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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Gftpronßische Skizze".

den äußersten Süden der Provinz, dabei in einer zwar landschaftlich reizlosen,
aber sehr fruchtbaren und wohlangebauten Gegend. So hat sich denn Königsberg
auch sehr schnell zum Regieruugssitze und Hauptsitze aller öffentlichen Anstalten
ausgebildet. Gegenwärtig wohnen 7 bis 8 Prozent der Bevölkerung Ost¬
preußens, über 150 000 Menschen, in Königsberg; es ist die Haupthandcls-,
die Hauptindustrie-, die Beamten-, die Militär-, die Universitätsstadt; es ist
auch, soweit dieser Punkt fiir Ostpreußen überhaupt in Betracht kommt, die
Hauptfrcmdeustadt. Eine Reise nach Ostpreußen, ohne Königsberg zu berühren,
ist kaum möglich, und allem, was sich über Ostpreußen sagen läßt, muß sich
notwendig ein starkes Stück von Rücksicht auf Königsberger Verhältnisse
beimischen. Zu Königsberg einerseits, ans den großen Gutshöfen andrerseits
schlägt das Herz der Provinz.

Königsberg ist keine schöne Stadt. Umgebung hat sie garnicht, alte
interessante Bauwerke nur wenige und im allgemeinen nicht eben anziehende,
stattliche moderne Straßen in großstädtischen Sinne so gut wie keine, augenehme
Spaziergänge nur in sehr geringem Maße. Sehr zu leiden hat die Stadt
unter einem ansehnlichen, ziemlich steilen Hügelrücken, der sie ihrer ganzen Länge
nach durchsetzt und in eine Unter- und Oberstadt teilt (von der alten Einteilung
in die drei, früher selbständig gewesenen Städte Altstadt, Kneiphof und Löbenicht
ist dagegen äußerlich nur sehr wenig mehr zu erkennen, wenn auch Straßcn-
nnd andre Namen zahlreich an dieselbe erinnern). Zum Teil enge und durch-
gehends abscheulich steile Straßen verbinden Ober- und Unterstadt miteinander.
Das Beste, was das Innere der Stadt bietet, ist der Paradeplatz, auch Königs¬
garten genannt, mit dem düstern, unschönen Theater- und dem würdig sich
Prüsentirenden neuen Univcrsitätsgcbciude, sowie den Denkmälern Friedrich
Wilhelms des Dritten und Kants, dann der nahe, reizend mit Gärten um¬
säumte Schloßteich nebst der hölzernen Schloßbrücke, einige hübsche Straßen-
Prospekte mit stattlichen Giebelhäusern, die neue "Glas-Passage" zwischen
Königstraße und Noßgarten, und der Blick ans die beiden, die Unterstadt
durchströmendem und siebenfach überbrückten, von kleinen Fluß- und hie und da
auch größern Seeschiffen ungemein belebten Pregelarme. Das Schloß der
spätern Hochmeister und der Preußenherzoge mit seinen mächtigen stumpfen
Türmen drängt sich zwar dem Blicke von jeder Seite sehr energisch auf, ist
aber weder schön noch baulich merkwürdig. Artushof, Dom, Rathaus, auch das
neue Regierungsgebäude und das Landeshans (Prvvinzialständchaus) bieten ohne
Zweifel manches in touristischen Sinne Sehenswerte, aber mau verliert schwerlich
viel, wenn man sie sich alle schenkt. Die Straßen der Stadt sind mit wenig
Ausnahmen eng und infolgedessen bei der ungemeinen Stärke des städtischen
Verkehrs nicht eben angenehm zu Passiren. Diese Verkehrslebhaftigkeit hat
maunichfciche Gründe. Zunächst wird wohl in keiner deutscheu, ja mittel¬
europäischen Stadt soviel gefahren wie in Königsberg; zum Teil hängt dies


Gftpronßische Skizze».

den äußersten Süden der Provinz, dabei in einer zwar landschaftlich reizlosen,
aber sehr fruchtbaren und wohlangebauten Gegend. So hat sich denn Königsberg
auch sehr schnell zum Regieruugssitze und Hauptsitze aller öffentlichen Anstalten
ausgebildet. Gegenwärtig wohnen 7 bis 8 Prozent der Bevölkerung Ost¬
preußens, über 150 000 Menschen, in Königsberg; es ist die Haupthandcls-,
die Hauptindustrie-, die Beamten-, die Militär-, die Universitätsstadt; es ist
auch, soweit dieser Punkt fiir Ostpreußen überhaupt in Betracht kommt, die
Hauptfrcmdeustadt. Eine Reise nach Ostpreußen, ohne Königsberg zu berühren,
ist kaum möglich, und allem, was sich über Ostpreußen sagen läßt, muß sich
notwendig ein starkes Stück von Rücksicht auf Königsberger Verhältnisse
beimischen. Zu Königsberg einerseits, ans den großen Gutshöfen andrerseits
schlägt das Herz der Provinz.

