkt sind, die der Natur der Sache nach gewisse Grenzen niemals überschreiten kann, bestrebt sind, an dem Unternehmergewinn beteiligt zu werden. Auch hier zeigt sich ganz deutlich, daß Kapital und Arbeit keineswegs natürliche Feinde, sondern im Gegenteil daß sie durch gleichartiges Interesse verbunden sind, wenn auch jedes von beiden seine besondern Wege geht. Eine gerechtere oder, zutreffender gesagt, eine befriedigendere Verteilung der erzeugten Werte zwischen Unternehmer, Kapitalist und Arbeiter ist also die große Aufgabe, vou deren Lösung die soziale Befriedigung abhängt, und eben dies ist in der That auch der Schlachtruf des vernünftigeren Teiles der so¬ zialistischen Schule. Wenn die erzeugten Güter unmittelbar in die Hände der Konsumenten gelangten, wenn nichts produzirt würde, was nicht von der Konsumtion er¬ wartet oder gewissermaßen bestellt wäre, wenn also der Unternehmer jenen andern Kampf mit den Konsumenten um den Preis der Waare nicht zu führen hätte, so würde eine höhere oder, wenn man will, eine gerechtere Entlohnung des Arbeiters Wohl ohne große Schwierigkeiten zu erzielen sein. Denn eines¬ teils würde in diesem Falle, wie wir oben gezeigt haben, das Kapital nur in sehr untergeordnetem Maße bei der Produktion (für Beschaffung der Gebäude, Stoffe und Werkzeuge) beteiligt sein, und demnach würden die Produktionskosten wesentlich geringer sein; andrerseits aber hätte der Unternehmer das ganze Risiko des Verkaufs und der damit verbundenen Spekulation nicht zu tragen. Er könnte daher, ohne seinen Gewinn wesentlich zu kürzen, dem Arbeiter sehr wohl höheren Lohn bewilligen, und würde sich dem aus tausend Gründen nicht entziehen können und wollen. Freilich könnte es müßig erscheinen, eine solche Hypothese aufzustellen, weil sie offenbar unter den heutigen verwickelten Verhältnissen nicht möglich ist.*) Es schien mir aber von Nutzen, diese Hypothese aufzustellen, weil daraus hervorgeht, daß ebenso wie das bei der Produktion beteiligte Kapital, an und für sich auch der Unternehmer es nicht ist, der auf den Arbeiter drückte, sondern der Umstand, daß die erzeugten Güter statt direkt in die Hände der Konsumenten, zuvor in diejenigen des spekulirenden Handels gehen, also in ein *) Was Rodbertus mit der von Staatswegen zu bewirkenden Magazinirung der er¬ zeugten Güter zu erreichen gedachte, ist von unsrer Hypothese nicht weit entfernt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/510>, abgerufen am 21.05.2024.