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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die Entwürfe für tels Roichsgerichtsgebäude in Leipzig.

mählich eine Kraft und Kunst zeichnerischer und malerischer Darstellung ent¬
wickelt, welche dem genialsten Fluge der schöpferischen Phantasie gerecht werden
und eine stattliche Zahl von Kouknrrenzcntwürfen zu selbständigen Kunstwerken
stempeln, mögen dieselben mit Rücksicht auf den Kern der Bewerbung auch der
Kritik nicht genügen. Unzulänglich oder gar lüderlich gezeichnete Entwürfe
werden immer seltener. Bei der Konkurrenz, die uns hier beschäftigt, sind nur
etwa zehn, also der zwölfte Teil, nach dieser Richtung ungenügend. Dieser
geringen Zahl tritt eine Menge von Entwürfen gegenüber, welche sich in ihrer
Darstellung mit den besten Bauzeichnungen der Franzosen messen können.
Obenan stehen die mit unübertrefflicher Sorgfalt und mit feinstem künstlerischem
Gefühl ausgeführten Blätter von Friedrich Thiersch in München, der sich zwar
in der äußeren, um ein Theater erinnernden Gestaltung seines Projekts ver¬
griffen, dafür aber in der Ausbildung und Ausschmückung der inneren Räume
eine reiche Fülle von formaler und dekorativer Begabung entfaltet hat. Von
großem malerischem Reiz sind auch die Entwürfe von Eisenlohr und Weigle in
Stuttgart (zweiter Preis) und Giese und Weidner in Dresden (dritter Preis),
und zwar nicht bloß wegen der Zeichnung, sondern auch wegen der glücklichen
Gestaltung des Äußern, welches in beiden Projekten bei weitem dein ersten
Preise überlegen ist. Von den übrigen, durch meisterhafte Darstellung aus¬
gezeichneten Entwürfen nennen wir noch diejenigen von Gicsenbcrg in Berlin,
Schwechten in Berlin, Ente und Boeckmann in Berlin, Schmieden, von Weltzin
und Speer in Berlin, A Busse in Berlin, Lender in Straßburg (zweiter Preis)
und Bruno Schwitz in Leipzig, womit wir zugleich diejenigen Projekte genannt
haben, welche das höchste Aufgebot von Genialität und schöpferischer Phantasie
innerhalb der Grenzen der praktischen Ausführbarkeit repräsentiren. Man kann
diesem und jenem den EinWurf macheu, daß sie in der Erfindung von Kuppeln
und ähnlichen Ausbauten und in der Verwendung plastischen Schmuckes des
Guten zu viel gethan lind die Bestimmung des Gebäudes außer Augen gelassen
haben, indem sie dem Fluge ihrer Phantasie allzu nachgiebig folgten; aber der
Gesamteindruck ist so imponirend und hoffnungsvoll, daß man den Unterlegenen
mit Rücksicht auf die Entscheidung der hohen Jury wohl das tröstende Wort
zurufen darf: Viotrix vausa, Aus Moule, Spa viotg, La-t-oui.




Die Entwürfe für tels Roichsgerichtsgebäude in Leipzig.

