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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Unpolitische Briefe aus Ivien.

Während der letzten Jcihre nur mit Porträtstücken in die Öffentlichkeit getreten,
ihr Lehramt an der Akademie nimmt eben den besten Teil ihrer Zeit und Kraft
in Anspruch. Von Blaas hängt ein sehr schönes Bild -- allerdings schon
ältern Datums -- im Belvedere. Es stellt Karl den Großen dar, wie er eine
Schule besucht. Der Gegenstand ist ernst behandelt, sein ethischer Gehalt tritt
bedeutend hervor, sodaß in dem Beschauer der Wunsch entsteht, es möge jedes
Gymnasium eine gute Kopie des Gemäldes in seinem Festsaale haben. Die
Gestalt des Kaisers ist wahrhaft majestätisch: unter seinem strafenden Blicke
erglühen die Wangen des leichtsinnigen Edellindes, und seine Augen suchen
den Boden -- wie mögen erst Karls Feinde erzittern, wenn er ihnen zornig
entgegentritt, wie der Frevler, der seinem Richterstuhle naht! Die eine Hand
hat der Kaiser auf das geschorene Bloudhaupt eines unfreien Knaben gelegt,
der mit reizend ernster Miene unerschrocken aufblickt; nichts von Altklug¬
heit liegt auf seinem unschuldigen Gesicht, wenn auch der Kaiser seinen Fleiß
vor allen andern rühmt. Die übrigen Schüler und die bescheiden im Hinter¬
grunde stehenden Lehrer sind mit gleicher Liebenswürdigkeit ausgeführt, nirgends
drückt sich ein unedles Gefühl ans. Überaus anziehend ist namentlich ein rechts
hinter dem Gescholtenen über die Schulbank gebeugter Knabe, offenbar des
erstern Freund, in seinem Antlitz ist Mitgefühl mit diesem zu lesen, aber auch
das Eingeständnis, daß der Kaiser so unrecht nicht habe. In der Zeichnung ist
Karl von Blaas noch ganz so korrekt wie die ältere Schule, auch in den De¬
tails so genau, aber die Farbe verwendet er schon mit mehr Freiheit, und seiue
Charakteristik ist lebhafter. In der letzten Jahresausstellung des Künstlerhauses
erregte namentlich ein liebliches Madonnenbild von ihm allgemeine Vewunderung.
Noch leuchtender in der Farbe, noch leichter und graziöser ist aber der jüngere
Eugen von Blaas. Von seinem "Besuch" (im Belvedere), von seinen "Beiden
Nonnen" (in der Akademiegalerie) wird sich niemand so leicht trennen. Nach
dem Ruhme eines österreichischen Meissoniers ringen Eduard Charlemvnt und
von Pettenkvfcr mit Erfolg, beide holen ihre Vorwürfe aus dein häuslichen
Leben von Gegenwart und Vergcingenhert, von der Straße herauf, aus dein
Kriegslager, Charlemvnt Wohl auch aus der Tracht des Orients; beide sind
gute Zeichner und treffliche Koloristen, ihre feine Charakteristik ist aber von
der breiten Manier Danhausers himmelweit verschieden. Bei ihnen sieht man
recht deutlich, wie viel die Österreicher in der Fremde und von Fremden ge¬
lernt haben. (Schluß folgt.)






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Unpolitische Briefe aus Ivien.

