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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Der Bukarester Friede.

üblich ist das in den letzten sechs Monaten vielbesprochene Stück
des südöstlichen Europas, welches gewöhnlich als die Valkan-
halbinsel bezeichnet wird, förmlich und thatsächlich wieder in den
Zustand der Nuhe zurückgekehrt, nachdem es der Diplomatie der
Großmächte schwere Mühe und Not gemacht und deu Börsen
manche ängstliche Stunde gebracht hatte. Der in vorletzter Woche unterzeichnete
Friede von Bukarest ist so kurz und bündig ausgefallen, daß er in dieser Be¬
ziehung in der Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts einzig dasteht; denn er
besteht im wesentlichen aus einem einzigen Paragraphen, und dieser zählt im
Original nur vierundzwauzig Worte, die einfach erklären, daß zwischen dem
Königreiche Serbien und dem Fürstentume Bulgarien der Friede wiederhergestellt
sei. Selbst die Phrase, daß die beiden kriegführenden Parteien wieder in freund¬
schaftliche Beziehungen zu einander getreten seien, blieb daraus weg, Sie war
von der Pforte, die als suzercine Macht an der Seite des bulgarischen Bevoll¬
mächtigten mitwirkte, vorgeschlagen und von dem Fürsten Alexander bereitwillig
angenommen worden, König Milan aber hatte sich geweigert, sie in das Dokument
setzen zu lassen, das infolge dessen nichts als die formelle Anerkennung der
Thatsache ist, daß zwei kleine Kampfhähne ihre Stahlsporen abgeschnallt haben.
Wir dürfen daraus mit Fug schließen, daß der Hof und das Kabinet von
Belgrad, obwohl sie, dem Andringen der Großmächte notgedrungen nachgebend,
in den Frieden willigen, noch immer von den feindseligen Gesinnungen beseelt
sind, die sie zum Einbruche in das Gebiet des verwandten Nachbars bewogen,
und daß sie sich noch nicht von dem Verdrusse erholt haben, der ihnen eine
Reihe von Niederlagen verursachte, welche ihnen falsche Auffassung des Gegners
und militärische Mißgriffe zuzogen. Fürst Alexander hat -- das müssen ihm


Grenzboten I. 188". t!7


Der Bukarester Friede.

üblich ist das in den letzten sechs Monaten vielbesprochene Stück
des südöstlichen Europas, welches gewöhnlich als die Valkan-
halbinsel bezeichnet wird, förmlich und thatsächlich wieder in den
Zustand der Nuhe zurückgekehrt, nachdem es der Diplomatie der
Großmächte schwere Mühe und Not gemacht und deu Börsen
manche ängstliche Stunde gebracht hatte. Der in vorletzter Woche unterzeichnete
Friede von Bukarest ist so kurz und bündig ausgefallen, daß er in dieser Be¬
ziehung in der Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts einzig dasteht; denn er
besteht im wesentlichen aus einem einzigen Paragraphen, und dieser zählt im
Original nur vierundzwauzig Worte, die einfach erklären, daß zwischen dem
Königreiche Serbien und dem Fürstentume Bulgarien der Friede wiederhergestellt
sei. Selbst die Phrase, daß die beiden kriegführenden Parteien wieder in freund¬
schaftliche Beziehungen zu einander getreten seien, blieb daraus weg, Sie war
von der Pforte, die als suzercine Macht an der Seite des bulgarischen Bevoll¬
mächtigten mitwirkte, vorgeschlagen und von dem Fürsten Alexander bereitwillig
angenommen worden, König Milan aber hatte sich geweigert, sie in das Dokument
setzen zu lassen, das infolge dessen nichts als die formelle Anerkennung der
Thatsache ist, daß zwei kleine Kampfhähne ihre Stahlsporen abgeschnallt haben.
Wir dürfen daraus mit Fug schließen, daß der Hof und das Kabinet von
Belgrad, obwohl sie, dem Andringen der Großmächte notgedrungen nachgebend,
in den Frieden willigen, noch immer von den feindseligen Gesinnungen beseelt
sind, die sie zum Einbruche in das Gebiet des verwandten Nachbars bewogen,
und daß sie sich noch nicht von dem Verdrusse erholt haben, der ihnen eine
Reihe von Niederlagen verursachte, welche ihnen falsche Auffassung des Gegners
und militärische Mißgriffe zuzogen. Fürst Alexander hat — das müssen ihm


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[0537] [Abbildung] Der Bukarester Friede. üblich ist das in den letzten sechs Monaten vielbesprochene Stück des südöstlichen Europas, welches gewöhnlich als die Valkan- halbinsel bezeichnet wird, förmlich und thatsächlich wieder in den Zustand der Nuhe zurückgekehrt, nachdem es der Diplomatie der Großmächte schwere Mühe und Not gemacht und deu Börsen manche ängstliche Stunde gebracht hatte. Der in vorletzter Woche unterzeichnete Friede von Bukarest ist so kurz und bündig ausgefallen, daß er in dieser Be¬ ziehung in der Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts einzig dasteht; denn er besteht im wesentlichen aus einem einzigen Paragraphen, und dieser zählt im Original nur vierundzwauzig Worte, die einfach erklären, daß zwischen dem Königreiche Serbien und dem Fürstentume Bulgarien der Friede wiederhergestellt sei. Selbst die Phrase, daß die beiden kriegführenden Parteien wieder in freund¬ schaftliche Beziehungen zu einander getreten seien, blieb daraus weg, Sie war von der Pforte, die als suzercine Macht an der Seite des bulgarischen Bevoll¬ mächtigten mitwirkte, vorgeschlagen und von dem Fürsten Alexander bereitwillig angenommen worden, König Milan aber hatte sich geweigert, sie in das Dokument setzen zu lassen, das infolge dessen nichts als die formelle Anerkennung der Thatsache ist, daß zwei kleine Kampfhähne ihre Stahlsporen abgeschnallt haben. Wir dürfen daraus mit Fug schließen, daß der Hof und das Kabinet von Belgrad, obwohl sie, dem Andringen der Großmächte notgedrungen nachgebend, in den Frieden willigen, noch immer von den feindseligen Gesinnungen beseelt sind, die sie zum Einbruche in das Gebiet des verwandten Nachbars bewogen, und daß sie sich noch nicht von dem Verdrusse erholt haben, der ihnen eine Reihe von Niederlagen verursachte, welche ihnen falsche Auffassung des Gegners und militärische Mißgriffe zuzogen. Fürst Alexander hat — das müssen ihm Grenzboten I. 188«. t!7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/537>, abgerufen am 10.06.2024.