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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Kranken- und Unfallversicherung in der Seeschifffahrt.

Unfallversicherung noch Änderungen herbeiführen. In den Gewerben zu Lande
wird bekanntlich eine verschiedne Behandlung der Unfallversicherung und Kranken¬
versicherung der Arbeiter anerkannt, indem man bei den Gefahren, welche die
wirtschaftliche Existenz der Arbeiter bedrohen, einen Unterschied hinsichtlich ihrer
Dauer macht. Die Gefahr nämlich, bei der Arbeit durch einen Unfall betroffen
zu werden, danert ihrer Natur nach nur so lange wie die Beschäftigung, aus
welcher der Arbeiter die Mittel zur Prämienzahlung hernimmt. Die Gefahr
dagegen, daß der Arbeiter dnrch Krankheit, Alter oder Tod arbeitsunfäh'g wird,
droht ihm und seiner Familie, so lange er lebt, gleichviel ob er beschäftigt oder
arbeitslos ist. Daraus ergiebt sich eine wesentlich verschiedne Auffassung der
Hilftbedürfti gien der durch Unfall oder Krankheit betroffenen.

In seinen Grundzügen wird der mit großer Sachkenntnis und entschiednen
Wohlwollen für seine Zwecke ausgearbeitete Entwurf die Bestätigung vieler seiner
Voraussetzungen durch die Ergebnisse der von der Reichsregieruug noch zu
fordernden Statistik erhalten, und die Hoffnung des Vorsitzenden, daß sein
Entwurf mit diesen statistischen Erhebungen gemeinsam "ein für die Zwecke der
Gesetzgebung brauchbares Material und die zahlreichen gewichtigen Momente,
die hierbei Berücksichtigung erheischen, klären helfen werde," darf gewiß als eine
höchst berechtigte erscheinen. Indem wir uns vorbehalten, auf die Materie vor
ihrer gesetzgeberischen Behandlung noch einmal zurückzukommen, wollen wir im
nachstehenden einige Gesichtspunkte skizziren, welche dem nautischen Verein für
seinen Entwurf maßgebend gewesen sind.

Was zunächst den Umfang der Versicherung betrifft, so wird empfohlen,
der Anwendung des Gesetzes die Große der registnrten Schiffe deutscher
Nationalität -- von 50 Kubikmeter aufwärts -- zu gründe zu legen.

Hinsichtlich der Zusammensetzung der Besatzungen der Schiffe entsteht die
Frage, ob das Gesetz nur den Mannschaften deutscher Nationalität zu gute
kommen soll, oder ob auch auf deutschen Schiffen dienende fremde Mannschaften
einzuschließen wären, und ob zwangsweise oder freiwillig. Es muß einerseits
berücksichtigt werden, daß sofern Ausländer bedingungslos ausgeschlossen werden,
dies namentlich in den Grenzküstengcbieten zu mancherlei Bedenken Veranlassung
bieten wird, und daß für ausländische Mannschaften alsdann der Schutz des
Z 48 der Seemannsordnung und des Artikels 523 des Handelsgesetzbuches
Giltigkeit behalten würde; daß andrerseits im Falle der unbeschränkten Zulassung
von Ausländern, sich eine große Schwierigkeit in der Handhabung des Gesetzes
bei Schiffen erwarten läßt, die in überseeischen Gewässern fast ausschließlich
mit Mannschaften fremder Nationalität, Chinesen, Mcckayen, Negern?c,, fahren.
Wahrscheinlich werden die Widersprüche damit gelöst werden, daß die auf deutschen
Schiffen ziemlich zahlreich fahrenden Ausländer auf Antrag der Rheder -- unter
vom Reichsversicheruugsamte näher festzusetzenden Bedingungen -- der Vorteile
der zum Gesetz gewordenen Versicherung teilhaftig werden können.


Kranken- und Unfallversicherung in der Seeschifffahrt.

Unfallversicherung noch Änderungen herbeiführen. In den Gewerben zu Lande
wird bekanntlich eine verschiedne Behandlung der Unfallversicherung und Kranken¬
versicherung der Arbeiter anerkannt, indem man bei den Gefahren, welche die
wirtschaftliche Existenz der Arbeiter bedrohen, einen Unterschied hinsichtlich ihrer
Dauer macht. Die Gefahr nämlich, bei der Arbeit durch einen Unfall betroffen
zu werden, danert ihrer Natur nach nur so lange wie die Beschäftigung, aus
welcher der Arbeiter die Mittel zur Prämienzahlung hernimmt. Die Gefahr
dagegen, daß der Arbeiter dnrch Krankheit, Alter oder Tod arbeitsunfäh'g wird,
droht ihm und seiner Familie, so lange er lebt, gleichviel ob er beschäftigt oder
arbeitslos ist. Daraus ergiebt sich eine wesentlich verschiedne Auffassung der
Hilftbedürfti gien der durch Unfall oder Krankheit betroffenen.

In seinen Grundzügen wird der mit großer Sachkenntnis und entschiednen
Wohlwollen für seine Zwecke ausgearbeitete Entwurf die Bestätigung vieler seiner
Voraussetzungen durch die Ergebnisse der von der Reichsregieruug noch zu
fordernden Statistik erhalten, und die Hoffnung des Vorsitzenden, daß sein
Entwurf mit diesen statistischen Erhebungen gemeinsam „ein für die Zwecke der
Gesetzgebung brauchbares Material und die zahlreichen gewichtigen Momente,
die hierbei Berücksichtigung erheischen, klären helfen werde," darf gewiß als eine
höchst berechtigte erscheinen. Indem wir uns vorbehalten, auf die Materie vor
ihrer gesetzgeberischen Behandlung noch einmal zurückzukommen, wollen wir im
nachstehenden einige Gesichtspunkte skizziren, welche dem nautischen Verein für
seinen Entwurf maßgebend gewesen sind.