Während der letzten Jcihre nur mit Porträtstücken in die Öffentlichkeit getreten,
ihr Lehramt an der Akademie nimmt eben den besten Teil ihrer Zeit und Kraft
in Anspruch. Von Blaas hängt ein sehr schönes Bild — allerdings schon
ältern Datums — im Belvedere. Es stellt Karl den Großen dar, wie er eine
Schule besucht. Der Gegenstand ist ernst behandelt, sein ethischer Gehalt tritt
bedeutend hervor, sodaß in dem Beschauer der Wunsch entsteht, es möge jedes
Gymnasium eine gute Kopie des Gemäldes in seinem Festsaale haben. Die
Gestalt des Kaisers ist wahrhaft majestätisch: unter seinem strafenden Blicke
erglühen die Wangen des leichtsinnigen Edellindes, und seine Augen suchen
den Boden — wie mögen erst Karls Feinde erzittern, wenn er ihnen zornig
entgegentritt, wie der Frevler, der seinem Richterstuhle naht! Die eine Hand
hat der Kaiser auf das geschorene Bloudhaupt eines unfreien Knaben gelegt,
der mit reizend ernster Miene unerschrocken aufblickt; nichts von Altklug¬
heit liegt auf seinem unschuldigen Gesicht, wenn auch der Kaiser seinen Fleiß
vor allen andern rühmt. Die übrigen Schüler und die bescheiden im Hinter¬
grunde stehenden Lehrer sind mit gleicher Liebenswürdigkeit ausgeführt, nirgends
drückt sich ein unedles Gefühl ans. Überaus anziehend ist namentlich ein rechts
hinter dem Gescholtenen über die Schulbank gebeugter Knabe, offenbar des
erstern Freund, in seinem Antlitz ist Mitgefühl mit diesem zu lesen, aber auch
das Eingeständnis, daß der Kaiser so unrecht nicht habe. In der Zeichnung ist
Karl von Blaas noch ganz so korrekt wie die ältere Schule, auch in den De¬
tails so genau, aber die Farbe verwendet er schon mit mehr Freiheit, und seiue
Charakteristik ist lebhafter. In der letzten Jahresausstellung des Künstlerhauses
erregte namentlich ein liebliches Madonnenbild von ihm allgemeine Vewunderung.
Noch leuchtender in der Farbe, noch leichter und graziöser ist aber der jüngere
Eugen von Blaas. Von seinem „Besuch" (im Belvedere), von seinen „Beiden
Nonnen" (in der Akademiegalerie) wird sich niemand so leicht trennen. Nach
dem Ruhme eines österreichischen Meissoniers ringen Eduard Charlemvnt und
von Pettenkvfcr mit Erfolg, beide holen ihre Vorwürfe aus dein häuslichen
Leben von Gegenwart und Vergcingenhert, von der Straße herauf, aus dein
Kriegslager, Charlemvnt Wohl auch aus der Tracht des Orients; beide sind
gute Zeichner und treffliche Koloristen, ihre feine Charakteristik ist aber von
der breiten Manier Danhausers himmelweit verschieden. Bei ihnen sieht man
recht deutlich, wie viel die Österreicher in der Fremde und von Fremden ge¬
lernt haben. (Schluß folgt.)






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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[0584] Unpolitische Briefe aus Ivien. Während der letzten Jcihre nur mit Porträtstücken in die Öffentlichkeit getreten, ihr Lehramt an der Akademie nimmt eben den besten Teil ihrer Zeit und Kraft in Anspruch. Von Blaas hängt ein sehr schönes Bild — allerdings schon ältern Datums — im Belvedere. Es stellt Karl den Großen dar, wie er eine Schule besucht. Der Gegenstand ist ernst behandelt, sein ethischer Gehalt tritt bedeutend hervor, sodaß in dem Beschauer der Wunsch entsteht, es möge jedes Gymnasium eine gute Kopie des Gemäldes in seinem Festsaale haben. Die Gestalt des Kaisers ist wahrhaft majestätisch: unter seinem strafenden Blicke erglühen die Wangen des leichtsinnigen Edellindes, und seine Augen suchen den Boden — wie mögen erst Karls Feinde erzittern, wenn er ihnen zornig entgegentritt, wie der Frevler, der seinem Richterstuhle naht! Die eine Hand hat der Kaiser auf das geschorene Bloudhaupt eines unfreien Knaben gelegt, der mit reizend ernster Miene unerschrocken aufblickt; nichts von Altklug¬ heit liegt auf seinem unschuldigen Gesicht, wenn auch der Kaiser seinen Fleiß vor allen andern rühmt. Die übrigen Schüler und die bescheiden im Hinter¬ grunde stehenden Lehrer sind mit gleicher Liebenswürdigkeit ausgeführt, nirgends drückt sich ein unedles Gefühl ans. Überaus anziehend ist namentlich ein rechts hinter dem Gescholtenen über die Schulbank gebeugter Knabe, offenbar des erstern Freund, in seinem Antlitz ist Mitgefühl mit diesem zu lesen, aber auch das Eingeständnis, daß der Kaiser so unrecht nicht habe. In der Zeichnung ist Karl von Blaas noch ganz so korrekt wie die ältere Schule, auch in den De¬ tails so genau, aber die Farbe verwendet er schon mit mehr Freiheit, und seiue Charakteristik ist lebhafter. In der letzten Jahresausstellung des Künstlerhauses erregte namentlich ein liebliches Madonnenbild von ihm allgemeine Vewunderung. Noch leuchtender in der Farbe, noch leichter und graziöser ist aber der jüngere Eugen von Blaas. Von seinem „Besuch" (im Belvedere), von seinen „Beiden Nonnen" (in der Akademiegalerie) wird sich niemand so leicht trennen. Nach dem Ruhme eines österreichischen Meissoniers ringen Eduard Charlemvnt und von Pettenkvfcr mit Erfolg, beide holen ihre Vorwürfe aus dein häuslichen Leben von Gegenwart und Vergcingenhert, von der Straße herauf, aus dein Kriegslager, Charlemvnt Wohl auch aus der Tracht des Orients; beide sind gute Zeichner und treffliche Koloristen, ihre feine Charakteristik ist aber von der breiten Manier Danhausers himmelweit verschieden. Bei ihnen sieht man recht deutlich, wie viel die Österreicher in der Fremde und von Fremden ge¬ lernt haben. (Schluß folgt.) Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/584>, abgerufen am 19.05.2024.