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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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hören von Rang warten zu lassen wie gemeine Marktleute. Er erhitzte sich
dabei so sehr, daß er sich endlich selbst komisch vorkam, des Abstandes gedenkend,
der jenen widerhaarigen Söldner, zu dessen Ohr vermutlich nie die Kunde von
dem Fürstengeschlechte der Buonaeolsi gelaugt sein mochte, von ihm, dem letzten
Hüter ihrer Pergamente, Wappen und Trophäen, trennte.

Während das Unterhandeln diesen unbefriedigender Verlauf nahm, hatte
Florida, bestürzt über die unerwarteten Eröffnungen ihres Vaters, Enfemin
herangewinkt. Was soll ich thun, Eufemia? rief sie und ihre Thränen brachen
von neuem hervor; rate mir, hilf mir! Eher den Tod als einen Gatten wie den!

Eufemia hatte die Reden des Alten nur halb verstanden.

Florida wiederholte ihr die Schreckenskunde Wort für Wort.

Nun wollte mich die Amme in Thränen zerfließen.

Was soll ich thun! l'amor al vio; was soll ich thun, Eufemia?
jammerte Florida.

Oniinö! schluchzte die Amme, der ungezogene Schlingel Abbondio!

Soll ich dem Vater alles sagen? Er wird mich töten! Ein Gonzaga!
Ein Gonzaga!

OK! Otu! volo! Und wie wird es erst mir ergehen!

Wenn wir ihm Nachricht geben könnten --

OK! Obi! Wem, gnädiges Fräulein?

Wein anders als ihm, als meinem Giuseppe!

Und was könnte der thun?

Uns unterwegs überfallen.

Oio in" us g'us,räi!

Mich rauben, mich und dich.

vin nie ut libkri!

Oder weißt du eine andre Rettung vor diesem schrecklichen Abbondio?

Vielleicht hat er sich im Kloster gebessert.

Und hätte er Flügel an beiden Schulter", ich mag ihn nicht. Nie werde
ich einem andern als Giuseppe Gonzaga gehören; der Name Bnvnaevlsi macht
mich schon krank!

Gnädiges Fräulein, sagte Enfemia und trocknete ihre Thränen, das wunder¬
thätige Bild der heiligen Barbara in dem Kirchlein San Sebastian" steht nicht
umsonst in dem Rufe, aus Liebesnöteu herauszuhelfen. Wir wollen ihm in
Mantua schon fleißig zusprechen. Wer weiß denn, ob Abbondio nicht seinem
Bruder nachartet. Heute rot, morgen tot, hieß es bei dem. Der Himmel wird
vielleicht noch ein Einsehen haben.

Nein, rief Florida, ich wünsche, daß er hundert Jahre alt werde, ich wünsche
ihm ein treffliches Weib und eine Unzahl von Söhnen; er soll der Stolz
meines Vaters sein, ja, mein Vater soll im sterbe", wenn es sein muß, mich
vergessen und ihn segnen. Ach, ich will Tag und Nacht die heilige Barbara


hören von Rang warten zu lassen wie gemeine Marktleute. Er erhitzte sich
dabei so sehr, daß er sich endlich selbst komisch vorkam, des Abstandes gedenkend,
der jenen widerhaarigen Söldner, zu dessen Ohr vermutlich nie die Kunde von
dem Fürstengeschlechte der Buonaeolsi gelaugt sein mochte, von ihm, dem letzten
Hüter ihrer Pergamente, Wappen und Trophäen, trennte.

Während das Unterhandeln diesen unbefriedigender Verlauf nahm, hatte
Florida, bestürzt über die unerwarteten Eröffnungen ihres Vaters, Enfemin
herangewinkt. Was soll ich thun, Eufemia? rief sie und ihre Thränen brachen
von neuem hervor; rate mir, hilf mir! Eher den Tod als einen Gatten wie den!

Eufemia hatte die Reden des Alten nur halb verstanden.

Florida wiederholte ihr die Schreckenskunde Wort für Wort.

Nun wollte mich die Amme in Thränen zerfließen.

Was soll ich thun! l'amor al vio; was soll ich thun, Eufemia?
jammerte Florida.

Oniinö! schluchzte die Amme, der ungezogene Schlingel Abbondio!

Soll ich dem Vater alles sagen? Er wird mich töten! Ein Gonzaga!
Ein Gonzaga!

OK! Otu! volo! Und wie wird es erst mir ergehen!

Wenn wir ihm Nachricht geben könnten —

OK! Obi! Wem, gnädiges Fräulein?

