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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine Perle.

Vater, bringe mich nicht mit deiner Kälte um! jammerte Florida.

Was wird Francesco nun thun, um sich vor Mantua zu rechtfertigen?
fuhr Marcello unentwegt fort. Wenn ich mich nicht in ihm täusche, wird er
die Maske des von edeln Versöhuungsabsichtcn erfüllt gewesenen, aber von dem
vertrautesten seiner Diener betrogenen Fürsten vornehmen. Man wird aus¬
breiten, die Buonacolsis Hütten seit langem den arglosen Herzog mit ihren Krea¬
turen zu umgeben gesucht, unter ihnen jeuer angebliche Adjunkt Vitaliauos, ich
meine jene", leider der Kammerfrau meiner Tochter von seiner früher" Stel¬
lung her wohlbekannten Lakai namens Antonio Maria. Der wird als erstes
Opfer fallen, nachdem mau den Beweis geführt haben wird, er allein habe ge¬
wußt, daß der Veroneser mit dem Leben davongekommen war, er allein habe
ihn im Schlosse versteckt gehalten, damit dieser Veroneser Prätendent nach seiner
Wiederherstellung den Anschlag auf den herzogliche" Thron umso leichter aus¬
führen könne, als der Herzog sich in Nuhe und Sicherheit habe einwiegen lassen.

Und ist es denn möglich, mein Vater, daß Ihr so niedrig von einem Fürsten
denkt, der Euch eben erst durch einen Guatemale zu seinem Schuldner machte!
rief Florida mit leidenschaftlichem Händeringen.

Nun zu den übrigen für die moralische Rechtfertigung des Herzogs un¬
entbehrlichen Opfern, spann Marcello, ohne die Einrede seiner Tochter zu be¬
achten, seinen Faden weiter. Galt Primaticcio nicht bis zum gestrigen Tage
für den gewiegtesten Gegner der Gonzagas? War es denkbar, wird es heißen,
daß er bei einer Verschwörung gegen Francesco seine Hände rein erhalten habe?
Gebt das große Siegel wieder heraus, Signor Gnardasigilli, und wandert in
die feuchten Keller des Castello ti Corte -- so wird Francesco sich seiner schon
heute entledigen.

Ihr öffnet nur die Unger über die Nähe eines furchtbaren Abgrundes!
wehklagte Pater Vigilio.

Von mir selbst will ich nicht reden, sagte Marcello mit schwerem Atem¬
holen; es fiel ein Ziegel -dicht vor meinen Füßen vom Dache meines Hauses
herab, als ich gestern Nacht aus der Sänfte stieg; macht Euch nichts daraus,
sagte einer der herzoglichen Sänftenträger, als er sah, daß ich den Kopf schüt¬
telte; der kannte den Sinn der Vorbedeutung: man wird mich diesmal nicht
als Totschläger, souderu als Mitverschwornen verurteilen, und ich werde mit
einem Makel behaftet mein Haupt auf den Richtblock legen.

Gütiger Himmel, laß mich nicht den Verstand verlieren! jammerte Florida
und warf sich, wie im Gebet die schreckliche Wirklichkeit zu vergessen suchend,
abseits in einem Winkel auf die Kniee.

Aber schon im nächsten Augenblicke sprang sie wieder auf.

^llibü! rief sie; nicht doch! nicht doch! Was verliere ich hier mit Worten die
Zeit! Der Herzog ist kein Teufel, er ist Gatte, er ist Vater, er wird eben jetzt,
wo der Herr der himmlischen Hcerschanrcn seine Geißel über unsre arme Stadt


Um eine Perle.

Vater, bringe mich nicht mit deiner Kälte um! jammerte Florida.

Was wird Francesco nun thun, um sich vor Mantua zu rechtfertigen?
fuhr Marcello unentwegt fort. Wenn ich mich nicht in ihm täusche, wird er
die Maske des von edeln Versöhuungsabsichtcn erfüllt gewesenen, aber von dem
vertrautesten seiner Diener betrogenen Fürsten vornehmen. Man wird aus¬
breiten, die Buonacolsis Hütten seit langem den arglosen Herzog mit ihren Krea¬
turen zu umgeben gesucht, unter ihnen jeuer angebliche Adjunkt Vitaliauos, ich
meine jene», leider der Kammerfrau meiner Tochter von seiner früher» Stel¬
lung her wohlbekannten Lakai namens Antonio Maria. Der wird als erstes
Opfer fallen, nachdem mau den Beweis geführt haben wird, er allein habe ge¬
wußt, daß der Veroneser mit dem Leben davongekommen war, er allein habe
ihn im Schlosse versteckt gehalten, damit dieser Veroneser Prätendent nach seiner
Wiederherstellung den Anschlag auf den herzogliche» Thron umso leichter aus¬
führen könne, als der Herzog sich in Nuhe und Sicherheit habe einwiegen lassen.

Und ist es denn möglich, mein Vater, daß Ihr so niedrig von einem Fürsten
denkt, der Euch eben erst durch einen Guatemale zu seinem Schuldner machte!
rief Florida mit leidenschaftlichem Händeringen.

Nun zu den übrigen für die moralische Rechtfertigung des Herzogs un¬
entbehrlichen Opfern, spann Marcello, ohne die Einrede seiner Tochter zu be¬
achten, seinen Faden weiter. Galt Primaticcio nicht bis zum gestrigen Tage
für den gewiegtesten Gegner der Gonzagas? War es denkbar, wird es heißen,
daß er bei einer Verschwörung gegen Francesco seine Hände rein erhalten habe?
Gebt das große Siegel wieder heraus, Signor Gnardasigilli, und wandert in
die feuchten Keller des Castello ti Corte — so wird Francesco sich seiner schon
heute entledigen.

Ihr öffnet nur die Unger über die Nähe eines furchtbaren Abgrundes!
wehklagte Pater Vigilio.

Von mir selbst will ich nicht reden, sagte Marcello mit schwerem Atem¬
holen; es fiel ein Ziegel -dicht vor meinen Füßen vom Dache meines Hauses
herab, als ich gestern Nacht aus der Sänfte stieg; macht Euch nichts daraus,
sagte einer der herzoglichen Sänftenträger, als er sah, daß ich den Kopf schüt¬
telte; der kannte den Sinn der Vorbedeutung: man wird mich diesmal nicht
als Totschläger, souderu als Mitverschwornen verurteilen, und ich werde mit
einem Makel behaftet mein Haupt auf den Richtblock legen.

Gütiger Himmel, laß mich nicht den Verstand verlieren! jammerte Florida
und warf sich, wie im Gebet die schreckliche Wirklichkeit zu vergessen suchend,
abseits in einem Winkel auf die Kniee.

Aber schon im nächsten Augenblicke sprang sie wieder auf.

^llibü! rief sie; nicht doch! nicht doch! Was verliere ich hier mit Worten die
Zeit! Der Herzog ist kein Teufel, er ist Gatte, er ist Vater, er wird eben jetzt,
wo der Herr der himmlischen Hcerschanrcn seine Geißel über unsre arme Stadt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/288>, abgerufen am 21.05.2024.