Königsberg ist keine schöne Stadt. Umgebung hat sie garnicht, alte
interessante Bauwerke nur wenige und im allgemeinen nicht eben anziehende,
stattliche moderne Straßen in großstädtischen Sinne so gut wie keine, augenehme
Spaziergänge nur in sehr geringem Maße. Sehr zu leiden hat die Stadt
unter einem ansehnlichen, ziemlich steilen Hügelrücken, der sie ihrer ganzen Länge
nach durchsetzt und in eine Unter- und Oberstadt teilt (von der alten Einteilung
in die drei, früher selbständig gewesenen Städte Altstadt, Kneiphof und Löbenicht
ist dagegen äußerlich nur sehr wenig mehr zu erkennen, wenn auch Straßcn-
nnd andre Namen zahlreich an dieselbe erinnern). Zum Teil enge und durch-
gehends abscheulich steile Straßen verbinden Ober- und Unterstadt miteinander.
Das Beste, was das Innere der Stadt bietet, ist der Paradeplatz, auch Königs¬
garten genannt, mit dem düstern, unschönen Theater- und dem würdig sich
Prüsentirenden neuen Univcrsitätsgcbciude, sowie den Denkmälern Friedrich
Wilhelms des Dritten und Kants, dann der nahe, reizend mit Gärten um¬
säumte Schloßteich nebst der hölzernen Schloßbrücke, einige hübsche Straßen-
Prospekte mit stattlichen Giebelhäusern, die neue „Glas-Passage" zwischen
Königstraße und Noßgarten, und der Blick ans die beiden, die Unterstadt
durchströmendem und siebenfach überbrückten, von kleinen Fluß- und hie und da
auch größern Seeschiffen ungemein belebten Pregelarme. Das Schloß der
spätern Hochmeister und der Preußenherzoge mit seinen mächtigen stumpfen
Türmen drängt sich zwar dem Blicke von jeder Seite sehr energisch auf, ist
aber weder schön noch baulich merkwürdig. Artushof, Dom, Rathaus, auch das
neue Regierungsgebäude und das Landeshans (Prvvinzialständchaus) bieten ohne
Zweifel manches in touristischen Sinne Sehenswerte, aber mau verliert schwerlich
viel, wenn man sie sich alle schenkt. Die Straßen der Stadt sind mit wenig
Ausnahmen eng und infolgedessen bei der ungemeinen Stärke des städtischen
Verkehrs nicht eben angenehm zu Passiren. Diese Verkehrslebhaftigkeit hat
maunichfciche Gründe. Zunächst wird wohl in keiner deutscheu, ja mittel¬
europäischen Stadt soviel gefahren wie in Königsberg; zum Teil hängt dies


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[0234] Gftpronßische Skizze». den äußersten Süden der Provinz, dabei in einer zwar landschaftlich reizlosen, aber sehr fruchtbaren und wohlangebauten Gegend. So hat sich denn Königsberg auch sehr schnell zum Regieruugssitze und Hauptsitze aller öffentlichen Anstalten ausgebildet. Gegenwärtig wohnen 7 bis 8 Prozent der Bevölkerung Ost¬ preußens, über 150 000 Menschen, in Königsberg; es ist die Haupthandcls-, die Hauptindustrie-, die Beamten-, die Militär-, die Universitätsstadt; es ist auch, soweit dieser Punkt fiir Ostpreußen überhaupt in Betracht kommt, die Hauptfrcmdeustadt. Eine Reise nach Ostpreußen, ohne Königsberg zu berühren, ist kaum möglich, und allem, was sich über Ostpreußen sagen läßt, muß sich notwendig ein starkes Stück von Rücksicht auf Königsberger Verhältnisse beimischen. Zu Königsberg einerseits, ans den großen Gutshöfen andrerseits schlägt das Herz der Provinz. Königsberg ist keine schöne Stadt. Umgebung hat sie garnicht, alte interessante Bauwerke nur wenige und im allgemeinen nicht eben anziehende, stattliche moderne Straßen in großstädtischen Sinne so gut wie keine, augenehme Spaziergänge nur in sehr geringem Maße. Sehr zu leiden hat die Stadt unter einem ansehnlichen, ziemlich steilen Hügelrücken, der sie ihrer ganzen Länge nach durchsetzt und in eine Unter- und Oberstadt teilt (von der alten Einteilung in die drei, früher selbständig gewesenen Städte Altstadt, Kneiphof und Löbenicht ist dagegen äußerlich nur sehr wenig mehr zu erkennen, wenn auch Straßcn- nnd andre Namen zahlreich an dieselbe erinnern). Zum Teil enge und durch- gehends abscheulich steile Straßen verbinden Ober- und Unterstadt miteinander. Das Beste, was das Innere der Stadt bietet, ist der Paradeplatz, auch Königs¬ garten genannt, mit dem düstern, unschönen Theater- und dem würdig sich Prüsentirenden neuen Univcrsitätsgcbciude, sowie den Denkmälern Friedrich Wilhelms des Dritten und Kants, dann der nahe, reizend mit Gärten um¬ säumte Schloßteich nebst der hölzernen Schloßbrücke, einige hübsche Straßen- Prospekte mit stattlichen Giebelhäusern, die neue „Glas-Passage" zwischen Königstraße und Noßgarten, und der Blick ans die beiden, die Unterstadt durchströmendem und siebenfach überbrückten, von kleinen Fluß- und hie und da auch größern Seeschiffen ungemein belebten Pregelarme. Das Schloß der spätern Hochmeister und der Preußenherzoge mit seinen mächtigen stumpfen Türmen drängt sich zwar dem Blicke von jeder Seite sehr energisch auf, ist aber weder schön noch baulich merkwürdig. Artushof, Dom, Rathaus, auch das neue Regierungsgebäude und das Landeshans (Prvvinzialständchaus) bieten ohne Zweifel manches in touristischen Sinne Sehenswerte, aber mau verliert schwerlich viel, wenn man sie sich alle schenkt. Die Straßen der Stadt sind mit wenig Ausnahmen eng und infolgedessen bei der ungemeinen Stärke des städtischen Verkehrs nicht eben angenehm zu Passiren. Diese Verkehrslebhaftigkeit hat maunichfciche Gründe. Zunächst wird wohl in keiner deutscheu, ja mittel¬ europäischen Stadt soviel gefahren wie in Königsberg; zum Teil hängt dies

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/234>, abgerufen am 21.05.2024.