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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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gleichzeitigen sorgenvollen Seitenblicken des Alten den Schluß gezogen haben,
er stehe in allen Lebenslage" unablässig unter dem Drucke der Vorahnung eines
schweren Mißgeschickes. Unablässig war dies aber durchaus nicht der Fall, und
gcnwärtig dachte er an nichts als an seinen Handel mit dem Hebräer, denn er
gehörte zu denjenigen Leuten, die das Bedürfnis haben, sich von Zeit zu Zeit
in lehrhaft bekümmerten Worten Luft zu machen, und die, nachdem sie so ihr
Herz erleichtert haben, den Dingen geruhig für eine Weile ihren Lauf lassen, ja
sie Wohl ganz vergessen.

Nun war aber auch der Handel, der ihn nach Verona geführt hatte, kein
so geringfügiger, als es auf den ersten Blick scheinen möchte. Es handelte sich
immer um mehrere tausend Dukaten, wenn auch nicht um achtzigtausend, wie
die Schätzung für die dem König Philipp dem Zweiten von Spanien einst ver¬
ehrte Perle ig, ?in-og'riim lautete. Auch dieses Weltwunder hatte namentlich
um seiner Größe willen einen so hohen Wert gehabt. Rund war es ebenso¬
wenig gewesen wie das Ideal, welches dem alten Bnonacolsi sür die Kvm-
Pletirnng des bewußten Nrmbandes vorschwebte, und groß sollte dies Ideal
eiuer Barock-Perle ebenfalls sein.

Ephraims Methode bei solchen Geschäften war zunächst, dnrch das Vor¬
legen geringer und wohlfeiler Exemplare den Käufer zu der Äußerung zu
bringen, er sei denn aber doch kein Vettelmauu und komme nicht nach Verona,
um sich mit Ausschuß zu beladen. Der Juwelier schob dann alles Gering¬
wertige schweigend auf die Seite und stieg in Qualität und Preisen mit dem,
was er auskramte, eine Stufe höher. Auch dies konnte nicht im entferntesten
genügen. Und so ging es denn langsam, langsam aufwärts, bis statt einem
Dutzend Perlen drei bis vier, die dafür aber umsomehr kosten sollten, und
endlich nur noch eine oder zwei in Frage blieben, in die sich der Käufer nun
so gründlich vernarrte, daß die dafür gemachte unerhörte Forderung keineswegs
zum Abbrechen des Handels führte.

Auch diesmal verfuhr Ephraim nicht anders und der alte Buonacolsi
mochte, als die kostbarste Perle endlich an die Reihe kam und volle dreitausend
Dukaten kosten sollte, noch so sehr außer sich geraten, mochte dazwischen sich zu
noch so verbindlichen Schmeichelworten erniedrigen, mochte mit seinem von Golde
strotzenden Lederbentel noch so heftig in der Luft herumfuchteln, mochte ihren In¬
halt dann mit der Versicherung, dies sei sein letztes Geschäft mit Ephraim, noch so
zornig auf den Tisch verstreuen -- nicht einen Deut ließ Ephraim sich abhandeln;
er wußte, seine Kunden sagten sich hinterdrein doch allemal: Bei Ephraim sollte
man nie feilschen, er schlägt nie vor, er ist ein ganzer Geschäftsmann; so muß
der rechte Kaufmann sein.

Daß er dennoch keine eigentliche-! festen Preise hatte und seine Forderung
nnr ganz nach dem Grade der Vernarrthcit des Käufers einrichtete, dies ließ
sich bei Gegenständen, deren Wert auf bloßer Liebhaberei beruhte, selbstverständ-


gleichzeitigen sorgenvollen Seitenblicken des Alten den Schluß gezogen haben,
er stehe in allen Lebenslage» unablässig unter dem Drucke der Vorahnung eines
schweren Mißgeschickes. Unablässig war dies aber durchaus nicht der Fall, und
gcnwärtig dachte er an nichts als an seinen Handel mit dem Hebräer, denn er
gehörte zu denjenigen Leuten, die das Bedürfnis haben, sich von Zeit zu Zeit
in lehrhaft bekümmerten Worten Luft zu machen, und die, nachdem sie so ihr
Herz erleichtert haben, den Dingen geruhig für eine Weile ihren Lauf lassen, ja
sie Wohl ganz vergessen.

Nun war aber auch der Handel, der ihn nach Verona geführt hatte, kein
so geringfügiger, als es auf den ersten Blick scheinen möchte. Es handelte sich
immer um mehrere tausend Dukaten, wenn auch nicht um achtzigtausend, wie
die Schätzung für die dem König Philipp dem Zweiten von Spanien einst ver¬
ehrte Perle ig, ?in-og'riim lautete. Auch dieses Weltwunder hatte namentlich
um seiner Größe willen einen so hohen Wert gehabt. Rund war es ebenso¬
wenig gewesen wie das Ideal, welches dem alten Bnonacolsi sür die Kvm-
Pletirnng des bewußten Nrmbandes vorschwebte, und groß sollte dies Ideal
eiuer Barock-Perle ebenfalls sein.

Ephraims Methode bei solchen Geschäften war zunächst, dnrch das Vor¬
legen geringer und wohlfeiler Exemplare den Käufer zu der Äußerung zu
bringen, er sei denn aber doch kein Vettelmauu und komme nicht nach Verona,
um sich mit Ausschuß zu beladen. Der Juwelier schob dann alles Gering¬
wertige schweigend auf die Seite und stieg in Qualität und Preisen mit dem,
was er auskramte, eine Stufe höher. Auch dies konnte nicht im entferntesten
genügen. Und so ging es denn langsam, langsam aufwärts, bis statt einem
Dutzend Perlen drei bis vier, die dafür aber umsomehr kosten sollten, und
endlich nur noch eine oder zwei in Frage blieben, in die sich der Käufer nun
so gründlich vernarrte, daß die dafür gemachte unerhörte Forderung keineswegs
zum Abbrechen des Handels führte.

Auch diesmal verfuhr Ephraim nicht anders und der alte Buonacolsi
mochte, als die kostbarste Perle endlich an die Reihe kam und volle dreitausend
Dukaten kosten sollte, noch so sehr außer sich geraten, mochte dazwischen sich zu
noch so verbindlichen Schmeichelworten erniedrigen, mochte mit seinem von Golde
strotzenden Lederbentel noch so heftig in der Luft herumfuchteln, mochte ihren In¬
halt dann mit der Versicherung, dies sei sein letztes Geschäft mit Ephraim, noch so
zornig auf den Tisch verstreuen — nicht einen Deut ließ Ephraim sich abhandeln;
er wußte, seine Kunden sagten sich hinterdrein doch allemal: Bei Ephraim sollte
man nie feilschen, er schlägt nie vor, er ist ein ganzer Geschäftsmann; so muß
der rechte Kaufmann sein.

Daß er dennoch keine eigentliche-! festen Preise hatte und seine Forderung
nnr ganz nach dem Grade der Vernarrthcit des Käufers einrichtete, dies ließ
sich bei Gegenständen, deren Wert auf bloßer Liebhaberei beruhte, selbstverständ-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/553>, abgerufen am 21.05.2024.