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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Das Programm des Torykabinets.

giebt ihnen Gladstone seinen Segen dazu. Es ist ungefährlich und sieht edel¬
mütig aus. "Es ist ja so ziemlich unser Programm, kann er sich sagen, und
wir werden sehen, ob die neue" Herren es besser machen werden als wir, ob
sie für den Zweck, scharfsichtiger als wir, auch die rechten Mittel finden oder
ebenfalls in der Ausführung stecken bleiben werden." Um den Ministern eine
Beschleunigung der Beratung des Budgets zu ermöglichen, widersprach er nicht,
als zu diesem Ende Verwendung aller Sessioustage (mit Ausnahme der Freitage)
beantragt wurde. Das Gewicht seines Einflusses zeigte sich bei den Abstimmungen
dieses Abends sofort: Lawsons Mißtraueusantrag wurde mit 151 gegen 2 Stimmen
abgelehnt, und der Antrag des Schatzkanzlers, zur Ausstattung der Prinzessin
Beatrice die Summe von 30 000 Pfund Sterling zu bewilligen, fand Annahme
mit 153 gegen 22 Stimmen. Die Sitzung ließ übrigens deutlich erkennen, wer
auf der einen und wer auf der andern Seite Führer der Partei im Hanse der
Gemeinen ist. Im Lager der Liberalen führte selbstverständlich Gladstone, tlliz
g'rg.nÄ via llmv, das Wort, für die Konservativen aber sprach nicht Hicks Beach,
dem es eigentlich zugekommen wäre, sondern Churchill, der neue Staatssekretär
für Indien, von dem wir wahrscheinlich in der nächsten Zeit noch viel hören
und zu berichten haben werden.

Die Rede Salisburys muß durch Ton und Stil überall einen guten Eindruck
gemacht haben, besonders wenn mau sie mit den frühern mündlichen und schrift¬
lichen Äußerungen des "großen Greises" vergleicht, der ihm in der Leitung
der englischen Staatsgeschäfte voranging. Dort eine Fülle rhetorischer Phrasen,
durch die man erst hindurch muß, bevor man sich einigermaßen klar wird, was
der Redner eigentlich will und nicht will, Widersprüche und Verhüllungen.
Hier bei Salisbury einfache Klarheit, Logik, die sich ihrer Ziele und dessen,
was möglich, was schwierig, was unausführbar scheint, wohlbewußt ist. Es ist
wahr, über die Wege, welche über die Schwierigkeiten hinweg oder um sie herum¬
führen sollen, erfahren wir wenig, der Premier entwickelt kein sehr ins einzelne
gehendes Programm, ja er sagt der Welt kaum neues von besondrer Bedeutung,
aber seine Ausführungen lassen doch die Grundsätze erkennen, von welchen das
Ministerium sich leiten lassen würde, wenn es nach den Wahlen frei werden
sollte. Mehr noch als die einzelnen bestimmten Angaben hinsichtlich Afghani¬
stans und Ägyptens befriedigt die aus den Worten Salisburys hervorleuchtende
Absicht, die Wiederholung der Schwankungen, der unüberlegten Fortschritte und
der überraschenden Rückschritte der englischen Politik unter Gladstone zu ver¬
meiden, und eine feste Haltung zu beobachten, die zugleich vorsichtig, friedlich
und ehrlich sein kann. Gladstone war immer auf dem Wege, ein mündliches
Abkommen, eine vorläufige Vereinbarung abzuschließen, eine Deklaration zu¬
stande zu bringen. Salisbury erklärt dagegen, daß er solchen Dingen keinen
Wert beilege. Gladstone strebte als der Träumer, der er auf dem Gebiete der
auswärtigen Politik im Grunde ist, lange Zeit und nach kurzer Unterbrechung


Das Programm des Torykabinets.

giebt ihnen Gladstone seinen Segen dazu. Es ist ungefährlich und sieht edel¬
mütig aus. „Es ist ja so ziemlich unser Programm, kann er sich sagen, und
wir werden sehen, ob die neue» Herren es besser machen werden als wir, ob
sie für den Zweck, scharfsichtiger als wir, auch die rechten Mittel finden oder
ebenfalls in der Ausführung stecken bleiben werden." Um den Ministern eine
Beschleunigung der Beratung des Budgets zu ermöglichen, widersprach er nicht,
als zu diesem Ende Verwendung aller Sessioustage (mit Ausnahme der Freitage)
beantragt wurde. Das Gewicht seines Einflusses zeigte sich bei den Abstimmungen
dieses Abends sofort: Lawsons Mißtraueusantrag wurde mit 151 gegen 2 Stimmen
abgelehnt, und der Antrag des Schatzkanzlers, zur Ausstattung der Prinzessin
Beatrice die Summe von 30 000 Pfund Sterling zu bewilligen, fand Annahme
mit 153 gegen 22 Stimmen. Die Sitzung ließ übrigens deutlich erkennen, wer
auf der einen und wer auf der andern Seite Führer der Partei im Hanse der
Gemeinen ist. Im Lager der Liberalen führte selbstverständlich Gladstone, tlliz
g'rg.nÄ via llmv, das Wort, für die Konservativen aber sprach nicht Hicks Beach,
dem es eigentlich zugekommen wäre, sondern Churchill, der neue Staatssekretär
für Indien, von dem wir wahrscheinlich in der nächsten Zeit noch viel hören
und zu berichten haben werden.

