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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine Perle.

Das schwarze Lockengeringel um ihre Stirn und ihre scheu seinem Blick
ausweichenden Augen, dazu das mit weißlichem Inhalte gefüllte Glas in ihrer
Hand -- der Kranke wußte uicht, ob ein Traumgesicht ihn recke, oder ob eines
jener Geschöpfe vor ihm stehe, die, wie es hieß, den Zwecken Vitnlianos dienten.

Ich kenne dich nicht, sagte er ungütig; in wessen Auftrag bist du hier?

In niemandes Auftrag, Eeeelleuza.

So? Und was öffnete dir die Thür meines Gefängnisses?

Ihr seid in keinem Gefängnisse, Eeeelleuza, wollte Gineinta ihn besänftigen;
werdet nur erst gesund; gewiß, man denkt nicht daran, Euch festzuhalten,
Eecellenza.

Giuseppe lächelte bitter.

Ist denn Ubidia abgesetzt? fragte er, sollst du an ihre Stelle treten? Was
hat die ganze Veranstaltung zu bedeuten?

Ich weiß nicht, von wem Ihr redet, Eeecllenza. Ich heiße Giaeinta, und
ich möchte --

Nun?

Ihr sollt aber erst trinken, hat Antonio Maria gesagt. Sie wollte ihm
das Glas reichen.

Antonio Maria? fragte Giuseppe; in seinem Gedächtnisse tauchte zum
erstenmale wieder der Name des dnrch Ambrogio Pellegrini empfohlenen Mannes
auf, dessen grüne Aufschläge ihn dann aber verdächtig gemacht hatten.

Es würde Euch die Aufregung sonst schaden können, Eeecllenza, erklärte
sich Giaeinta deutlicher; so habe es der Dottore ausdrücklich vorgeschrieben, hat
mir Antonio Maria gesagt. Trinkt, Eeeelleuza. Nur fünf Minuten darf ich
hier bei Euch sein, und ich habe Euch noch allerlei zu sagen. Trinkt, gute
Eeecllenza, trinkt, mir zuliebe.

Ein Schatten tiefen Abscheues glitt über die Züge des Kranken. Denn
strich er mit der Hand über die Bettdecke, als wolle er zum Nachdenken Zeit
gewinnen, vielleicht mich zum ^erstellen.

Mit Lächeln sagte er darauf: Also dir zuliebe soll ich trinken? Und er
streckte die Hand nach dem Glase ans.

Sie gab es ihm, und er führte es langsam, langsam an die Lippen, indem
er die verdächtige Überbringerin dieser verdächtigen Mixtur nicht ans den
Augen ließ.

Giaeinta schaute freundlich aufmunternd zu, indem sie gleichzeitig die Linie
fest zusammenkniff, um aus derselben nicht vorzeitig das darin verwahrte Ring-
lein entgleiten zu lassen. Sie meinte ihn gesund blicken zu können, so ganz
lag ihr volles, übervolles Herz in ihren Augen. Wie gern hätte sie ihr Leben
für ihn hingegeben!

Das Gegenteil war es, was der Kranke ans den selbst bei ihrer freund¬
lichsten Miene doch noch verhalten dämonischen Zügen der Botin Antonio
Marias herauslas und herauslesen mußte. Und so, ohne getrunken zu haben,
sagte er plötzlich: Kredenze mir's. Und er setzte das Glas von den Lippen ab,
um es ihr hinzureichen.

O Eeeelleuza, stotterte Giaeinta, demütig die Ehre ablehnend.

Hier nimm!

Ihr wollt es?

Sie griff mit zitternder Hand nach dem Glase.

Ich will es.


Um eine Perle.

Das schwarze Lockengeringel um ihre Stirn und ihre scheu seinem Blick
ausweichenden Augen, dazu das mit weißlichem Inhalte gefüllte Glas in ihrer
Hand — der Kranke wußte uicht, ob ein Traumgesicht ihn recke, oder ob eines
jener Geschöpfe vor ihm stehe, die, wie es hieß, den Zwecken Vitnlianos dienten.

Ich kenne dich nicht, sagte er ungütig; in wessen Auftrag bist du hier?

In niemandes Auftrag, Eeeelleuza.

So? Und was öffnete dir die Thür meines Gefängnisses?

Ihr seid in keinem Gefängnisse, Eeeelleuza, wollte Gineinta ihn besänftigen;
werdet nur erst gesund; gewiß, man denkt nicht daran, Euch festzuhalten,
Eecellenza.

Giuseppe lächelte bitter.

Ist denn Ubidia abgesetzt? fragte er, sollst du an ihre Stelle treten? Was
hat die ganze Veranstaltung zu bedeuten?

Ich weiß nicht, von wem Ihr redet, Eeecllenza. Ich heiße Giaeinta, und
ich möchte —

Nun?

Ihr sollt aber erst trinken, hat Antonio Maria gesagt. Sie wollte ihm
das Glas reichen.

Antonio Maria? fragte Giuseppe; in seinem Gedächtnisse tauchte zum
erstenmale wieder der Name des dnrch Ambrogio Pellegrini empfohlenen Mannes
auf, dessen grüne Aufschläge ihn dann aber verdächtig gemacht hatten.