Was zunächst den Umfang der Versicherung betrifft, so wird empfohlen,
der Anwendung des Gesetzes die Große der registnrten Schiffe deutscher
Nationalität — von 50 Kubikmeter aufwärts — zu gründe zu legen.

Hinsichtlich der Zusammensetzung der Besatzungen der Schiffe entsteht die
Frage, ob das Gesetz nur den Mannschaften deutscher Nationalität zu gute
kommen soll, oder ob auch auf deutschen Schiffen dienende fremde Mannschaften
einzuschließen wären, und ob zwangsweise oder freiwillig. Es muß einerseits
berücksichtigt werden, daß sofern Ausländer bedingungslos ausgeschlossen werden,
dies namentlich in den Grenzküstengcbieten zu mancherlei Bedenken Veranlassung
bieten wird, und daß für ausländische Mannschaften alsdann der Schutz des
Z 48 der Seemannsordnung und des Artikels 523 des Handelsgesetzbuches
Giltigkeit behalten würde; daß andrerseits im Falle der unbeschränkten Zulassung
von Ausländern, sich eine große Schwierigkeit in der Handhabung des Gesetzes
bei Schiffen erwarten läßt, die in überseeischen Gewässern fast ausschließlich
mit Mannschaften fremder Nationalität, Chinesen, Mcckayen, Negern?c,, fahren.
Wahrscheinlich werden die Widersprüche damit gelöst werden, daß die auf deutschen
Schiffen ziemlich zahlreich fahrenden Ausländer auf Antrag der Rheder — unter
vom Reichsversicheruugsamte näher festzusetzenden Bedingungen — der Vorteile
der zum Gesetz gewordenen Versicherung teilhaftig werden können.


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[0626] Kranken- und Unfallversicherung in der Seeschifffahrt. Unfallversicherung noch Änderungen herbeiführen. In den Gewerben zu Lande wird bekanntlich eine verschiedne Behandlung der Unfallversicherung und Kranken¬ versicherung der Arbeiter anerkannt, indem man bei den Gefahren, welche die wirtschaftliche Existenz der Arbeiter bedrohen, einen Unterschied hinsichtlich ihrer Dauer macht. Die Gefahr nämlich, bei der Arbeit durch einen Unfall betroffen zu werden, danert ihrer Natur nach nur so lange wie die Beschäftigung, aus welcher der Arbeiter die Mittel zur Prämienzahlung hernimmt. Die Gefahr dagegen, daß der Arbeiter dnrch Krankheit, Alter oder Tod arbeitsunfäh'g wird, droht ihm und seiner Familie, so lange er lebt, gleichviel ob er beschäftigt oder arbeitslos ist. Daraus ergiebt sich eine wesentlich verschiedne Auffassung der Hilftbedürfti gien der durch Unfall oder Krankheit betroffenen. In seinen Grundzügen wird der mit großer Sachkenntnis und entschiednen Wohlwollen für seine Zwecke ausgearbeitete Entwurf die Bestätigung vieler seiner Voraussetzungen durch die Ergebnisse der von der Reichsregieruug noch zu fordernden Statistik erhalten, und die Hoffnung des Vorsitzenden, daß sein Entwurf mit diesen statistischen Erhebungen gemeinsam „ein für die Zwecke der Gesetzgebung brauchbares Material und die zahlreichen gewichtigen Momente, die hierbei Berücksichtigung erheischen, klären helfen werde," darf gewiß als eine höchst berechtigte erscheinen. Indem wir uns vorbehalten, auf die Materie vor ihrer gesetzgeberischen Behandlung noch einmal zurückzukommen, wollen wir im nachstehenden einige Gesichtspunkte skizziren, welche dem nautischen Verein für seinen Entwurf maßgebend gewesen sind. Was zunächst den Umfang der Versicherung betrifft, so wird empfohlen, der Anwendung des Gesetzes die Große der registnrten Schiffe deutscher Nationalität — von 50 Kubikmeter aufwärts — zu gründe zu legen. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Besatzungen der Schiffe entsteht die Frage, ob das Gesetz nur den Mannschaften deutscher Nationalität zu gute kommen soll, oder ob auch auf deutschen Schiffen dienende fremde Mannschaften einzuschließen wären, und ob zwangsweise oder freiwillig. Es muß einerseits berücksichtigt werden, daß sofern Ausländer bedingungslos ausgeschlossen werden, dies namentlich in den Grenzküstengcbieten zu mancherlei Bedenken Veranlassung bieten wird, und daß für ausländische Mannschaften alsdann der Schutz des Z 48 der Seemannsordnung und des Artikels 523 des Handelsgesetzbuches Giltigkeit behalten würde; daß andrerseits im Falle der unbeschränkten Zulassung von Ausländern, sich eine große Schwierigkeit in der Handhabung des Gesetzes bei Schiffen erwarten läßt, die in überseeischen Gewässern fast ausschließlich mit Mannschaften fremder Nationalität, Chinesen, Mcckayen, Negern?c,, fahren. Wahrscheinlich werden die Widersprüche damit gelöst werden, daß die auf deutschen Schiffen ziemlich zahlreich fahrenden Ausländer auf Antrag der Rheder — unter vom Reichsversicheruugsamte näher festzusetzenden Bedingungen — der Vorteile der zum Gesetz gewordenen Versicherung teilhaftig werden können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/626>, abgerufen am 21.05.2024.