Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Frnuenbilder, ihre heitere Sorglosigkeit, ihre Freude an Schmuck und Pracht
typische Eigentümlichkeiten der Frauen und Mädchen Wiens sind, ist oft gesagt
worden. Aber die Wienerin ist doch weit entfernt davon, ein solches Traum¬
leben zu führen, sie liebt leidenschaftlich und hat anch sehr energische Töne auf
ihrer Gefühlsskala gegen das, was sie nicht liebt, wenn sie auch gewöhnlich zu
gutmütig ist, um wirklich zu hassen. Das Charakteristische also der Makartschen
Figuren, ihre lebensfrohe Lebenslosigkeit ist nichts Wienerisches, sondern aus
des Künstlers eigner Natur geflossen.

In den Vorwurf, den die Moralisten Wider Mcckart erheben zu müssen
glaubten, können wir nicht einstimmen. Frivol war er nicht, Lüsternheit hat
er nicht gepredigt, und sein Pinsel hat von der weiblichen Schönheit nicht mehr
ausgeplaudert, als was die Kunst des Malers dem Pinsel zu sagen erlaubt,
ja gebietet.

Makart hat von dem Zweige der bildenden Künste, in dem seine Meister¬
schaft lag, eine ganz eigentümliche, man möchte sagen bescheidne Auffassung
gehabt. Seiner Meinung nach hatte die Malerei eigentlich kein Anrecht auf
eine ganz selbständige Pflege, sie sollte der Architektur dienen, sich mit einem
dekorativen Effekt begnügen. Schon vor Jahren gab er dieser paradox klingenden
Ansicht in einem vertraulichen Gespräche mit einem jungen Archäologen Aus¬
druck. In seinen letzten Jahren wußte man anch in weitern Kreisen davon,
und die Arbeit dieser Jahre galt auch zumeist der praktischen Exemplifikation
seiner Theorie, die sich etwa mit Richard Wagners Lehre von der Einheit der
Musik und Poesie vergleichen läßt. So wird es begreiflich, warum sich Makart
zuletzt so leidenschaftlich mit Architektur selbst beschäftigte. Was er davon in die
Öffentlichkeit gelangen ließ, war freilich befremdend, ja ungeheuerlich, aber es
waren eben die ersten Versuche, und bekannt ist ja, daß Kaulbach, als er zuerst
ein Bild des jugendlichen Makart sah, ausrief: "Wer dies gemacht hat, wird
entweder ein Narr oder ein großer Maler." Vor den Architckturskizzen Mcckarts
mochte sich wohl manchem ein ähnliches Wort auf die Lippen drängen. Gerade
zur Dekorationskunst aber -- im weitesten Sinne -- zeigte er immer die
schönste Begabung, keiner nnter den modernen Künstlern wußte wie er die
Schöpfungen verschiedner Kunstgattungen so harmonisch zu einem Ganzen zu
vereinigen. Sein Lebenstraum ist es denn auch gewesen, einmal einen Palast,
ein Schauspielhaus oder ein andres öffentliches Gebäude ganz nach seinen Ideen
herstellen und schmücken zu können. Der Traum ist nicht in Erfüllung ge¬
gangen. Aber eine große Gelegenheit hatte er doch, unsern staunenden Blicke"
das ganze Maß seines Könnens zu geben. Es war dies der historische Festzug
im Jahre 1879, den die Stadt Wien zur Feier der silbernen Hochzeit des
österreichischen Kaiserpaares veranstaltete. "Die Augenzeugen wußten nicht,
schrieb damals Wilhelm Läufer, sollten sie mehr staunen über den großartigen
Entwurf des Ganzen oder über die Sorgfalt, womit jedes Einzelne ausgestattet


Frnuenbilder, ihre heitere Sorglosigkeit, ihre Freude an Schmuck und Pracht
typische Eigentümlichkeiten der Frauen und Mädchen Wiens sind, ist oft gesagt
worden. Aber die Wienerin ist doch weit entfernt davon, ein solches Traum¬
leben zu führen, sie liebt leidenschaftlich und hat anch sehr energische Töne auf
ihrer Gefühlsskala gegen das, was sie nicht liebt, wenn sie auch gewöhnlich zu
gutmütig ist, um wirklich zu hassen. Das Charakteristische also der Makartschen
Figuren, ihre lebensfrohe Lebenslosigkeit ist nichts Wienerisches, sondern aus
des Künstlers eigner Natur geflossen.

In den Vorwurf, den die Moralisten Wider Mcckart erheben zu müssen
glaubten, können wir nicht einstimmen. Frivol war er nicht, Lüsternheit hat
er nicht gepredigt, und sein Pinsel hat von der weiblichen Schönheit nicht mehr
ausgeplaudert, als was die Kunst des Malers dem Pinsel zu sagen erlaubt,
ja gebietet.

