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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

Gemahl einer Babenbergerin. Bitter klagen tschechische Chronisten, er habe "die
Tschechen zu Gunsten der Fremdlinge Vertrieben, er habe die Seinigen hintan¬
gesetzt und sogar angefangen, sie zu verachten, er habe den Meißner" und
Thüringern versprochen, ihnen Böhmen zu ewigem Besitze zu schenken," und
häufig begegnen wir unter jenen Historikern der Meinung, er sei durch sein
deutschfreundliches Verhalten schließlich zu Grunde gegangen. Unter der Vi-
karicitsregicrnng nach seinem Tode, die der Markgraf von Brandenburg führte,
wanderten Deutsche "zahlreicher als Mückenschwärme" ein. Wenzel II., deutsch
erzogen, mit einer deutschen Prinzessin, der Tochter Rudolfs von Habsburg,
vermählt, hatte um sich fast nur deutsche Berater, uuter denen der Bischof
Arnold von Bamberg der einflußreichste und so geradezu die Seele der Negierung
wurde, in welcher Eigenschaft er eine Menge wichtiger Ämter mit Deutschen
besetzte, die er aus Franken mitgebracht oder nachgezogen hatte.

Es war nur natürlich, daß der einheimische Adel an der Germanisirung
des Hofes teilnahm. Er übte sich für die Turniere der Residenz in Tjost und
Buhurd, er trug deutsche Rittertracht und lernte deutsch sprechen, er ließ sich
von deutscheu Baumeistern Burgen errichten, denen er deutsche Namen gab und
nach' denen die Besitzer sich später selbst nannten. So entstanden noch um
die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts für ursprünglich tschechische Geschlechter
Namen wie Löwenberg, Rosenberg und Sternberg, Rieseuburg und Lichteuburg,
zu denen später andre wie Schwambcrg, Waldeck, Wartenberg, Waldstein und
Falkenstein traten. Hierzu gesellten sich als Besitzer böhmischer Güter auch ein-
gewanderte reindeutsche Familien adlichcr Herkunft wie die Schönburg, die
Seeberg, die Biberstein und die Jlebnrg. Wenn der Adel Böhmens so immer
mehr seinen slawischen Charakter ablegte, so trug dies doch wenig zur Förderung
der Kolonisation bei, welche die Könige begünstigten. Im Gegenteil, dieser Adel
nahm, eifersüchtig auf das daraus erwachsende Bürgertum, in welchem er eine
Stütze der ihn beschränkenden Krone erblickte, meist eine feindselige Stellung zu
den Eingewanderten ein und schloß sich den Tschechen zu deren Bekämpfung
an. Nur wenige Mitglieder dieses Standes siedelten auf ihren Gütern
Deutsche an.

Der böhmische Klerus blieb auch in diesem Zeitraume großenteils deutsch,
doch mehr in seinen Klöstern als in seinen Weltpriestern. Die Oberaufsicht über
ihn stand dem Erzbischof von Mainz zu, welcher die Könige krönte und die
kirchlichen Streitigkeiten entschied. Die Klöster blieben lange deutsch und arbeiteten
für die Germanisirung fort. Schon in dieser Zeit wurden Klagen laut, daß
Ordensgenerale in die Klöster Böhmens mehr Deutsche als Tschechen schickten
und slawische Novizen von dort ins Ausland sandten, sodaß die Klöster sich
deutsche Vorsteher wählen konnten. Die Äbte aber thaten auch in dieser
Periode ungemein viel für die Ansiedlung deutscher Bauern, deren tüchtige
Arbeit den Wert der klösterlichen Besitzungen rasch zu steigern geeignet war.


Deutsch-böhmische Briefe.

Gemahl einer Babenbergerin. Bitter klagen tschechische Chronisten, er habe „die
Tschechen zu Gunsten der Fremdlinge Vertrieben, er habe die Seinigen hintan¬
gesetzt und sogar angefangen, sie zu verachten, er habe den Meißner» und
Thüringern versprochen, ihnen Böhmen zu ewigem Besitze zu schenken," und
häufig begegnen wir unter jenen Historikern der Meinung, er sei durch sein
deutschfreundliches Verhalten schließlich zu Grunde gegangen. Unter der Vi-
karicitsregicrnng nach seinem Tode, die der Markgraf von Brandenburg führte,
wanderten Deutsche „zahlreicher als Mückenschwärme" ein. Wenzel II., deutsch
erzogen, mit einer deutschen Prinzessin, der Tochter Rudolfs von Habsburg,
vermählt, hatte um sich fast nur deutsche Berater, uuter denen der Bischof
Arnold von Bamberg der einflußreichste und so geradezu die Seele der Negierung
wurde, in welcher Eigenschaft er eine Menge wichtiger Ämter mit Deutschen
besetzte, die er aus Franken mitgebracht oder nachgezogen hatte.