mählich eine Kraft und Kunst zeichnerischer und malerischer Darstellung ent¬
wickelt, welche dem genialsten Fluge der schöpferischen Phantasie gerecht werden
und eine stattliche Zahl von Kouknrrenzcntwürfen zu selbständigen Kunstwerken
stempeln, mögen dieselben mit Rücksicht auf den Kern der Bewerbung auch der
Kritik nicht genügen. Unzulänglich oder gar lüderlich gezeichnete Entwürfe
werden immer seltener. Bei der Konkurrenz, die uns hier beschäftigt, sind nur
etwa zehn, also der zwölfte Teil, nach dieser Richtung ungenügend. Dieser
geringen Zahl tritt eine Menge von Entwürfen gegenüber, welche sich in ihrer
Darstellung mit den besten Bauzeichnungen der Franzosen messen können.
Obenan stehen die mit unübertrefflicher Sorgfalt und mit feinstem künstlerischem
Gefühl ausgeführten Blätter von Friedrich Thiersch in München, der sich zwar
in der äußeren, um ein Theater erinnernden Gestaltung seines Projekts ver¬
griffen, dafür aber in der Ausbildung und Ausschmückung der inneren Räume
eine reiche Fülle von formaler und dekorativer Begabung entfaltet hat. Von
großem malerischem Reiz sind auch die Entwürfe von Eisenlohr und Weigle in
Stuttgart (zweiter Preis) und Giese und Weidner in Dresden (dritter Preis),
und zwar nicht bloß wegen der Zeichnung, sondern auch wegen der glücklichen
Gestaltung des Äußern, welches in beiden Projekten bei weitem dein ersten
Preise überlegen ist. Von den übrigen, durch meisterhafte Darstellung aus¬
gezeichneten Entwürfen nennen wir noch diejenigen von Gicsenbcrg in Berlin,
Schwechten in Berlin, Ente und Boeckmann in Berlin, Schmieden, von Weltzin
und Speer in Berlin, A Busse in Berlin, Lender in Straßburg (zweiter Preis)
und Bruno Schwitz in Leipzig, womit wir zugleich diejenigen Projekte genannt
haben, welche das höchste Aufgebot von Genialität und schöpferischer Phantasie
innerhalb der Grenzen der praktischen Ausführbarkeit repräsentiren. Man kann
diesem und jenem den EinWurf macheu, daß sie in der Erfindung von Kuppeln
und ähnlichen Ausbauten und in der Verwendung plastischen Schmuckes des
Guten zu viel gethan lind die Bestimmung des Gebäudes außer Augen gelassen
haben, indem sie dem Fluge ihrer Phantasie allzu nachgiebig folgten; aber der
Gesamteindruck ist so imponirend und hoffnungsvoll, daß man den Unterlegenen
mit Rücksicht auf die Entscheidung der hohen Jury wohl das tröstende Wort
zurufen darf: Viotrix vausa, Aus Moule, Spa viotg, La-t-oui.




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[0051] Die Entwürfe für tels Roichsgerichtsgebäude in Leipzig. mählich eine Kraft und Kunst zeichnerischer und malerischer Darstellung ent¬ wickelt, welche dem genialsten Fluge der schöpferischen Phantasie gerecht werden und eine stattliche Zahl von Kouknrrenzcntwürfen zu selbständigen Kunstwerken stempeln, mögen dieselben mit Rücksicht auf den Kern der Bewerbung auch der Kritik nicht genügen. Unzulänglich oder gar lüderlich gezeichnete Entwürfe werden immer seltener. Bei der Konkurrenz, die uns hier beschäftigt, sind nur etwa zehn, also der zwölfte Teil, nach dieser Richtung ungenügend. Dieser geringen Zahl tritt eine Menge von Entwürfen gegenüber, welche sich in ihrer Darstellung mit den besten Bauzeichnungen der Franzosen messen können. Obenan stehen die mit unübertrefflicher Sorgfalt und mit feinstem künstlerischem Gefühl ausgeführten Blätter von Friedrich Thiersch in München, der sich zwar in der äußeren, um ein Theater erinnernden Gestaltung seines Projekts ver¬ griffen, dafür aber in der Ausbildung und Ausschmückung der inneren Räume eine reiche Fülle von formaler und dekorativer Begabung entfaltet hat. Von großem malerischem Reiz sind auch die Entwürfe von Eisenlohr und Weigle in Stuttgart (zweiter Preis) und Giese und Weidner in Dresden (dritter Preis), und zwar nicht bloß wegen der Zeichnung, sondern auch wegen der glücklichen Gestaltung des Äußern, welches in beiden Projekten bei weitem dein ersten Preise überlegen ist. Von den übrigen, durch meisterhafte Darstellung aus¬ gezeichneten Entwürfen nennen wir noch diejenigen von Gicsenbcrg in Berlin, Schwechten in Berlin, Ente und Boeckmann in Berlin, Schmieden, von Weltzin und Speer in Berlin, A Busse in Berlin, Lender in Straßburg (zweiter Preis) und Bruno Schwitz in Leipzig, womit wir zugleich diejenigen Projekte genannt haben, welche das höchste Aufgebot von Genialität und schöpferischer Phantasie innerhalb der Grenzen der praktischen Ausführbarkeit repräsentiren. Man kann diesem und jenem den EinWurf macheu, daß sie in der Erfindung von Kuppeln und ähnlichen Ausbauten und in der Verwendung plastischen Schmuckes des Guten zu viel gethan lind die Bestimmung des Gebäudes außer Augen gelassen haben, indem sie dem Fluge ihrer Phantasie allzu nachgiebig folgten; aber der Gesamteindruck ist so imponirend und hoffnungsvoll, daß man den Unterlegenen mit Rücksicht auf die Entscheidung der hohen Jury wohl das tröstende Wort zurufen darf: Viotrix vausa, Aus Moule, Spa viotg, La-t-oui.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/51>, abgerufen am 21.05.2024.