Makart hat von dem Zweige der bildenden Künste, in dem seine Meister¬
schaft lag, eine ganz eigentümliche, man möchte sagen bescheidne Auffassung
gehabt. Seiner Meinung nach hatte die Malerei eigentlich kein Anrecht auf
eine ganz selbständige Pflege, sie sollte der Architektur dienen, sich mit einem
dekorativen Effekt begnügen. Schon vor Jahren gab er dieser paradox klingenden
Ansicht in einem vertraulichen Gespräche mit einem jungen Archäologen Aus¬
druck. In seinen letzten Jahren wußte man anch in weitern Kreisen davon,
und die Arbeit dieser Jahre galt auch zumeist der praktischen Exemplifikation
seiner Theorie, die sich etwa mit Richard Wagners Lehre von der Einheit der
Musik und Poesie vergleichen läßt. So wird es begreiflich, warum sich Makart
zuletzt so leidenschaftlich mit Architektur selbst beschäftigte. Was er davon in die
Öffentlichkeit gelangen ließ, war freilich befremdend, ja ungeheuerlich, aber es
waren eben die ersten Versuche, und bekannt ist ja, daß Kaulbach, als er zuerst
ein Bild des jugendlichen Makart sah, ausrief: „Wer dies gemacht hat, wird
entweder ein Narr oder ein großer Maler." Vor den Architckturskizzen Mcckarts
mochte sich wohl manchem ein ähnliches Wort auf die Lippen drängen. Gerade
zur Dekorationskunst aber — im weitesten Sinne — zeigte er immer die
schönste Begabung, keiner nnter den modernen Künstlern wußte wie er die
Schöpfungen verschiedner Kunstgattungen so harmonisch zu einem Ganzen zu
vereinigen. Sein Lebenstraum ist es denn auch gewesen, einmal einen Palast,
ein Schauspielhaus oder ein andres öffentliches Gebäude ganz nach seinen Ideen
herstellen und schmücken zu können. Der Traum ist nicht in Erfüllung ge¬
gangen. Aber eine große Gelegenheit hatte er doch, unsern staunenden Blicke»
das ganze Maß seines Könnens zu geben. Es war dies der historische Festzug
im Jahre 1879, den die Stadt Wien zur Feier der silbernen Hochzeit des
österreichischen Kaiserpaares veranstaltete. „Die Augenzeugen wußten nicht,
schrieb damals Wilhelm Läufer, sollten sie mehr staunen über den großartigen
Entwurf des Ganzen oder über die Sorgfalt, womit jedes Einzelne ausgestattet