Es war nur natürlich, daß der einheimische Adel an der Germanisirung
des Hofes teilnahm. Er übte sich für die Turniere der Residenz in Tjost und
Buhurd, er trug deutsche Rittertracht und lernte deutsch sprechen, er ließ sich
von deutscheu Baumeistern Burgen errichten, denen er deutsche Namen gab und
nach' denen die Besitzer sich später selbst nannten. So entstanden noch um
die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts für ursprünglich tschechische Geschlechter
Namen wie Löwenberg, Rosenberg und Sternberg, Rieseuburg und Lichteuburg,
zu denen später andre wie Schwambcrg, Waldeck, Wartenberg, Waldstein und
Falkenstein traten. Hierzu gesellten sich als Besitzer böhmischer Güter auch ein-
gewanderte reindeutsche Familien adlichcr Herkunft wie die Schönburg, die
Seeberg, die Biberstein und die Jlebnrg. Wenn der Adel Böhmens so immer
mehr seinen slawischen Charakter ablegte, so trug dies doch wenig zur Förderung
der Kolonisation bei, welche die Könige begünstigten. Im Gegenteil, dieser Adel
nahm, eifersüchtig auf das daraus erwachsende Bürgertum, in welchem er eine
Stütze der ihn beschränkenden Krone erblickte, meist eine feindselige Stellung zu
den Eingewanderten ein und schloß sich den Tschechen zu deren Bekämpfung
an. Nur wenige Mitglieder dieses Standes siedelten auf ihren Gütern
Deutsche an.

Der böhmische Klerus blieb auch in diesem Zeitraume großenteils deutsch,
doch mehr in seinen Klöstern als in seinen Weltpriestern. Die Oberaufsicht über
ihn stand dem Erzbischof von Mainz zu, welcher die Könige krönte und die
kirchlichen Streitigkeiten entschied. Die Klöster blieben lange deutsch und arbeiteten
für die Germanisirung fort. Schon in dieser Zeit wurden Klagen laut, daß
Ordensgenerale in die Klöster Böhmens mehr Deutsche als Tschechen schickten
und slawische Novizen von dort ins Ausland sandten, sodaß die Klöster sich
deutsche Vorsteher wählen konnten. Die Äbte aber thaten auch in dieser
Periode ungemein viel für die Ansiedlung deutscher Bauern, deren tüchtige
Arbeit den Wert der klösterlichen Besitzungen rasch zu steigern geeignet war.


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[0267] Deutsch-böhmische Briefe. Gemahl einer Babenbergerin. Bitter klagen tschechische Chronisten, er habe „die Tschechen zu Gunsten der Fremdlinge Vertrieben, er habe die Seinigen hintan¬ gesetzt und sogar angefangen, sie zu verachten, er habe den Meißner» und Thüringern versprochen, ihnen Böhmen zu ewigem Besitze zu schenken," und häufig begegnen wir unter jenen Historikern der Meinung, er sei durch sein deutschfreundliches Verhalten schließlich zu Grunde gegangen. Unter der Vi- karicitsregicrnng nach seinem Tode, die der Markgraf von Brandenburg führte, wanderten Deutsche „zahlreicher als Mückenschwärme" ein. Wenzel II., deutsch erzogen, mit einer deutschen Prinzessin, der Tochter Rudolfs von Habsburg, vermählt, hatte um sich fast nur deutsche Berater, uuter denen der Bischof Arnold von Bamberg der einflußreichste und so geradezu die Seele der Negierung wurde, in welcher Eigenschaft er eine Menge wichtiger Ämter mit Deutschen besetzte, die er aus Franken mitgebracht oder nachgezogen hatte. Es war nur natürlich, daß der einheimische Adel an der Germanisirung des Hofes teilnahm. Er übte sich für die Turniere der Residenz in Tjost und Buhurd, er trug deutsche Rittertracht und lernte deutsch sprechen, er ließ sich von deutscheu Baumeistern Burgen errichten, denen er deutsche Namen gab und nach' denen die Besitzer sich später selbst nannten. So entstanden noch um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts für ursprünglich tschechische Geschlechter Namen wie Löwenberg, Rosenberg und Sternberg, Rieseuburg und Lichteuburg, zu denen später andre wie Schwambcrg, Waldeck, Wartenberg, Waldstein und Falkenstein traten. Hierzu gesellten sich als Besitzer böhmischer Güter auch ein- gewanderte reindeutsche Familien adlichcr Herkunft wie die Schönburg, die Seeberg, die Biberstein und die Jlebnrg. Wenn der Adel Böhmens so immer mehr seinen slawischen Charakter ablegte, so trug dies doch wenig zur Förderung der Kolonisation bei, welche die Könige begünstigten. Im Gegenteil, dieser Adel nahm, eifersüchtig auf das daraus erwachsende Bürgertum, in welchem er eine Stütze der ihn beschränkenden Krone erblickte, meist eine feindselige Stellung zu den Eingewanderten ein und schloß sich den Tschechen zu deren Bekämpfung an. Nur wenige Mitglieder dieses Standes siedelten auf ihren Gütern Deutsche an. Der böhmische Klerus blieb auch in diesem Zeitraume großenteils deutsch, doch mehr in seinen Klöstern als in seinen Weltpriestern. Die Oberaufsicht über ihn stand dem Erzbischof von Mainz zu, welcher die Könige krönte und die kirchlichen Streitigkeiten entschied. Die Klöster blieben lange deutsch und arbeiteten für die Germanisirung fort. Schon in dieser Zeit wurden Klagen laut, daß Ordensgenerale in die Klöster Böhmens mehr Deutsche als Tschechen schickten und slawische Novizen von dort ins Ausland sandten, sodaß die Klöster sich deutsche Vorsteher wählen konnten. Die Äbte aber thaten auch in dieser Periode ungemein viel für die Ansiedlung deutscher Bauern, deren tüchtige Arbeit den Wert der klösterlichen Besitzungen rasch zu steigern geeignet war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/267>, abgerufen am 27.05.2024.