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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Ans der Chronik derer von Riffelshausen.

unter Aussprüchen wie: El, daß dich doch gleich! und Ncirrenspossen! in die
nötigen Kleidungsstücke, um uach dem Urheber dieses nächtlichen Lärmes zu
forschen.

Der Teufel auch, Herr Referendar, was treibt Sie denn her zu einer
Stunde, wo vernünftige Christenmenschen im Bette liegen?

Der also angerufene trat an dem Alten vorbei ins Haus, ohne sein un¬
gebührliches Betragen zu entschuldigen.

Na na! brummte der Schmidt, als der junge Herr in Baron Georgs
Zimmer verschwand, nachgerade wird mir's doch zu bunt! So was hab' ich
doch mein Tage nicht erlebt! Der Baron Valer könnten wohl auch bis um
sechs warten, aus Leben wird's ja noch nicht gehen!

Da aber eben Baron Valer andrer Meinung gewesen war, mußte sich der
Schmidt in das Geschehene fügen.

Früh, als die ersten Vögel an den Fenstern sangen, erschien Tante Cäcilie
in gestickter Haube und großkarrirtem MvrgenKeide in der Küche, wo Mathilde
die Kaffeebohnen aus der Blechbüchse nahm. Mathilde sah ganz sonnig aus,
frisch und freudig wie lauter Frühling; Tante Cäcilie aber teilte diese Freudig¬
keit durchaus nicht.

Wer ist heute Nacht gekommen, Mathilde?

Ich weiß es nicht, liebe Tante; es wird wohl der Onkel gewesen sein.

Wie soll denn der nach ein Uhr von Nummelshausen kommen? Denke doch
ein wenig nach, ehe du sprichst.

Fräulein Cäcilie ergriff den Schlüffelkorb und eilte durch den Flur uach
ihres Bruders Zimmer, wo sie zu ihrer nicht geringen Verwunderung den Neffen
Valer stehen sah.

Der junge Herr erwiederte kurz ihren Gruß und ging nach der Thür;
aber der Baron, der seine Schwester zum Sitzen eingeladen hatte, rief ihn
zurück.

Einige Augenblicke, lieber Junge, sagte er in seiner leisen und höflichen
Sprechweise; aber Cäcilie kannte ihn zu lange, um uicht sofort zu sehen, daß
zwischen ihm und dem Neffen etwas vorgefallen war. Sie war trotzdem nicht
neugierig, sondern nahm gleichgiltig ans dem Sessel Platz, den sie zuvor mit
dem Taschentuch abgestäubt hatte.

Möchtest du nicht die Tante von deinem Vorhaben in Kenntnis setzen?
fragte Georg.

Vorhaben? fuhr Cäcilie auf, und da ist noch die Frage, ob ich es wissen
soll? Nachts um zwölf Uhr angekommen, nicht geschlafen und sechs Stunden
mit dem Onkel konferirt, und nun am liebsten gleich fortgestürmt? Dn bist mir
ein schöner Junge! Und dabei sieht er aus! Bürste dir wenigstens das Haar
etwas aus der Stirn!

Valerian zuckte die Achseln und küßte der Tante die Hand.

Erlaube mir, soweit es möglich ist, mich zu entschuldigen, verchrteste Tante.
Ich kann dir versichern, daß ich nur in Berücksichtigung deiner Gemütsruhe mit
meiner Beichte gezögert habe. Du weißt, daß ich ein aufmerksamer, ein in jeder
Weise musterhafter Neffe bin.

Er brach ab und sah zu Boden; es wollte mit dem scherzenden Tone doch
uicht so recht gehen.

Tante Cäcilie schüttelte den Kopf. Nun, mache nicht einen langen Brei um
die Geschichte, Junge, sondern heraus damit! Ich habe mein Lebtage so ein


Ans der Chronik derer von Riffelshausen.

unter Aussprüchen wie: El, daß dich doch gleich! und Ncirrenspossen! in die
nötigen Kleidungsstücke, um uach dem Urheber dieses nächtlichen Lärmes zu
forschen.

Der Teufel auch, Herr Referendar, was treibt Sie denn her zu einer
Stunde, wo vernünftige Christenmenschen im Bette liegen?

Der also angerufene trat an dem Alten vorbei ins Haus, ohne sein un¬
gebührliches Betragen zu entschuldigen.

Na na! brummte der Schmidt, als der junge Herr in Baron Georgs
Zimmer verschwand, nachgerade wird mir's doch zu bunt! So was hab' ich
doch mein Tage nicht erlebt! Der Baron Valer könnten wohl auch bis um
sechs warten, aus Leben wird's ja noch nicht gehen!

Da aber eben Baron Valer andrer Meinung gewesen war, mußte sich der
Schmidt in das Geschehene fügen.

Früh, als die ersten Vögel an den Fenstern sangen, erschien Tante Cäcilie
in gestickter Haube und großkarrirtem MvrgenKeide in der Küche, wo Mathilde
die Kaffeebohnen aus der Blechbüchse nahm. Mathilde sah ganz sonnig aus,
frisch und freudig wie lauter Frühling; Tante Cäcilie aber teilte diese Freudig¬
keit durchaus nicht.

Wer ist heute Nacht gekommen, Mathilde?

Ich weiß es nicht, liebe Tante; es wird wohl der Onkel gewesen sein.

Wie soll denn der nach ein Uhr von Nummelshausen kommen? Denke doch
ein wenig nach, ehe du sprichst.

Fräulein Cäcilie ergriff den Schlüffelkorb und eilte durch den Flur uach
ihres Bruders Zimmer, wo sie zu ihrer nicht geringen Verwunderung den Neffen
Valer stehen sah.