Es würde Euch die Aufregung sonst schaden können, Eeecllenza, erklärte
sich Giaeinta deutlicher; so habe es der Dottore ausdrücklich vorgeschrieben, hat
mir Antonio Maria gesagt. Trinkt, Eeeelleuza. Nur fünf Minuten darf ich
hier bei Euch sein, und ich habe Euch noch allerlei zu sagen. Trinkt, gute
Eeecllenza, trinkt, mir zuliebe.

Ein Schatten tiefen Abscheues glitt über die Züge des Kranken. Denn
strich er mit der Hand über die Bettdecke, als wolle er zum Nachdenken Zeit
gewinnen, vielleicht mich zum ^erstellen.

Mit Lächeln sagte er darauf: Also dir zuliebe soll ich trinken? Und er
streckte die Hand nach dem Glase ans.

Sie gab es ihm, und er führte es langsam, langsam an die Lippen, indem
er die verdächtige Überbringerin dieser verdächtigen Mixtur nicht ans den
Augen ließ.

Giaeinta schaute freundlich aufmunternd zu, indem sie gleichzeitig die Linie
fest zusammenkniff, um aus derselben nicht vorzeitig das darin verwahrte Ring-
lein entgleiten zu lassen. Sie meinte ihn gesund blicken zu können, so ganz
lag ihr volles, übervolles Herz in ihren Augen. Wie gern hätte sie ihr Leben
für ihn hingegeben!

Das Gegenteil war es, was der Kranke ans den selbst bei ihrer freund¬
lichsten Miene doch noch verhalten dämonischen Zügen der Botin Antonio
Marias herauslas und herauslesen mußte. Und so, ohne getrunken zu haben,
sagte er plötzlich: Kredenze mir's. Und er setzte das Glas von den Lippen ab,
um es ihr hinzureichen.

O Eeeelleuza, stotterte Giaeinta, demütig die Ehre ablehnend.

Hier nimm!

Ihr wollt es?

Sie griff mit zitternder Hand nach dem Glase.

Ich will es.


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[0098] Um eine Perle. Das schwarze Lockengeringel um ihre Stirn und ihre scheu seinem Blick ausweichenden Augen, dazu das mit weißlichem Inhalte gefüllte Glas in ihrer Hand — der Kranke wußte uicht, ob ein Traumgesicht ihn recke, oder ob eines jener Geschöpfe vor ihm stehe, die, wie es hieß, den Zwecken Vitnlianos dienten. Ich kenne dich nicht, sagte er ungütig; in wessen Auftrag bist du hier? In niemandes Auftrag, Eeeelleuza. So? Und was öffnete dir die Thür meines Gefängnisses? Ihr seid in keinem Gefängnisse, Eeeelleuza, wollte Gineinta ihn besänftigen; werdet nur erst gesund; gewiß, man denkt nicht daran, Euch festzuhalten, Eecellenza. Giuseppe lächelte bitter. Ist denn Ubidia abgesetzt? fragte er, sollst du an ihre Stelle treten? Was hat die ganze Veranstaltung zu bedeuten? Ich weiß nicht, von wem Ihr redet, Eeecllenza. Ich heiße Giaeinta, und ich möchte — Nun? Ihr sollt aber erst trinken, hat Antonio Maria gesagt. Sie wollte ihm das Glas reichen. Antonio Maria? fragte Giuseppe; in seinem Gedächtnisse tauchte zum erstenmale wieder der Name des dnrch Ambrogio Pellegrini empfohlenen Mannes auf, dessen grüne Aufschläge ihn dann aber verdächtig gemacht hatten. Es würde Euch die Aufregung sonst schaden können, Eeecllenza, erklärte sich Giaeinta deutlicher; so habe es der Dottore ausdrücklich vorgeschrieben, hat mir Antonio Maria gesagt. Trinkt, Eeeelleuza. Nur fünf Minuten darf ich hier bei Euch sein, und ich habe Euch noch allerlei zu sagen. Trinkt, gute Eeecllenza, trinkt, mir zuliebe. Ein Schatten tiefen Abscheues glitt über die Züge des Kranken. Denn strich er mit der Hand über die Bettdecke, als wolle er zum Nachdenken Zeit gewinnen, vielleicht mich zum ^erstellen. Mit Lächeln sagte er darauf: Also dir zuliebe soll ich trinken? Und er streckte die Hand nach dem Glase ans. Sie gab es ihm, und er führte es langsam, langsam an die Lippen, indem er die verdächtige Überbringerin dieser verdächtigen Mixtur nicht ans den Augen ließ. Giaeinta schaute freundlich aufmunternd zu, indem sie gleichzeitig die Linie fest zusammenkniff, um aus derselben nicht vorzeitig das darin verwahrte Ring- lein entgleiten zu lassen. Sie meinte ihn gesund blicken zu können, so ganz lag ihr volles, übervolles Herz in ihren Augen. Wie gern hätte sie ihr Leben für ihn hingegeben! Das Gegenteil war es, was der Kranke ans den selbst bei ihrer freund¬ lichsten Miene doch noch verhalten dämonischen Zügen der Botin Antonio Marias herauslas und herauslesen mußte. Und so, ohne getrunken zu haben, sagte er plötzlich: Kredenze mir's. Und er setzte das Glas von den Lippen ab, um es ihr hinzureichen. O Eeeelleuza, stotterte Giaeinta, demütig die Ehre ablehnend. Hier nimm! Ihr wollt es? Sie griff mit zitternder Hand nach dem Glase. Ich will es.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/98>, abgerufen am 21.05.2024.