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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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polentum und Deutschtum in der Provinz Posen.

daß er dem Einfluß der pollüschen Kirche, wie wir sie hier nennen wollen,
direkt oder indirekt unterliegen könnte, und daß man ferner alle Diener des
preußischen Staates in der Zivilverwaltuug bis zum Unterbeamten herunter,
sowie die dem militärischen Dienstzwange unterliegenden Staatsangehörigen, die
innerhalb der polnischen Landesteile dem fortgesetzten Druck und den Versuchungen
der Agitation unterliegen, nach solchen Landesteilen verpflanzen muß, in denen
ein derartiger Einfluß, auch auf kirchlichem Gebiete, vollkommen ausgeschlossen ist.

Es tritt bei diesen Beamten gewöhnlich eine Art Absonderung und die
Pflege von gesellschaftlichen Verbindungen ein, die mindestens nicht im Interesse
des preußischen Beamtentums und der deutschen Gesellschaft liegen; eine gewisse
wohlwollende Behandlung, eine gewisse Rücksicht, die zwar nichts Verbotenes
enthält, aber immerhin besser unterbliebe, ist die weitere Folge; deutsche Elemente,
aus denen sich, wenn auch erst in zweiter Generation, auf religiöser Grundlage
politische Konvertiten machen lassen, ziehen die Polen mit aller ihnen zu Gebote
stehenden persönlichen Liebenswürdigkeit an sich heran. Es ist leider Thatsache,
daß eine große Anzahl polnischer Familien der niedern und mittlern Stände
mit urdeutschen Namen die unmittelbaren Nachkommen preußischer Unter-
becnntcn sind.

Daß keine Rekruten, die dem Einfluß der polnischen Kirche unterliegen
könnten, den pvsenschen Regimentern überwiesen werden sollten, ist bereits
wiederholt in der Presse angedeutet worden. Dadurch, daß man von diesem
früher bewährten Verfahren abgegangen ist, ist doppelter Schade entstanden.
Die polnischen Rekruten, die in pvsenschen Regimentern dienen, zum Teil in un¬
mittelbarer Nähe ihres Aushebungsortes, bleiben in fortgesetzter Verbindung mit
ihrer polnischen Familie, in ihrem Garnisouorte erfreuen sie sich nur polnischer
Bekanntschaften, auch weiblicher, und lernen infolgedessen unendlich viel weniger
Deutsch als früher, wo polnische Rekruten nur in ganz deutsche Provinzen ein¬
gestellt wurden. Für diese Thatsache liegt der unwiderlegbare Beweis darin,
daß die alten gedienten Leute des polnischen Bauern- und Arbeiterstandes noch
gegenwärtig besser Deutsch verstehe" und sprechen, als eben von der Truppe
entlassene Reserven. Diese schon vielfach beobachtete Erscheinung ist irrtümlich
auf den früher angeblich bessern dentschen Schulunterricht geschoben worden, hat
aber thatsächlich ihren Grund in der verschiednen frühern Garuisouirung der
Leute. Polnische Rekruten, die indes in deutschen Garnisonen eingestellt wurden,
knüpften dort häufig auch Verbindungen an, die sie nach ihrer Entlastung in
ihrem Garuisonorte oder dessen Umgebung als Handwerker oder Arbeiter fest¬
hielten und so dauernd dem Polentum entzogen.

Die gleichen Gründe, die für obige Änderungen im Verwaltungswege
sprechen, lassen es aber auch entschieden erwünscht erscheine", alle diejenigen
öffentlichen Anstalten, welche von polnischen Zöglingen besucht werden, nur in
rein deutschen Kreisen, wenn nicht gar außerhalb der Provinz zu begründen.


polentum und Deutschtum in der Provinz Posen.

daß er dem Einfluß der pollüschen Kirche, wie wir sie hier nennen wollen,
direkt oder indirekt unterliegen könnte, und daß man ferner alle Diener des
preußischen Staates in der Zivilverwaltuug bis zum Unterbeamten herunter,
sowie die dem militärischen Dienstzwange unterliegenden Staatsangehörigen, die
innerhalb der polnischen Landesteile dem fortgesetzten Druck und den Versuchungen
der Agitation unterliegen, nach solchen Landesteilen verpflanzen muß, in denen
ein derartiger Einfluß, auch auf kirchlichem Gebiete, vollkommen ausgeschlossen ist.

Es tritt bei diesen Beamten gewöhnlich eine Art Absonderung und die
Pflege von gesellschaftlichen Verbindungen ein, die mindestens nicht im Interesse
des preußischen Beamtentums und der deutschen Gesellschaft liegen; eine gewisse
wohlwollende Behandlung, eine gewisse Rücksicht, die zwar nichts Verbotenes
enthält, aber immerhin besser unterbliebe, ist die weitere Folge; deutsche Elemente,
aus denen sich, wenn auch erst in zweiter Generation, auf religiöser Grundlage
politische Konvertiten machen lassen, ziehen die Polen mit aller ihnen zu Gebote
stehenden persönlichen Liebenswürdigkeit an sich heran. Es ist leider Thatsache,
daß eine große Anzahl polnischer Familien der niedern und mittlern Stände
mit urdeutschen Namen die unmittelbaren Nachkommen preußischer Unter-
becnntcn sind.

