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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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hat keine Mühe gescheut, über die Lebensumstände, den Bildungsgang und die
Arbeiten des Bildhauers Johann Christian Wilhelm Beyer ans Gotha (von 1759
bis Z767 "Statunire" in Diensten des Herzogs von Württemberg und Modelleur
für die Ludwigsburger Porzellanfabrik, seit 1770 "Hofstatuarins" in Wien, ge¬
storben daselbst 1797) Nachrichten zusammenzutragen, und dem Leser die Ueber¬
zeugung beizubringen, daß Beher ein mittelmüßiger Künstler gewesen sei, ohne
Originalität, ein Klassizist, dessen angebliches "Studium der Antike eigentlich eine
mehr oder minder genaue Bekanntschaft mit gewissen Partien der Lippertschen
Daktyliothek und eine noch eingehendere mit dein ersten Bande von Montfaucon"
gewesen sei. Ein Verdienst hat der Mann allerdings, nämlich das, auf die Ver¬
wendbarkeit des tiroler Marmors wieder aufmerksam gemacht zu haben; aber um
dies ins Licht zu stellen, wären nicht sechs Druckbogen nötig gewesen, und noch
weniger erscheinen die häufigen Ausfälle auf die Kuustwissenschnft, welche bisher
dem Meister und seinen Hauptwerken, den Statuen im Garten von Schönbrunn,
nicht die verdiente Aufmerksamkeit gewidmet haben soll, am Platze. Ein gewisses
Ergötzen kaun die Lektüre von Sätzen wie der nachfolgende bereiten. "Da er,
wie schon gesagt, sein Reisepauschale nicht erhalten hatte, borgte er eiuen Betrag
von 30 Gulden -- wie man sieht, nnr um 5 Gulden mehr als letzteres betrug --
von einem gewissen Abbe Miloni, welcher weiter nicht bekannte Ehrenmann auf
dessen "in Rom zurückgelassene Pretivsa die Hand deckte," als der Künstler decretaliter
angewiesen, "der gnädigsten Intention gemäß unterwegs allerorten zu verweilen,
wo etwas vor ihm zu sehen," von dem Gelde, das, wie bereits erwähnt, demselben
nachträglich in Florenz zugekommen war, nicht genug erübrigen konnte, um der
ihm gegenüber eingegangnen Verbindlichkeit nachkommen zu können, und als Beyer,
bereits nach Stuttgart zurückgekehrt und außer jener früher angeführten Stellen-
und Gehaltszusichernng trotz ,,zu wiederholten malen übergebenen unterthänigen
Snpliquen" irgendetwas zu erreichen nicht imstande war, nach einem mehrmonat¬
lichen Aufenthalte daselbst in so bedrängten Umständen sich befand, daß er mangels
um (!) Mitteln zur Hinreise nicht einmal eine Erbschaft, welche ihm inzwischen in
Gotha zugefallen war, flüssig machen konnte, nicht zufrieden damit, demselben die
genannten Kostbarkeiten "bis Hieher ungebührlicher Weise vorzuenthalten" -- etwa
im Juni 1760 -- beim Oberhvfmarschallnmt die Klage gegen ihn einreichte."
Ein Satz! Der Verfasser scheint sich wenigstens eines gesunden Atems zu er¬
freuen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Gruuvw in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.

hat keine Mühe gescheut, über die Lebensumstände, den Bildungsgang und die
Arbeiten des Bildhauers Johann Christian Wilhelm Beyer ans Gotha (von 1759
bis Z767 „Statunire" in Diensten des Herzogs von Württemberg und Modelleur
für die Ludwigsburger Porzellanfabrik, seit 1770 „Hofstatuarins" in Wien, ge¬
storben daselbst 1797) Nachrichten zusammenzutragen, und dem Leser die Ueber¬
zeugung beizubringen, daß Beher ein mittelmüßiger Künstler gewesen sei, ohne
Originalität, ein Klassizist, dessen angebliches „Studium der Antike eigentlich eine
mehr oder minder genaue Bekanntschaft mit gewissen Partien der Lippertschen
Daktyliothek und eine noch eingehendere mit dein ersten Bande von Montfaucon"
gewesen sei. Ein Verdienst hat der Mann allerdings, nämlich das, auf die Ver¬
wendbarkeit des tiroler Marmors wieder aufmerksam gemacht zu haben; aber um
dies ins Licht zu stellen, wären nicht sechs Druckbogen nötig gewesen, und noch
weniger erscheinen die häufigen Ausfälle auf die Kuustwissenschnft, welche bisher
dem Meister und seinen Hauptwerken, den Statuen im Garten von Schönbrunn,
nicht die verdiente Aufmerksamkeit gewidmet haben soll, am Platze. Ein gewisses
Ergötzen kaun die Lektüre von Sätzen wie der nachfolgende bereiten. „Da er,
wie schon gesagt, sein Reisepauschale nicht erhalten hatte, borgte er eiuen Betrag
von 30 Gulden — wie man sieht, nnr um 5 Gulden mehr als letzteres betrug —
von einem gewissen Abbe Miloni, welcher weiter nicht bekannte Ehrenmann auf
dessen „in Rom zurückgelassene Pretivsa die Hand deckte," als der Künstler decretaliter
angewiesen, „der gnädigsten Intention gemäß unterwegs allerorten zu verweilen,
wo etwas vor ihm zu sehen," von dem Gelde, das, wie bereits erwähnt, demselben
nachträglich in Florenz zugekommen war, nicht genug erübrigen konnte, um der
ihm gegenüber eingegangnen Verbindlichkeit nachkommen zu können, und als Beyer,
bereits nach Stuttgart zurückgekehrt und außer jener früher angeführten Stellen-
und Gehaltszusichernng trotz ,,zu wiederholten malen übergebenen unterthänigen
Snpliquen" irgendetwas zu erreichen nicht imstande war, nach einem mehrmonat¬
lichen Aufenthalte daselbst in so bedrängten Umständen sich befand, daß er mangels
um (!) Mitteln zur Hinreise nicht einmal eine Erbschaft, welche ihm inzwischen in
Gotha zugefallen war, flüssig machen konnte, nicht zufrieden damit, demselben die
genannten Kostbarkeiten „bis Hieher ungebührlicher Weise vorzuenthalten" — etwa
im Juni 1760 — beim Oberhvfmarschallnmt die Klage gegen ihn einreichte."
Ein Satz! Der Verfasser scheint sich wenigstens eines gesunden Atems zu er¬
freuen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Gruuvw in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/660>, abgerufen am 21.05.2024.