Wein anders als ihm, als meinem Giuseppe!

Und was könnte der thun?

Uns unterwegs überfallen.

Oio in« us g'us,räi!

Mich rauben, mich und dich.

vin nie ut libkri!

Oder weißt du eine andre Rettung vor diesem schrecklichen Abbondio?

Vielleicht hat er sich im Kloster gebessert.

Und hätte er Flügel an beiden Schulter», ich mag ihn nicht. Nie werde
ich einem andern als Giuseppe Gonzaga gehören; der Name Bnvnaevlsi macht
mich schon krank!

Gnädiges Fräulein, sagte Enfemia und trocknete ihre Thränen, das wunder¬
thätige Bild der heiligen Barbara in dem Kirchlein San Sebastian» steht nicht
umsonst in dem Rufe, aus Liebesnöteu herauszuhelfen. Wir wollen ihm in
Mantua schon fleißig zusprechen. Wer weiß denn, ob Abbondio nicht seinem
Bruder nachartet. Heute rot, morgen tot, hieß es bei dem. Der Himmel wird
vielleicht noch ein Einsehen haben.

Nein, rief Florida, ich wünsche, daß er hundert Jahre alt werde, ich wünsche
ihm ein treffliches Weib und eine Unzahl von Söhnen; er soll der Stolz
meines Vaters sein, ja, mein Vater soll im sterbe», wenn es sein muß, mich
vergessen und ihn segnen. Ach, ich will Tag und Nacht die heilige Barbara


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[0649] hören von Rang warten zu lassen wie gemeine Marktleute. Er erhitzte sich dabei so sehr, daß er sich endlich selbst komisch vorkam, des Abstandes gedenkend, der jenen widerhaarigen Söldner, zu dessen Ohr vermutlich nie die Kunde von dem Fürstengeschlechte der Buonaeolsi gelaugt sein mochte, von ihm, dem letzten Hüter ihrer Pergamente, Wappen und Trophäen, trennte. Während das Unterhandeln diesen unbefriedigender Verlauf nahm, hatte Florida, bestürzt über die unerwarteten Eröffnungen ihres Vaters, Enfemin herangewinkt. Was soll ich thun, Eufemia? rief sie und ihre Thränen brachen von neuem hervor; rate mir, hilf mir! Eher den Tod als einen Gatten wie den! Eufemia hatte die Reden des Alten nur halb verstanden. Florida wiederholte ihr die Schreckenskunde Wort für Wort. Nun wollte mich die Amme in Thränen zerfließen. Was soll ich thun! l'amor al vio; was soll ich thun, Eufemia? jammerte Florida. Oniinö! schluchzte die Amme, der ungezogene Schlingel Abbondio! Soll ich dem Vater alles sagen? Er wird mich töten! Ein Gonzaga! Ein Gonzaga! OK! Otu! volo! Und wie wird es erst mir ergehen! Wenn wir ihm Nachricht geben könnten — OK! Obi! Wem, gnädiges Fräulein? Wein anders als ihm, als meinem Giuseppe! Und was könnte der thun? Uns unterwegs überfallen. Oio in« us g'us,räi! Mich rauben, mich und dich. vin nie ut libkri! Oder weißt du eine andre Rettung vor diesem schrecklichen Abbondio? Vielleicht hat er sich im Kloster gebessert. Und hätte er Flügel an beiden Schulter», ich mag ihn nicht. Nie werde ich einem andern als Giuseppe Gonzaga gehören; der Name Bnvnaevlsi macht mich schon krank! Gnädiges Fräulein, sagte Enfemia und trocknete ihre Thränen, das wunder¬ thätige Bild der heiligen Barbara in dem Kirchlein San Sebastian» steht nicht umsonst in dem Rufe, aus Liebesnöteu herauszuhelfen. Wir wollen ihm in Mantua schon fleißig zusprechen. Wer weiß denn, ob Abbondio nicht seinem Bruder nachartet. Heute rot, morgen tot, hieß es bei dem. Der Himmel wird vielleicht noch ein Einsehen haben. Nein, rief Florida, ich wünsche, daß er hundert Jahre alt werde, ich wünsche ihm ein treffliches Weib und eine Unzahl von Söhnen; er soll der Stolz meines Vaters sein, ja, mein Vater soll im sterbe», wenn es sein muß, mich vergessen und ihn segnen. Ach, ich will Tag und Nacht die heilige Barbara

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/649>, abgerufen am 21.05.2024.