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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine Perle.

zu wetzen; für die zertretenen Rechte der schönsten Jungfrau, die uns Sterb¬
lichen die Gunst des Himmels in der Glorie ihrer Unschuld, Reinheit und Güte
anzubeten vergönnt hat, darf ich in den Kampf ziehen. Statt dem kalten Hasse
führt die Liebe, die glühende Hingebung das Panier, und ich will nicht ruhen,
bis sie mich zum Siege geführt haben wird.

Am andern Tische hatte der Perlenhandel eben sein Ende erreicht, es
wurde nur noch wegen einiger, aus der kleinen Goldwage Ephraims zu leicht
befundener Goldstücke debcittirt. Giuseppe Gonzaga ließ Floridas Hand los und
nahm wieder die ehrerbietige Haltung Antonios ein. Aber im Flüstertöne sagte
er: Wo ist Euer Zimmer, Prineipessa? Ich muß Euch heute noch in den
ganzen Plan einweihen. Ihr müßt mich im Geheimen empfangen. Wo ist
Euer Zimmer?

Florida, noch nicht wieder Herrin ihrer Kräfte, vermochte nur mit bittendem
Blicke den Kopf zu schütteln. Hätte sie reden können, so wären die Worte:
Barmherzigkeit! mir schwindelt, lasset mich zur Besinnung kommen! das einzige
gewesen, was er vernommen h^ben würde.

Ich danke Euch, Prineipessa, gab er zur Antwort, als habe sie auf das
anstoßende Gemach als das Ihrige hingedeutet.

Nicht, nicht, lallte sie.

Also auf der andern Seite, schloß er ab; man kommt. Verbergt den Ring
jetzt in Euerm Busen, Prineipessa. Wir werden, eines nachdem Ihr heute Nacht
in den von mir entworfenen Plan eingeweiht worden sein werdet, noch manche
Botschaft zu wechseln haben. Hier diesen dünnen Reif ziehe ich Euch vom
Finger. So oft ein Vertrauensmann von mir an Euch nach Mantua gesandt
wird, soll er sich durch dieses dünne Ringlein als mein Sendbote ausweisen.
Und habt Ihr, teure Prineipessa, mir etwas wichtiges zu senden, so zeigt Euer
Bote das goldne Nubinschlünglcin vor, und ich weiß, von wem er kommt.

Er hatte sich, ohne daß sie es hindern konnte oder -- wollte, des dünnen
Ninglcins bemächtigt, drückte es an die Lippen und ließ es darauf in seiner
Sammtjacke verschwinde". Zugleich war er emsig geschäftig, die Etuis zu
schließen und alles vor der Tochter des alten Buonacolsi Ausgekramte wieder
in den Lederkoffer zu packen.

Nach einer linkischer Verbeugung gegen sie wie gegen ihren, mit der kost¬
baren Perle in der Hand herankommenden Vater verabschiedete er sich dann
und folgte dem in der Thür auf ihn wartenden Juwelier, dessen Taschen von
dein Klänge des edeln Metalls bei jeder Bewegung wie die Schellen einer
ganzen Lämmcrhcrde läuteten.

(Fortsetzung folgt,)






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Um eine Perle.

zu wetzen; für die zertretenen Rechte der schönsten Jungfrau, die uns Sterb¬
lichen die Gunst des Himmels in der Glorie ihrer Unschuld, Reinheit und Güte
anzubeten vergönnt hat, darf ich in den Kampf ziehen. Statt dem kalten Hasse
führt die Liebe, die glühende Hingebung das Panier, und ich will nicht ruhen,
bis sie mich zum Siege geführt haben wird.

Am andern Tische hatte der Perlenhandel eben sein Ende erreicht, es
wurde nur noch wegen einiger, aus der kleinen Goldwage Ephraims zu leicht
befundener Goldstücke debcittirt. Giuseppe Gonzaga ließ Floridas Hand los und
nahm wieder die ehrerbietige Haltung Antonios ein. Aber im Flüstertöne sagte
er: Wo ist Euer Zimmer, Prineipessa? Ich muß Euch heute noch in den
ganzen Plan einweihen. Ihr müßt mich im Geheimen empfangen. Wo ist
Euer Zimmer?

Florida, noch nicht wieder Herrin ihrer Kräfte, vermochte nur mit bittendem
Blicke den Kopf zu schütteln. Hätte sie reden können, so wären die Worte:
Barmherzigkeit! mir schwindelt, lasset mich zur Besinnung kommen! das einzige
gewesen, was er vernommen h^ben würde.

Ich danke Euch, Prineipessa, gab er zur Antwort, als habe sie auf das
anstoßende Gemach als das Ihrige hingedeutet.

Nicht, nicht, lallte sie.

