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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Zur WÄHnmgsfrage,

wenn der deutsche Käufer nicht 16, sondern 34 Mark aufbringen müßte? Wenn
die deutsche Mark im Werte so tief sänke, daß ihrer 3 für den russischen Rubel
bezahlt werden müßten, so wäre die Folge davon bei uns im Inlands eine
Steigerung der Preise um die Hälfte, von 2 Mark auf 3 Mark, Der Weizen,
den der deutsche Bauer jetzt zu 18 Mark für 100 Kilogramm verkauft, den
könnte er später, um uicht schlechter zu fahren, nur zu 27 Mark abgeben. Aus
eben demselben Grunde würde der deutsche Hänoler bei so veränderten Geld¬
verhältnissen mit demselben Nutzen für sich statt der 16 alten Mark jetzt 24
neue in Odessa für den russischen Weizen zahlen und ihn mit Nutzen nach
Deutschland einführen können." Also der Import fremden Getreides geht bei
schlechterer Valuta ungehemmt weiter. Denn daß bei uns bei schlechterer Valuta
die Löhne z. B. der landwirtschaftlichen Arbeiter nicht steigen würden, meint
doch wohl niemand. Wenigstens wird es niemand wünschen, der für die soziale
Lage der Lohnarbeiter ein Herz hat. Der Herr Minister von Scholz hat wieder
Recht, daß, "wenn wir mit Indien dieselbe Währung hätten, bei der Vervoll¬
kommnung der Straßen und Eisenbahnen der indische Weizen nach wie vor mit
unserm Weizen konkurriren könnte." Es wäre daher mit einer Verschlechterung
unsers Geldes, sei es durch Vermehrung des Silbers oder Papiergeldes, den
Landwirten garnicht oder doch nur so lange gedient, bis die Löhne und die
sonstigen Preise entsprechend in die Höhe gegangen wären.

Es ist zu bedauern, daß naheliegende Wünsche und Ansprüche der Ge-
treideprvdnzenteu die Vorstellung geweckt haben, als wäre nicht die Wcltkon-
kurrenz, sondern die Währung Schuld an einem so betrübenden Druck auf die
eine Hälfte unsrer Mitbürger. Vielleicht ist aber dieser natürliche Gedanken¬
gang noch zu bessern Zielen zu lenken. Es sei wenigstens erlaubt, darüber
schließlich einige Andeutungen zu machen.

Einmal ist es keine Abweichung von dem richtigen Gange der Müuzpolitik,
wenn in wirklichen Notständen, falls es an lohnender Arbeit vorübergehend
fehlt, der Staat durch " Darlehuskassenscheine" nach früherer Praxis in die
Dinge eingreift.

Sodann ist es zwar unsinnig, gegen das Kapital im allgemeinen zu eifern;
aber das Kapital ist in Börsen ?e. jetzt so organisirt, daß es die nicht organi-
sirten Kreise der Produzenten. namentlich die der zerstreut wohnenden Landwirte
und Grundbesitzer, regelmäßig in den Preisen unterbietet. Es ist eine betrübende
Erscheinung, daß die Preise nicht wirtlich durch Angebot und Nachfrage regulirt
werden, sondern durch die Meinung des jedesmal mächtigste" Kapitalbuudes,
der in seinen Herabsetzungen des Preises dem Konsumenten scheinbar eine Wohl¬
that erweist, während er dem Proouzcnten und den von ihm abhängigen den
Ruin bereitet. Wenn die Produzenten dagegen sich nicht zusammenschließen und
ihre direkte Verbindung mit den wirklichen Konsumenten kräftigen, so wie es
manche Großindustrielle schon thun, auch die Znckerprvdnzenten erstreben, so ist


Gnmzlwtni I. i.836. 44
Zur WÄHnmgsfrage,

wenn der deutsche Käufer nicht 16, sondern 34 Mark aufbringen müßte? Wenn
die deutsche Mark im Werte so tief sänke, daß ihrer 3 für den russischen Rubel
bezahlt werden müßten, so wäre die Folge davon bei uns im Inlands eine
Steigerung der Preise um die Hälfte, von 2 Mark auf 3 Mark, Der Weizen,
den der deutsche Bauer jetzt zu 18 Mark für 100 Kilogramm verkauft, den
könnte er später, um uicht schlechter zu fahren, nur zu 27 Mark abgeben. Aus
eben demselben Grunde würde der deutsche Hänoler bei so veränderten Geld¬
verhältnissen mit demselben Nutzen für sich statt der 16 alten Mark jetzt 24
neue in Odessa für den russischen Weizen zahlen und ihn mit Nutzen nach
Deutschland einführen können." Also der Import fremden Getreides geht bei
schlechterer Valuta ungehemmt weiter. Denn daß bei uns bei schlechterer Valuta
die Löhne z. B. der landwirtschaftlichen Arbeiter nicht steigen würden, meint
doch wohl niemand. Wenigstens wird es niemand wünschen, der für die soziale
Lage der Lohnarbeiter ein Herz hat. Der Herr Minister von Scholz hat wieder
Recht, daß, „wenn wir mit Indien dieselbe Währung hätten, bei der Vervoll¬
kommnung der Straßen und Eisenbahnen der indische Weizen nach wie vor mit
unserm Weizen konkurriren könnte." Es wäre daher mit einer Verschlechterung
unsers Geldes, sei es durch Vermehrung des Silbers oder Papiergeldes, den
Landwirten garnicht oder doch nur so lange gedient, bis die Löhne und die
sonstigen Preise entsprechend in die Höhe gegangen wären.

