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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Man zeiht die tapfern Streiter der Undankbarkeit gegen den Mann, welcher
sich immerhin einige Verdienste erworben hat: wie voreilig! Wartet doch nur,
bis er einmal nicht mehr ist, dann wird er beklagt und besungen und bedenk-
malt werden. Man behauptet, wenn die Franzosen oder Engländer oder Ita¬
liener einen Bismarck besäßen, würden sie in einmütiger Verehrung sich um ihn
scharen, und keiner würde wagen, ihm mit erbärmlichen Nörgeleien das Leben
zu verbittern. Ja meine Herren, wir sind eben Deutsche und jener Ahnen wert,
welche einem Kotzebue und Börne und ähnlichem Gelichter gestatteten, die Stiefel
Goethes zu besudeln. Man macht auch den mehr oder minder würdigen Herren
im Zentrum einen Vorwurf daraus, daß sie nicht geredet, sondern mir gestimmt
haben. Nun, sie sind die Partei des Friedens und der christlichen Liebe, das
weiß ja jedes Kind, und außerdem sind sie zu klug, um bloße Manöverschüsse
abzugeben wie Herr Hänel oder Projektile aus der Gosse aufzulesen, wie der
"Arbeiter" und' päpstliche Leutnant a. D. Herr von Vvllmar: als es zum
Sturm ging, waren sie auf dem Platze, wohl wissend, daß die Stimmen nicht
gewogen, sondern gezählt werden.

Und um zum Schlüsse noch ein ernstes Wort. Die Bevölkerung steht,
wie es scheint, nicht ganz auf der Höhe der Situation, die Presse fällt ab, und
wenn nicht der "Bauer" Dirichlet mit Herrn Richter um die Wette seinen Dresch¬
flegel Schwange, so hätte die Koalition gar keinen Anhang in der "öffentlichen
Meinung." Schon schleichen sich Feigheit und Verrat durch die Reihen der
Tapfern und raten ihnen, bei der dritten Lesung zu kapitulireu. Das darf
um keinen Preis geschehen, ein Tag des Ruhmes, wie der kakelbunte Montag,
darf nicht wieder ausgelöscht werden! Hat etwa das souveräne Volk von Paris
seine glorreiche Kundgebung gegen den König von Spanien zurückgenommen,
weil ganz Europa dieselbe für eine ungeheure Dummheit erklärte? Im Gegen¬
teil wäre es bereit, das Stück sofort noch einmal aufzuführen. Das ist Kon¬
sequenz, das ist Wahrung der eignen Würde! Das Volk weiß jetzt, wessen es
sich von den verbündeten Zentralen. Linken, Äußerstlinken, Polen, Welsen, Dänen,
Franzosen zu versehen hat; es kennt jetzt die Macht der Konföderation und
deren Ziel; es hat eingesehen, daß ihm unter dieser Führung ein neues pol¬
nisches Reich anstatt des schon vierzehn Jahre alten deutschen aufgerichtet
werden wird. Das ist ein großer Erfolg, viel mehr wert als die 20 000 Mark,
von denen kaum für einige Tage die Diäten bestritten werden könnten. Lassen
Sie das Volk nicht wieder irre werden, verdunkeln Sie nicht wieder diese wohl¬
thuende Klarheit, meine Herren; im Gegenteil, führen Sie noch recht viele solche
Montagsbclnstigungeu auf -- wir könnten dann den Montag etwa Skandaltag
taufen, als Seitenstück zum Schweriustagc -- das wird der guten Sache den
größten Nutzen bringen.

Und sonach vorwärts mit frischem Mut in das neue Jahr hinein und mit
dem alten Schlachtrufe: "Fort mit Bismarck!"




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zettclvertcilung on>r der Hedwigskirche die neue Verbindung nennen möchte.
Man zeiht die tapfern Streiter der Undankbarkeit gegen den Mann, welcher
sich immerhin einige Verdienste erworben hat: wie voreilig! Wartet doch nur,
bis er einmal nicht mehr ist, dann wird er beklagt und besungen und bedenk-
malt werden. Man behauptet, wenn die Franzosen oder Engländer oder Ita¬
liener einen Bismarck besäßen, würden sie in einmütiger Verehrung sich um ihn
scharen, und keiner würde wagen, ihm mit erbärmlichen Nörgeleien das Leben
zu verbittern. Ja meine Herren, wir sind eben Deutsche und jener Ahnen wert,
welche einem Kotzebue und Börne und ähnlichem Gelichter gestatteten, die Stiefel
Goethes zu besudeln. Man macht auch den mehr oder minder würdigen Herren
im Zentrum einen Vorwurf daraus, daß sie nicht geredet, sondern mir gestimmt
haben. Nun, sie sind die Partei des Friedens und der christlichen Liebe, das
weiß ja jedes Kind, und außerdem sind sie zu klug, um bloße Manöverschüsse
abzugeben wie Herr Hänel oder Projektile aus der Gosse aufzulesen, wie der
„Arbeiter" und' päpstliche Leutnant a. D. Herr von Vvllmar: als es zum
Sturm ging, waren sie auf dem Platze, wohl wissend, daß die Stimmen nicht
gewogen, sondern gezählt werden.

Und um zum Schlüsse noch ein ernstes Wort. Die Bevölkerung steht,
wie es scheint, nicht ganz auf der Höhe der Situation, die Presse fällt ab, und
wenn nicht der „Bauer" Dirichlet mit Herrn Richter um die Wette seinen Dresch¬
flegel Schwange, so hätte die Koalition gar keinen Anhang in der „öffentlichen
Meinung." Schon schleichen sich Feigheit und Verrat durch die Reihen der
Tapfern und raten ihnen, bei der dritten Lesung zu kapitulireu. Das darf
um keinen Preis geschehen, ein Tag des Ruhmes, wie der kakelbunte Montag,
darf nicht wieder ausgelöscht werden! Hat etwa das souveräne Volk von Paris
seine glorreiche Kundgebung gegen den König von Spanien zurückgenommen,
weil ganz Europa dieselbe für eine ungeheure Dummheit erklärte? Im Gegen¬
teil wäre es bereit, das Stück sofort noch einmal aufzuführen. Das ist Kon¬
sequenz, das ist Wahrung der eignen Würde! Das Volk weiß jetzt, wessen es
sich von den verbündeten Zentralen. Linken, Äußerstlinken, Polen, Welsen, Dänen,
Franzosen zu versehen hat; es kennt jetzt die Macht der Konföderation und
deren Ziel; es hat eingesehen, daß ihm unter dieser Führung ein neues pol¬
nisches Reich anstatt des schon vierzehn Jahre alten deutschen aufgerichtet
werden wird. Das ist ein großer Erfolg, viel mehr wert als die 20 000 Mark,
von denen kaum für einige Tage die Diäten bestritten werden könnten. Lassen
Sie das Volk nicht wieder irre werden, verdunkeln Sie nicht wieder diese wohl¬
thuende Klarheit, meine Herren; im Gegenteil, führen Sie noch recht viele solche
Montagsbclnstigungeu auf — wir könnten dann den Montag etwa Skandaltag
taufen, als Seitenstück zum Schweriustagc — das wird der guten Sache den
größten Nutzen bringen.

Und sonach vorwärts mit frischem Mut in das neue Jahr hinein und mit
dem alten Schlachtrufe: „Fort mit Bismarck!"




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/56>, abgerufen am 21.05.2024.