Also auf der andern Seite, schloß er ab; man kommt. Verbergt den Ring
jetzt in Euerm Busen, Prineipessa. Wir werden, eines nachdem Ihr heute Nacht
in den von mir entworfenen Plan eingeweiht worden sein werdet, noch manche
Botschaft zu wechseln haben. Hier diesen dünnen Reif ziehe ich Euch vom
Finger. So oft ein Vertrauensmann von mir an Euch nach Mantua gesandt
wird, soll er sich durch dieses dünne Ringlein als mein Sendbote ausweisen.
Und habt Ihr, teure Prineipessa, mir etwas wichtiges zu senden, so zeigt Euer
Bote das goldne Nubinschlünglcin vor, und ich weiß, von wem er kommt.

Er hatte sich, ohne daß sie es hindern konnte oder — wollte, des dünnen
Ninglcins bemächtigt, drückte es an die Lippen und ließ es darauf in seiner
Sammtjacke verschwinde«. Zugleich war er emsig geschäftig, die Etuis zu
schließen und alles vor der Tochter des alten Buonacolsi Ausgekramte wieder
in den Lederkoffer zu packen.

Nach einer linkischer Verbeugung gegen sie wie gegen ihren, mit der kost¬
baren Perle in der Hand herankommenden Vater verabschiedete er sich dann
und folgte dem in der Thür auf ihn wartenden Juwelier, dessen Taschen von
dein Klänge des edeln Metalls bei jeder Bewegung wie die Schellen einer
ganzen Lämmcrhcrde läuteten.

(Fortsetzung folgt,)






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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[0556] Um eine Perle. zu wetzen; für die zertretenen Rechte der schönsten Jungfrau, die uns Sterb¬ lichen die Gunst des Himmels in der Glorie ihrer Unschuld, Reinheit und Güte anzubeten vergönnt hat, darf ich in den Kampf ziehen. Statt dem kalten Hasse führt die Liebe, die glühende Hingebung das Panier, und ich will nicht ruhen, bis sie mich zum Siege geführt haben wird. Am andern Tische hatte der Perlenhandel eben sein Ende erreicht, es wurde nur noch wegen einiger, aus der kleinen Goldwage Ephraims zu leicht befundener Goldstücke debcittirt. Giuseppe Gonzaga ließ Floridas Hand los und nahm wieder die ehrerbietige Haltung Antonios ein. Aber im Flüstertöne sagte er: Wo ist Euer Zimmer, Prineipessa? Ich muß Euch heute noch in den ganzen Plan einweihen. Ihr müßt mich im Geheimen empfangen. Wo ist Euer Zimmer? Florida, noch nicht wieder Herrin ihrer Kräfte, vermochte nur mit bittendem Blicke den Kopf zu schütteln. Hätte sie reden können, so wären die Worte: Barmherzigkeit! mir schwindelt, lasset mich zur Besinnung kommen! das einzige gewesen, was er vernommen h^ben würde. Ich danke Euch, Prineipessa, gab er zur Antwort, als habe sie auf das anstoßende Gemach als das Ihrige hingedeutet. Nicht, nicht, lallte sie. Also auf der andern Seite, schloß er ab; man kommt. Verbergt den Ring jetzt in Euerm Busen, Prineipessa. Wir werden, eines nachdem Ihr heute Nacht in den von mir entworfenen Plan eingeweiht worden sein werdet, noch manche Botschaft zu wechseln haben. Hier diesen dünnen Reif ziehe ich Euch vom Finger. So oft ein Vertrauensmann von mir an Euch nach Mantua gesandt wird, soll er sich durch dieses dünne Ringlein als mein Sendbote ausweisen. Und habt Ihr, teure Prineipessa, mir etwas wichtiges zu senden, so zeigt Euer Bote das goldne Nubinschlünglcin vor, und ich weiß, von wem er kommt. Er hatte sich, ohne daß sie es hindern konnte oder — wollte, des dünnen Ninglcins bemächtigt, drückte es an die Lippen und ließ es darauf in seiner Sammtjacke verschwinde«. Zugleich war er emsig geschäftig, die Etuis zu schließen und alles vor der Tochter des alten Buonacolsi Ausgekramte wieder in den Lederkoffer zu packen. Nach einer linkischer Verbeugung gegen sie wie gegen ihren, mit der kost¬ baren Perle in der Hand herankommenden Vater verabschiedete er sich dann und folgte dem in der Thür auf ihn wartenden Juwelier, dessen Taschen von dein Klänge des edeln Metalls bei jeder Bewegung wie die Schellen einer ganzen Lämmcrhcrde läuteten. (Fortsetzung folgt,) Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/556>, abgerufen am 21.05.2024.