Es ist zu bedauern, daß naheliegende Wünsche und Ansprüche der Ge-
treideprvdnzenteu die Vorstellung geweckt haben, als wäre nicht die Wcltkon-
kurrenz, sondern die Währung Schuld an einem so betrübenden Druck auf die
eine Hälfte unsrer Mitbürger. Vielleicht ist aber dieser natürliche Gedanken¬
gang noch zu bessern Zielen zu lenken. Es sei wenigstens erlaubt, darüber
schließlich einige Andeutungen zu machen.

Einmal ist es keine Abweichung von dem richtigen Gange der Müuzpolitik,
wenn in wirklichen Notständen, falls es an lohnender Arbeit vorübergehend
fehlt, der Staat durch „ Darlehuskassenscheine" nach früherer Praxis in die
Dinge eingreift.

Sodann ist es zwar unsinnig, gegen das Kapital im allgemeinen zu eifern;
aber das Kapital ist in Börsen ?e. jetzt so organisirt, daß es die nicht organi-
sirten Kreise der Produzenten. namentlich die der zerstreut wohnenden Landwirte
und Grundbesitzer, regelmäßig in den Preisen unterbietet. Es ist eine betrübende
Erscheinung, daß die Preise nicht wirtlich durch Angebot und Nachfrage regulirt
werden, sondern durch die Meinung des jedesmal mächtigste» Kapitalbuudes,
der in seinen Herabsetzungen des Preises dem Konsumenten scheinbar eine Wohl¬
that erweist, während er dem Proouzcnten und den von ihm abhängigen den
Ruin bereitet. Wenn die Produzenten dagegen sich nicht zusammenschließen und
ihre direkte Verbindung mit den wirklichen Konsumenten kräftigen, so wie es
manche Großindustrielle schon thun, auch die Znckerprvdnzenten erstreben, so ist


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[0353] Zur WÄHnmgsfrage, wenn der deutsche Käufer nicht 16, sondern 34 Mark aufbringen müßte? Wenn die deutsche Mark im Werte so tief sänke, daß ihrer 3 für den russischen Rubel bezahlt werden müßten, so wäre die Folge davon bei uns im Inlands eine Steigerung der Preise um die Hälfte, von 2 Mark auf 3 Mark, Der Weizen, den der deutsche Bauer jetzt zu 18 Mark für 100 Kilogramm verkauft, den könnte er später, um uicht schlechter zu fahren, nur zu 27 Mark abgeben. Aus eben demselben Grunde würde der deutsche Hänoler bei so veränderten Geld¬ verhältnissen mit demselben Nutzen für sich statt der 16 alten Mark jetzt 24 neue in Odessa für den russischen Weizen zahlen und ihn mit Nutzen nach Deutschland einführen können." Also der Import fremden Getreides geht bei schlechterer Valuta ungehemmt weiter. Denn daß bei uns bei schlechterer Valuta die Löhne z. B. der landwirtschaftlichen Arbeiter nicht steigen würden, meint doch wohl niemand. Wenigstens wird es niemand wünschen, der für die soziale Lage der Lohnarbeiter ein Herz hat. Der Herr Minister von Scholz hat wieder Recht, daß, „wenn wir mit Indien dieselbe Währung hätten, bei der Vervoll¬ kommnung der Straßen und Eisenbahnen der indische Weizen nach wie vor mit unserm Weizen konkurriren könnte." Es wäre daher mit einer Verschlechterung unsers Geldes, sei es durch Vermehrung des Silbers oder Papiergeldes, den Landwirten garnicht oder doch nur so lange gedient, bis die Löhne und die sonstigen Preise entsprechend in die Höhe gegangen wären. Es ist zu bedauern, daß naheliegende Wünsche und Ansprüche der Ge- treideprvdnzenteu die Vorstellung geweckt haben, als wäre nicht die Wcltkon- kurrenz, sondern die Währung Schuld an einem so betrübenden Druck auf die eine Hälfte unsrer Mitbürger. Vielleicht ist aber dieser natürliche Gedanken¬ gang noch zu bessern Zielen zu lenken. Es sei wenigstens erlaubt, darüber schließlich einige Andeutungen zu machen. Einmal ist es keine Abweichung von dem richtigen Gange der Müuzpolitik, wenn in wirklichen Notständen, falls es an lohnender Arbeit vorübergehend fehlt, der Staat durch „ Darlehuskassenscheine" nach früherer Praxis in die Dinge eingreift. Sodann ist es zwar unsinnig, gegen das Kapital im allgemeinen zu eifern; aber das Kapital ist in Börsen ?e. jetzt so organisirt, daß es die nicht organi- sirten Kreise der Produzenten. namentlich die der zerstreut wohnenden Landwirte und Grundbesitzer, regelmäßig in den Preisen unterbietet. Es ist eine betrübende Erscheinung, daß die Preise nicht wirtlich durch Angebot und Nachfrage regulirt werden, sondern durch die Meinung des jedesmal mächtigste» Kapitalbuudes, der in seinen Herabsetzungen des Preises dem Konsumenten scheinbar eine Wohl¬ that erweist, während er dem Proouzcnten und den von ihm abhängigen den Ruin bereitet. Wenn die Produzenten dagegen sich nicht zusammenschließen und ihre direkte Verbindung mit den wirklichen Konsumenten kräftigen, so wie es manche Großindustrielle schon thun, auch die Znckerprvdnzenten erstreben, so ist Gnmzlwtni I. i.836. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/353>, abgerufen am 10.06.2024.