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0612" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196712"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2280" prev="#ID_2279"> Frnuenbilder, ihre heitere Sorglosigkeit, ihre Freude an Schmuck und Pracht<lb/>
typische Eigentümlichkeiten der Frauen und Mädchen Wiens sind, ist oft gesagt<lb/>
worden. Aber die Wienerin ist doch weit entfernt davon, ein solches Traum¬<lb/>
leben zu führen, sie liebt leidenschaftlich und hat anch sehr energische Töne auf<lb/>
ihrer Gefühlsskala gegen das, was sie nicht liebt, wenn sie auch gewöhnlich zu<lb/>
gutmütig ist, um wirklich zu hassen. Das Charakteristische also der Makartschen<lb/>
Figuren, ihre lebensfrohe Lebenslosigkeit ist nichts Wienerisches, sondern aus<lb/>
des Künstlers eigner Natur geflossen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2281"> In den Vorwurf, den die Moralisten Wider Mcckart erheben zu müssen<lb/>
glaubten, können wir nicht einstimmen. Frivol war er nicht, Lüsternheit hat<lb/>
er nicht gepredigt, und sein Pinsel hat von der weiblichen Schönheit nicht mehr<lb/>
ausgeplaudert, als was die Kunst des Malers dem Pinsel zu sagen erlaubt,<lb/>
ja gebietet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2282" next="#ID_2283"> Makart hat von dem Zweige der bildenden Künste, in dem seine Meister¬<lb/>
schaft lag, eine ganz eigentümliche, man möchte sagen bescheidne Auffassung<lb/>
gehabt. Seiner Meinung nach hatte die Malerei eigentlich kein Anrecht auf<lb/>
eine ganz selbständige Pflege, sie sollte der Architektur dienen, sich mit einem<lb/>
dekorativen Effekt begnügen. Schon vor Jahren gab er dieser paradox klingenden<lb/>
Ansicht in einem vertraulichen Gespräche mit einem jungen Archäologen Aus¬<lb/>
druck. In seinen letzten Jahren wußte man anch in weitern Kreisen davon,<lb/>
und die Arbeit dieser Jahre galt auch zumeist der praktischen Exemplifikation<lb/>
seiner Theorie, die sich etwa mit Richard Wagners Lehre von der Einheit der<lb/>
Musik und Poesie vergleichen läßt. So wird es begreiflich, warum sich Makart<lb/>
zuletzt so leidenschaftlich mit Architektur selbst beschäftigte. Was er davon in die<lb/>
Öffentlichkeit gelangen ließ, war freilich befremdend, ja ungeheuerlich, aber es<lb/>
waren eben die ersten Versuche, und bekannt ist ja, daß Kaulbach, als er zuerst<lb/>
ein Bild des jugendlichen Makart sah, ausrief: &#x201E;Wer dies gemacht hat, wird<lb/>
entweder ein Narr oder ein großer Maler." Vor den Architckturskizzen Mcckarts<lb/>
mochte sich wohl manchem ein ähnliches Wort auf die Lippen drängen. Gerade<lb/>
zur Dekorationskunst aber &#x2014; im weitesten Sinne &#x2014; zeigte er immer die<lb/>
schönste Begabung, keiner nnter den modernen Künstlern wußte wie er die<lb/>
Schöpfungen verschiedner Kunstgattungen so harmonisch zu einem Ganzen zu<lb/>
vereinigen. Sein Lebenstraum ist es denn auch gewesen, einmal einen Palast,<lb/>
ein Schauspielhaus oder ein andres öffentliches Gebäude ganz nach seinen Ideen<lb/>
herstellen und schmücken zu können. Der Traum ist nicht in Erfüllung ge¬<lb/>
gangen. Aber eine große Gelegenheit hatte er doch, unsern staunenden Blicke»<lb/>
das ganze Maß seines Könnens zu geben. Es war dies der historische Festzug<lb/>
im Jahre 1879, den die Stadt Wien zur Feier der silbernen Hochzeit des<lb/>
österreichischen Kaiserpaares veranstaltete. &#x201E;Die Augenzeugen wußten nicht,<lb/>
schrieb damals Wilhelm Läufer, sollten sie mehr staunen über den großartigen<lb/>
Entwurf des Ganzen oder über die Sorgfalt, womit jedes Einzelne ausgestattet</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0612] Frnuenbilder, ihre heitere Sorglosigkeit, ihre Freude an Schmuck und Pracht typische Eigentümlichkeiten der Frauen und Mädchen Wiens sind, ist oft gesagt worden. Aber die Wienerin ist doch weit entfernt davon, ein solches Traum¬ leben zu führen, sie liebt leidenschaftlich und hat anch sehr energische Töne auf ihrer Gefühlsskala gegen das, was sie nicht liebt, wenn sie auch gewöhnlich zu gutmütig ist, um wirklich zu hassen. Das Charakteristische also der Makartschen Figuren, ihre lebensfrohe Lebenslosigkeit ist nichts Wienerisches, sondern aus des Künstlers eigner Natur geflossen. In den Vorwurf, den die Moralisten Wider Mcckart erheben zu müssen glaubten, können wir nicht einstimmen. Frivol war er nicht, Lüsternheit hat er nicht gepredigt, und sein Pinsel hat von der weiblichen Schönheit nicht mehr ausgeplaudert, als was die Kunst des Malers dem Pinsel zu sagen erlaubt, ja gebietet. Makart hat von dem Zweige der bildenden Künste, in dem seine Meister¬ schaft lag, eine ganz eigentümliche, man möchte sagen bescheidne Auffassung gehabt. Seiner Meinung nach hatte die Malerei eigentlich kein Anrecht auf eine ganz selbständige Pflege, sie sollte der Architektur dienen, sich mit einem dekorativen Effekt begnügen. Schon vor Jahren gab er dieser paradox klingenden Ansicht in einem vertraulichen Gespräche mit einem jungen Archäologen Aus¬ druck. In seinen letzten Jahren wußte man anch in weitern Kreisen davon, und die Arbeit dieser Jahre galt auch zumeist der praktischen Exemplifikation seiner Theorie, die sich etwa mit Richard Wagners Lehre von der Einheit der Musik und Poesie vergleichen läßt. So wird es begreiflich, warum sich Makart zuletzt so leidenschaftlich mit Architektur selbst beschäftigte. Was er davon in die Öffentlichkeit gelangen ließ, war freilich befremdend, ja ungeheuerlich, aber es waren eben die ersten Versuche, und bekannt ist ja, daß Kaulbach, als er zuerst ein Bild des jugendlichen Makart sah, ausrief: „Wer dies gemacht hat, wird entweder ein Narr oder ein großer Maler." Vor den Architckturskizzen Mcckarts mochte sich wohl manchem ein ähnliches Wort auf die Lippen drängen. Gerade zur Dekorationskunst aber — im weitesten Sinne — zeigte er immer die schönste Begabung, keiner nnter den modernen Künstlern wußte wie er die Schöpfungen verschiedner Kunstgattungen so harmonisch zu einem Ganzen zu vereinigen. Sein Lebenstraum ist es denn auch gewesen, einmal einen Palast, ein Schauspielhaus oder ein andres öffentliches Gebäude ganz nach seinen Ideen herstellen und schmücken zu können. Der Traum ist nicht in Erfüllung ge¬ gangen. Aber eine große Gelegenheit hatte er doch, unsern staunenden Blicke» das ganze Maß seines Könnens zu geben. Es war dies der historische Festzug im Jahre 1879, den die Stadt Wien zur Feier der silbernen Hochzeit des österreichischen Kaiserpaares veranstaltete. „Die Augenzeugen wußten nicht, schrieb damals Wilhelm Läufer, sollten sie mehr staunen über den großartigen Entwurf des Ganzen oder über die Sorgfalt, womit jedes Einzelne ausgestattet

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/612
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/612>, abgerufen am 14.06.2024.