Daß keine Rekruten, die dem Einfluß der polnischen Kirche unterliegen
könnten, den pvsenschen Regimentern überwiesen werden sollten, ist bereits
wiederholt in der Presse angedeutet worden. Dadurch, daß man von diesem
früher bewährten Verfahren abgegangen ist, ist doppelter Schade entstanden.
Die polnischen Rekruten, die in pvsenschen Regimentern dienen, zum Teil in un¬
mittelbarer Nähe ihres Aushebungsortes, bleiben in fortgesetzter Verbindung mit
ihrer polnischen Familie, in ihrem Garnisouorte erfreuen sie sich nur polnischer
Bekanntschaften, auch weiblicher, und lernen infolgedessen unendlich viel weniger
Deutsch als früher, wo polnische Rekruten nur in ganz deutsche Provinzen ein¬
gestellt wurden. Für diese Thatsache liegt der unwiderlegbare Beweis darin,
daß die alten gedienten Leute des polnischen Bauern- und Arbeiterstandes noch
gegenwärtig besser Deutsch verstehe» und sprechen, als eben von der Truppe
entlassene Reserven. Diese schon vielfach beobachtete Erscheinung ist irrtümlich
auf den früher angeblich bessern dentschen Schulunterricht geschoben worden, hat
aber thatsächlich ihren Grund in der verschiednen frühern Garuisouirung der
Leute. Polnische Rekruten, die indes in deutschen Garnisonen eingestellt wurden,
knüpften dort häufig auch Verbindungen an, die sie nach ihrer Entlastung in
ihrem Garuisonorte oder dessen Umgebung als Handwerker oder Arbeiter fest¬
hielten und so dauernd dem Polentum entzogen.

Die gleichen Gründe, die für obige Änderungen im Verwaltungswege
sprechen, lassen es aber auch entschieden erwünscht erscheine», alle diejenigen
öffentlichen Anstalten, welche von polnischen Zöglingen besucht werden, nur in
rein deutschen Kreisen, wenn nicht gar außerhalb der Provinz zu begründen.


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[0450] polentum und Deutschtum in der Provinz Posen. daß er dem Einfluß der pollüschen Kirche, wie wir sie hier nennen wollen, direkt oder indirekt unterliegen könnte, und daß man ferner alle Diener des preußischen Staates in der Zivilverwaltuug bis zum Unterbeamten herunter, sowie die dem militärischen Dienstzwange unterliegenden Staatsangehörigen, die innerhalb der polnischen Landesteile dem fortgesetzten Druck und den Versuchungen der Agitation unterliegen, nach solchen Landesteilen verpflanzen muß, in denen ein derartiger Einfluß, auch auf kirchlichem Gebiete, vollkommen ausgeschlossen ist. Es tritt bei diesen Beamten gewöhnlich eine Art Absonderung und die Pflege von gesellschaftlichen Verbindungen ein, die mindestens nicht im Interesse des preußischen Beamtentums und der deutschen Gesellschaft liegen; eine gewisse wohlwollende Behandlung, eine gewisse Rücksicht, die zwar nichts Verbotenes enthält, aber immerhin besser unterbliebe, ist die weitere Folge; deutsche Elemente, aus denen sich, wenn auch erst in zweiter Generation, auf religiöser Grundlage politische Konvertiten machen lassen, ziehen die Polen mit aller ihnen zu Gebote stehenden persönlichen Liebenswürdigkeit an sich heran. Es ist leider Thatsache, daß eine große Anzahl polnischer Familien der niedern und mittlern Stände mit urdeutschen Namen die unmittelbaren Nachkommen preußischer Unter- becnntcn sind. Daß keine Rekruten, die dem Einfluß der polnischen Kirche unterliegen könnten, den pvsenschen Regimentern überwiesen werden sollten, ist bereits wiederholt in der Presse angedeutet worden. Dadurch, daß man von diesem früher bewährten Verfahren abgegangen ist, ist doppelter Schade entstanden. Die polnischen Rekruten, die in pvsenschen Regimentern dienen, zum Teil in un¬ mittelbarer Nähe ihres Aushebungsortes, bleiben in fortgesetzter Verbindung mit ihrer polnischen Familie, in ihrem Garnisouorte erfreuen sie sich nur polnischer Bekanntschaften, auch weiblicher, und lernen infolgedessen unendlich viel weniger Deutsch als früher, wo polnische Rekruten nur in ganz deutsche Provinzen ein¬ gestellt wurden. Für diese Thatsache liegt der unwiderlegbare Beweis darin, daß die alten gedienten Leute des polnischen Bauern- und Arbeiterstandes noch gegenwärtig besser Deutsch verstehe» und sprechen, als eben von der Truppe entlassene Reserven. Diese schon vielfach beobachtete Erscheinung ist irrtümlich auf den früher angeblich bessern dentschen Schulunterricht geschoben worden, hat aber thatsächlich ihren Grund in der verschiednen frühern Garuisouirung der Leute. Polnische Rekruten, die indes in deutschen Garnisonen eingestellt wurden, knüpften dort häufig auch Verbindungen an, die sie nach ihrer Entlastung in ihrem Garuisonorte oder dessen Umgebung als Handwerker oder Arbeiter fest¬ hielten und so dauernd dem Polentum entzogen. Die gleichen Gründe, die für obige Änderungen im Verwaltungswege sprechen, lassen es aber auch entschieden erwünscht erscheine», alle diejenigen öffentlichen Anstalten, welche von polnischen Zöglingen besucht werden, nur in rein deutschen Kreisen, wenn nicht gar außerhalb der Provinz zu begründen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/450>, abgerufen am 22.05.2024.