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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der Streit über die Karolinen,

Daneben läßt sich die Frage auswerfen, ob es ein Vorteil zunächst für
unsre in diesen Meeren und Ländern handeltreibenden Kaufleute, dann für die
eingeborne Bevölkerung sein würde, wenn Spaniens angebliches Recht, dort
zu herrschen, zur Geltung gelangte, und diese Frage muß sehr entschieden ver¬
neint werden; denn die unausbleibliche Folge solcher Herrschaft würde Störung
von Schifffahrt und Handel und unerhörte Bedrückung und Ausbeutung der
Eingebornen sein.

Daß dies keine aus der Luft gcgriffne Behauptung ist, zeigt ein Blick auf
die benachbarten Mariannen, wo das spanische Mißrcgiment thatsächlich nichts
als Ruin und Elend herbeigeführt hat, obwohl diese Inseln von der Natur reich
gesegnet sind und ihre Bewohner ursprünglich anstellige und fleißige Menschen
waren. Das Klima ist herrlich, der Boden sehr fruchtbar. Vor etwa zwei
Jahrzehnten baute man Kopra und Zucker in Menge, und das Volk lebte in
Glück und Wohlstand. Verschiedene europäische Kaufleute hatten sich hier nieder¬
gelassen und trieben einen schwunghaften Handel und Plantagenbau. Jetzt ist
das alles zu gründe gerichtet, und zwar einzig und allein durch das habsüchtige
und willkürliche Verfahren der spanischen Beamten, die ihre Posten nur als
Gelegenheit auffassen, sich den Beutel zu füllen. Land und Leute müssen ihnen
dabei dienen: sie erheben für ihre Kasse eine Kopfsteuer, zwingen das Volk,
für ihre Felder und Pflanzungen unentgeltlich zu arbeiten, treiben ihr Vieh in
die jungen Zuckerrohrtriebe, verpachten den Fischfang als Monopol, nötigen die
Eingebornen, ihnen die Kopra um geringen Preis zu überlassen, und verlaufen
sie dann wieder um das Dreifache. Auch der Handel mit Lebensmitteln, mit
denen sich die Walfischfänger der Südsee hier zu versorgen pflegen, geht nur
durch die Hände der Gouverneure, die auch hier billig einkaufen und teuer ver¬
kaufen. Durch dieses Aussaugungssystem ist das Volk völlig heruntergekommen,
nur wenige arbeiten mehr, die Pflanzungen sind verwildert, die europäischen
Ansiedler haben sich zurückgezogen; denn man verbot ihnen den Handel eben¬
falls, und man stellte ihnen, als sie mit Arbeitern von den Karolinen Kulturen
anzulegen begonnen hatten, für den Weiterbetrieb derselben unerfüllbare Be¬
dingungen, sodciß sie ihre Einrichtungen mit Verlust eingehen lassen mußten.
Eine Erhebung der Eingebornen, welche auf der Hauptinsel Guam stattfand und
bei welcher der Gouverneuer getötet wurde, mißlang und wurde hart bestraft.
Seitdem hat sich auch der energischeren Naturen dumpfe Gleichgiltigkeit be¬
mächtigt, man läßt über sich ergehen, was nicht zu ändern ist, und lebt, so gut
oder so übel sichs machen läßt, in den Teig hinein. Dieselben Zustände würden
rasch eintreten, wenn die Karolinen unter spanische Herrschaft kommen sollten;
sie würde nichts für ihr Gedeihen thun und alles zulassen was dasselbe
hindern und auch die vorzugsweise von deutscher Betriebsamkeit geschaffenen An¬
fänge dieses Gedeihens vernichten muß. In wenigen Jahren würden dann die
europäischen Faktoreien auf Jay und Ponape eingegangen und die Häfen dieser


Der Streit über die Karolinen,

Daneben läßt sich die Frage auswerfen, ob es ein Vorteil zunächst für
unsre in diesen Meeren und Ländern handeltreibenden Kaufleute, dann für die
eingeborne Bevölkerung sein würde, wenn Spaniens angebliches Recht, dort
zu herrschen, zur Geltung gelangte, und diese Frage muß sehr entschieden ver¬
neint werden; denn die unausbleibliche Folge solcher Herrschaft würde Störung
von Schifffahrt und Handel und unerhörte Bedrückung und Ausbeutung der
Eingebornen sein.