Die Rede Salisburys muß durch Ton und Stil überall einen guten Eindruck
gemacht haben, besonders wenn mau sie mit den frühern mündlichen und schrift¬
lichen Äußerungen des „großen Greises" vergleicht, der ihm in der Leitung
der englischen Staatsgeschäfte voranging. Dort eine Fülle rhetorischer Phrasen,
durch die man erst hindurch muß, bevor man sich einigermaßen klar wird, was
der Redner eigentlich will und nicht will, Widersprüche und Verhüllungen.
Hier bei Salisbury einfache Klarheit, Logik, die sich ihrer Ziele und dessen,
was möglich, was schwierig, was unausführbar scheint, wohlbewußt ist. Es ist
wahr, über die Wege, welche über die Schwierigkeiten hinweg oder um sie herum¬
führen sollen, erfahren wir wenig, der Premier entwickelt kein sehr ins einzelne
gehendes Programm, ja er sagt der Welt kaum neues von besondrer Bedeutung,
aber seine Ausführungen lassen doch die Grundsätze erkennen, von welchen das
Ministerium sich leiten lassen würde, wenn es nach den Wahlen frei werden
sollte. Mehr noch als die einzelnen bestimmten Angaben hinsichtlich Afghani¬
stans und Ägyptens befriedigt die aus den Worten Salisburys hervorleuchtende
Absicht, die Wiederholung der Schwankungen, der unüberlegten Fortschritte und
der überraschenden Rückschritte der englischen Politik unter Gladstone zu ver¬
meiden, und eine feste Haltung zu beobachten, die zugleich vorsichtig, friedlich
und ehrlich sein kann. Gladstone war immer auf dem Wege, ein mündliches
Abkommen, eine vorläufige Vereinbarung abzuschließen, eine Deklaration zu¬
stande zu bringen. Salisbury erklärt dagegen, daß er solchen Dingen keinen
Wert beilege. Gladstone strebte als der Träumer, der er auf dem Gebiete der
auswärtigen Politik im Grunde ist, lange Zeit und nach kurzer Unterbrechung


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[0108] Das Programm des Torykabinets. giebt ihnen Gladstone seinen Segen dazu. Es ist ungefährlich und sieht edel¬ mütig aus. „Es ist ja so ziemlich unser Programm, kann er sich sagen, und wir werden sehen, ob die neue» Herren es besser machen werden als wir, ob sie für den Zweck, scharfsichtiger als wir, auch die rechten Mittel finden oder ebenfalls in der Ausführung stecken bleiben werden." Um den Ministern eine Beschleunigung der Beratung des Budgets zu ermöglichen, widersprach er nicht, als zu diesem Ende Verwendung aller Sessioustage (mit Ausnahme der Freitage) beantragt wurde. Das Gewicht seines Einflusses zeigte sich bei den Abstimmungen dieses Abends sofort: Lawsons Mißtraueusantrag wurde mit 151 gegen 2 Stimmen abgelehnt, und der Antrag des Schatzkanzlers, zur Ausstattung der Prinzessin Beatrice die Summe von 30 000 Pfund Sterling zu bewilligen, fand Annahme mit 153 gegen 22 Stimmen. Die Sitzung ließ übrigens deutlich erkennen, wer auf der einen und wer auf der andern Seite Führer der Partei im Hanse der Gemeinen ist. Im Lager der Liberalen führte selbstverständlich Gladstone, tlliz g'rg.nÄ via llmv, das Wort, für die Konservativen aber sprach nicht Hicks Beach, dem es eigentlich zugekommen wäre, sondern Churchill, der neue Staatssekretär für Indien, von dem wir wahrscheinlich in der nächsten Zeit noch viel hören und zu berichten haben werden. Die Rede Salisburys muß durch Ton und Stil überall einen guten Eindruck gemacht haben, besonders wenn mau sie mit den frühern mündlichen und schrift¬ lichen Äußerungen des „großen Greises" vergleicht, der ihm in der Leitung der englischen Staatsgeschäfte voranging. Dort eine Fülle rhetorischer Phrasen, durch die man erst hindurch muß, bevor man sich einigermaßen klar wird, was der Redner eigentlich will und nicht will, Widersprüche und Verhüllungen. Hier bei Salisbury einfache Klarheit, Logik, die sich ihrer Ziele und dessen, was möglich, was schwierig, was unausführbar scheint, wohlbewußt ist. Es ist wahr, über die Wege, welche über die Schwierigkeiten hinweg oder um sie herum¬ führen sollen, erfahren wir wenig, der Premier entwickelt kein sehr ins einzelne gehendes Programm, ja er sagt der Welt kaum neues von besondrer Bedeutung, aber seine Ausführungen lassen doch die Grundsätze erkennen, von welchen das Ministerium sich leiten lassen würde, wenn es nach den Wahlen frei werden sollte. Mehr noch als die einzelnen bestimmten Angaben hinsichtlich Afghani¬ stans und Ägyptens befriedigt die aus den Worten Salisburys hervorleuchtende Absicht, die Wiederholung der Schwankungen, der unüberlegten Fortschritte und der überraschenden Rückschritte der englischen Politik unter Gladstone zu ver¬ meiden, und eine feste Haltung zu beobachten, die zugleich vorsichtig, friedlich und ehrlich sein kann. Gladstone war immer auf dem Wege, ein mündliches Abkommen, eine vorläufige Vereinbarung abzuschließen, eine Deklaration zu¬ stande zu bringen. Salisbury erklärt dagegen, daß er solchen Dingen keinen Wert beilege. Gladstone strebte als der Träumer, der er auf dem Gebiete der auswärtigen Politik im Grunde ist, lange Zeit und nach kurzer Unterbrechung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/108>, abgerufen am 13.06.2024.