Der junge Herr erwiederte kurz ihren Gruß und ging nach der Thür;
aber der Baron, der seine Schwester zum Sitzen eingeladen hatte, rief ihn
zurück.

Einige Augenblicke, lieber Junge, sagte er in seiner leisen und höflichen
Sprechweise; aber Cäcilie kannte ihn zu lange, um uicht sofort zu sehen, daß
zwischen ihm und dem Neffen etwas vorgefallen war. Sie war trotzdem nicht
neugierig, sondern nahm gleichgiltig ans dem Sessel Platz, den sie zuvor mit
dem Taschentuch abgestäubt hatte.

Möchtest du nicht die Tante von deinem Vorhaben in Kenntnis setzen?
fragte Georg.

Vorhaben? fuhr Cäcilie auf, und da ist noch die Frage, ob ich es wissen
soll? Nachts um zwölf Uhr angekommen, nicht geschlafen und sechs Stunden
mit dem Onkel konferirt, und nun am liebsten gleich fortgestürmt? Dn bist mir
ein schöner Junge! Und dabei sieht er aus! Bürste dir wenigstens das Haar
etwas aus der Stirn!

Valerian zuckte die Achseln und küßte der Tante die Hand.

Erlaube mir, soweit es möglich ist, mich zu entschuldigen, verchrteste Tante.
Ich kann dir versichern, daß ich nur in Berücksichtigung deiner Gemütsruhe mit
meiner Beichte gezögert habe. Du weißt, daß ich ein aufmerksamer, ein in jeder
Weise musterhafter Neffe bin.

Er brach ab und sah zu Boden; es wollte mit dem scherzenden Tone doch
uicht so recht gehen.

Tante Cäcilie schüttelte den Kopf. Nun, mache nicht einen langen Brei um
die Geschichte, Junge, sondern heraus damit! Ich habe mein Lebtage so ein


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[0603] Ans der Chronik derer von Riffelshausen. unter Aussprüchen wie: El, daß dich doch gleich! und Ncirrenspossen! in die nötigen Kleidungsstücke, um uach dem Urheber dieses nächtlichen Lärmes zu forschen. Der Teufel auch, Herr Referendar, was treibt Sie denn her zu einer Stunde, wo vernünftige Christenmenschen im Bette liegen? Der also angerufene trat an dem Alten vorbei ins Haus, ohne sein un¬ gebührliches Betragen zu entschuldigen. Na na! brummte der Schmidt, als der junge Herr in Baron Georgs Zimmer verschwand, nachgerade wird mir's doch zu bunt! So was hab' ich doch mein Tage nicht erlebt! Der Baron Valer könnten wohl auch bis um sechs warten, aus Leben wird's ja noch nicht gehen! Da aber eben Baron Valer andrer Meinung gewesen war, mußte sich der Schmidt in das Geschehene fügen. Früh, als die ersten Vögel an den Fenstern sangen, erschien Tante Cäcilie in gestickter Haube und großkarrirtem MvrgenKeide in der Küche, wo Mathilde die Kaffeebohnen aus der Blechbüchse nahm. Mathilde sah ganz sonnig aus, frisch und freudig wie lauter Frühling; Tante Cäcilie aber teilte diese Freudig¬ keit durchaus nicht. Wer ist heute Nacht gekommen, Mathilde? Ich weiß es nicht, liebe Tante; es wird wohl der Onkel gewesen sein. Wie soll denn der nach ein Uhr von Nummelshausen kommen? Denke doch ein wenig nach, ehe du sprichst. Fräulein Cäcilie ergriff den Schlüffelkorb und eilte durch den Flur uach ihres Bruders Zimmer, wo sie zu ihrer nicht geringen Verwunderung den Neffen Valer stehen sah. Der junge Herr erwiederte kurz ihren Gruß und ging nach der Thür; aber der Baron, der seine Schwester zum Sitzen eingeladen hatte, rief ihn zurück. Einige Augenblicke, lieber Junge, sagte er in seiner leisen und höflichen Sprechweise; aber Cäcilie kannte ihn zu lange, um uicht sofort zu sehen, daß zwischen ihm und dem Neffen etwas vorgefallen war. Sie war trotzdem nicht neugierig, sondern nahm gleichgiltig ans dem Sessel Platz, den sie zuvor mit dem Taschentuch abgestäubt hatte. Möchtest du nicht die Tante von deinem Vorhaben in Kenntnis setzen? fragte Georg. Vorhaben? fuhr Cäcilie auf, und da ist noch die Frage, ob ich es wissen soll? Nachts um zwölf Uhr angekommen, nicht geschlafen und sechs Stunden mit dem Onkel konferirt, und nun am liebsten gleich fortgestürmt? Dn bist mir ein schöner Junge! Und dabei sieht er aus! Bürste dir wenigstens das Haar etwas aus der Stirn! Valerian zuckte die Achseln und küßte der Tante die Hand. Erlaube mir, soweit es möglich ist, mich zu entschuldigen, verchrteste Tante. Ich kann dir versichern, daß ich nur in Berücksichtigung deiner Gemütsruhe mit meiner Beichte gezögert habe. Du weißt, daß ich ein aufmerksamer, ein in jeder Weise musterhafter Neffe bin. Er brach ab und sah zu Boden; es wollte mit dem scherzenden Tone doch uicht so recht gehen. Tante Cäcilie schüttelte den Kopf. Nun, mache nicht einen langen Brei um die Geschichte, Junge, sondern heraus damit! Ich habe mein Lebtage so ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/603>, abgerufen am 16.05.2024.