Daß dies keine aus der Luft gcgriffne Behauptung ist, zeigt ein Blick auf
die benachbarten Mariannen, wo das spanische Mißrcgiment thatsächlich nichts
als Ruin und Elend herbeigeführt hat, obwohl diese Inseln von der Natur reich
gesegnet sind und ihre Bewohner ursprünglich anstellige und fleißige Menschen
waren. Das Klima ist herrlich, der Boden sehr fruchtbar. Vor etwa zwei
Jahrzehnten baute man Kopra und Zucker in Menge, und das Volk lebte in
Glück und Wohlstand. Verschiedene europäische Kaufleute hatten sich hier nieder¬
gelassen und trieben einen schwunghaften Handel und Plantagenbau. Jetzt ist
das alles zu gründe gerichtet, und zwar einzig und allein durch das habsüchtige
und willkürliche Verfahren der spanischen Beamten, die ihre Posten nur als
Gelegenheit auffassen, sich den Beutel zu füllen. Land und Leute müssen ihnen
dabei dienen: sie erheben für ihre Kasse eine Kopfsteuer, zwingen das Volk,
für ihre Felder und Pflanzungen unentgeltlich zu arbeiten, treiben ihr Vieh in
die jungen Zuckerrohrtriebe, verpachten den Fischfang als Monopol, nötigen die
Eingebornen, ihnen die Kopra um geringen Preis zu überlassen, und verlaufen
sie dann wieder um das Dreifache. Auch der Handel mit Lebensmitteln, mit
denen sich die Walfischfänger der Südsee hier zu versorgen pflegen, geht nur
durch die Hände der Gouverneure, die auch hier billig einkaufen und teuer ver¬
kaufen. Durch dieses Aussaugungssystem ist das Volk völlig heruntergekommen,
nur wenige arbeiten mehr, die Pflanzungen sind verwildert, die europäischen
Ansiedler haben sich zurückgezogen; denn man verbot ihnen den Handel eben¬
falls, und man stellte ihnen, als sie mit Arbeitern von den Karolinen Kulturen
anzulegen begonnen hatten, für den Weiterbetrieb derselben unerfüllbare Be¬
dingungen, sodciß sie ihre Einrichtungen mit Verlust eingehen lassen mußten.
Eine Erhebung der Eingebornen, welche auf der Hauptinsel Guam stattfand und
bei welcher der Gouverneuer getötet wurde, mißlang und wurde hart bestraft.
Seitdem hat sich auch der energischeren Naturen dumpfe Gleichgiltigkeit be¬
mächtigt, man läßt über sich ergehen, was nicht zu ändern ist, und lebt, so gut
oder so übel sichs machen läßt, in den Teig hinein. Dieselben Zustände würden
rasch eintreten, wenn die Karolinen unter spanische Herrschaft kommen sollten;
sie würde nichts für ihr Gedeihen thun und alles zulassen was dasselbe
hindern und auch die vorzugsweise von deutscher Betriebsamkeit geschaffenen An¬
fänge dieses Gedeihens vernichten muß. In wenigen Jahren würden dann die
europäischen Faktoreien auf Jay und Ponape eingegangen und die Häfen dieser


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[0618] Der Streit über die Karolinen, Daneben läßt sich die Frage auswerfen, ob es ein Vorteil zunächst für unsre in diesen Meeren und Ländern handeltreibenden Kaufleute, dann für die eingeborne Bevölkerung sein würde, wenn Spaniens angebliches Recht, dort zu herrschen, zur Geltung gelangte, und diese Frage muß sehr entschieden ver¬ neint werden; denn die unausbleibliche Folge solcher Herrschaft würde Störung von Schifffahrt und Handel und unerhörte Bedrückung und Ausbeutung der Eingebornen sein. Daß dies keine aus der Luft gcgriffne Behauptung ist, zeigt ein Blick auf die benachbarten Mariannen, wo das spanische Mißrcgiment thatsächlich nichts als Ruin und Elend herbeigeführt hat, obwohl diese Inseln von der Natur reich gesegnet sind und ihre Bewohner ursprünglich anstellige und fleißige Menschen waren. Das Klima ist herrlich, der Boden sehr fruchtbar. Vor etwa zwei Jahrzehnten baute man Kopra und Zucker in Menge, und das Volk lebte in Glück und Wohlstand. Verschiedene europäische Kaufleute hatten sich hier nieder¬ gelassen und trieben einen schwunghaften Handel und Plantagenbau. Jetzt ist das alles zu gründe gerichtet, und zwar einzig und allein durch das habsüchtige und willkürliche Verfahren der spanischen Beamten, die ihre Posten nur als Gelegenheit auffassen, sich den Beutel zu füllen. Land und Leute müssen ihnen dabei dienen: sie erheben für ihre Kasse eine Kopfsteuer, zwingen das Volk, für ihre Felder und Pflanzungen unentgeltlich zu arbeiten, treiben ihr Vieh in die jungen Zuckerrohrtriebe, verpachten den Fischfang als Monopol, nötigen die Eingebornen, ihnen die Kopra um geringen Preis zu überlassen, und verlaufen sie dann wieder um das Dreifache. Auch der Handel mit Lebensmitteln, mit denen sich die Walfischfänger der Südsee hier zu versorgen pflegen, geht nur durch die Hände der Gouverneure, die auch hier billig einkaufen und teuer ver¬ kaufen. Durch dieses Aussaugungssystem ist das Volk völlig heruntergekommen, nur wenige arbeiten mehr, die Pflanzungen sind verwildert, die europäischen Ansiedler haben sich zurückgezogen; denn man verbot ihnen den Handel eben¬ falls, und man stellte ihnen, als sie mit Arbeitern von den Karolinen Kulturen anzulegen begonnen hatten, für den Weiterbetrieb derselben unerfüllbare Be¬ dingungen, sodciß sie ihre Einrichtungen mit Verlust eingehen lassen mußten. Eine Erhebung der Eingebornen, welche auf der Hauptinsel Guam stattfand und bei welcher der Gouverneuer getötet wurde, mißlang und wurde hart bestraft. Seitdem hat sich auch der energischeren Naturen dumpfe Gleichgiltigkeit be¬ mächtigt, man läßt über sich ergehen, was nicht zu ändern ist, und lebt, so gut oder so übel sichs machen läßt, in den Teig hinein. Dieselben Zustände würden rasch eintreten, wenn die Karolinen unter spanische Herrschaft kommen sollten; sie würde nichts für ihr Gedeihen thun und alles zulassen was dasselbe hindern und auch die vorzugsweise von deutscher Betriebsamkeit geschaffenen An¬ fänge dieses Gedeihens vernichten muß. In wenigen Jahren würden dann die europäischen Faktoreien auf Jay und Ponape eingegangen und die Häfen dieser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/618>, abgerufen am 14.06.2024.