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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Bewegungen in der katholischen Joell,

sich jedoch von dem Augenblicke an zu ändern, als die preußische Regierung
mit dem Vatikan zu einer Verständigung zu gelangen suchte und diese auch bei
dem zur Friedensliebe geneigten Papste faud. Die welsischen Pläne des Ab¬
geordneten Windthorst führen dazu, daß das Zentrum Oppositionspartei als
solche bleiben soll, während doch für eine Reihe von Mitgliedern nach An¬
bahnung guter Beziehungen zwischen Berlin und der Kurie zur Bekämpfung
des Reichskanzlers kein Grund mehr vorliegt. Jetzt treten diejenigen Erscheinungen
zu Tage, welche vor Gründling der Zentrumspartei, wie uns selbst Majnnke
in der Geschichte des Kulturkampfes schildert, ^von dem Abgeordneten Peter
Reichensperger im Hanse des Herrn von Savigny gegen die von dem geistlichen
Rat Müller vorgeschlagene Bildung einer "katholischen Fraktion" vorausgesagt
worden sind. Die Vermischung von Religion und Politik muß auf die Dauer
zum Nachteil der Kirche und des Staates ausschlagen, wenn der Parteizwcmg
die Mitglieder nötigt, bloß deshalb, weil sie gemeinsame kirchliche Interessen
verfolgen, in politischen Fragen ebenfalls zusammenzustimmen. Ganz anders
war es im preußischen Abgeordnetenhaus vom Jahre 1852 an, wo die katho¬
lischen Abgeordneten keine festgeschlossene Partei bildeten, sondern nur sür die
Lösung religiöser Fragen zusammentraten. Diese Aufgabe will offenbar auch
der päpstliche Septennatserlaß fortan dem Zentrum zuweisen. Er erachtet es
zwar für die Pflicht der Katholiken, daß sie sich bemühen, für gute Auslegung
der neuen Gesetze zu wirken, die Neste der alten zu beseitigen, etwa angegriffene
Rechte der Katholiken zu verteidige", und, soweit es geht, auch ihre Landsleute
für die Lage des Papstes in Rom zu interessiren. Aber auch mir das soll
noch das Programm einer katholischen Partei sein; alle Fragen der Politik
sollen davon ausgeschlossen sein und auch im übrigen die Partei nicht berufen
sein, die Interessen der Kirche zu vertreten.

In dem Septennatserlaß des Papstes liegt eine Kundgebung von außer¬
ordentlicher Bedeutung, welche in ihrer beabsichtigten Wirkung sowohl nach
außen wie nach innen das Merkmal des Friedens an sich trägt. Leo XIII.
ermahnt das Zentrum, für das Septeunat zu stimmen, weil er zu der Hvffnullg
berechtigt ist, daß alsdann die Menschheit vor nicht abzusehenden schweren
Leiden bewahrt, der Friede uuter christlichen Völkern aufrecht erhalten, der
Lauf der Kultur und Zivilisation nicht gehemmt sein werde. Der Papst dentet
gleichzeitig diejenigen Aufgaben an, welche von einer katholischen Partei zu er¬
füllen sind: sie soll für die gute Ausführung der Friedensgesetze bedacht sein,
mit politischen Fragen hat die Partei nichts zu schaffen. Wie über diese in
dem Verhältnis zum deutschen Reiche der Papst selbst denkt, auch dies ver¬
schweigt er seinen Glaubensgenossen nicht. Er hat den Wunsch, dem deutschen
Kaiser und seinem leitenden Minister gefällig zu sein, er ist der Meinung, daß
sich der päpstliche Stuhl keine Gelegenheit entgehen lassen dürfe, um auch
seinerseits das deutsche Reich zu stützen und zu kräftigen. Es wird hier zum


Bewegungen in der katholischen Joell,

sich jedoch von dem Augenblicke an zu ändern, als die preußische Regierung
mit dem Vatikan zu einer Verständigung zu gelangen suchte und diese auch bei
dem zur Friedensliebe geneigten Papste faud. Die welsischen Pläne des Ab¬
geordneten Windthorst führen dazu, daß das Zentrum Oppositionspartei als
solche bleiben soll, während doch für eine Reihe von Mitgliedern nach An¬
bahnung guter Beziehungen zwischen Berlin und der Kurie zur Bekämpfung
des Reichskanzlers kein Grund mehr vorliegt. Jetzt treten diejenigen Erscheinungen
zu Tage, welche vor Gründling der Zentrumspartei, wie uns selbst Majnnke
in der Geschichte des Kulturkampfes schildert, ^von dem Abgeordneten Peter
Reichensperger im Hanse des Herrn von Savigny gegen die von dem geistlichen
Rat Müller vorgeschlagene Bildung einer „katholischen Fraktion" vorausgesagt
worden sind. Die Vermischung von Religion und Politik muß auf die Dauer
zum Nachteil der Kirche und des Staates ausschlagen, wenn der Parteizwcmg
die Mitglieder nötigt, bloß deshalb, weil sie gemeinsame kirchliche Interessen
verfolgen, in politischen Fragen ebenfalls zusammenzustimmen. Ganz anders
war es im preußischen Abgeordnetenhaus vom Jahre 1852 an, wo die katho¬
lischen Abgeordneten keine festgeschlossene Partei bildeten, sondern nur sür die
Lösung religiöser Fragen zusammentraten. Diese Aufgabe will offenbar auch
der päpstliche Septennatserlaß fortan dem Zentrum zuweisen. Er erachtet es
zwar für die Pflicht der Katholiken, daß sie sich bemühen, für gute Auslegung
der neuen Gesetze zu wirken, die Neste der alten zu beseitigen, etwa angegriffene
Rechte der Katholiken zu verteidige», und, soweit es geht, auch ihre Landsleute
für die Lage des Papstes in Rom zu interessiren. Aber auch mir das soll
noch das Programm einer katholischen Partei sein; alle Fragen der Politik
sollen davon ausgeschlossen sein und auch im übrigen die Partei nicht berufen
sein, die Interessen der Kirche zu vertreten.

In dem Septennatserlaß des Papstes liegt eine Kundgebung von außer¬
ordentlicher Bedeutung, welche in ihrer beabsichtigten Wirkung sowohl nach
außen wie nach innen das Merkmal des Friedens an sich trägt. Leo XIII.
ermahnt das Zentrum, für das Septeunat zu stimmen, weil er zu der Hvffnullg
berechtigt ist, daß alsdann die Menschheit vor nicht abzusehenden schweren
Leiden bewahrt, der Friede uuter christlichen Völkern aufrecht erhalten, der
Lauf der Kultur und Zivilisation nicht gehemmt sein werde. Der Papst dentet
gleichzeitig diejenigen Aufgaben an, welche von einer katholischen Partei zu er¬
füllen sind: sie soll für die gute Ausführung der Friedensgesetze bedacht sein,
mit politischen Fragen hat die Partei nichts zu schaffen. Wie über diese in
dem Verhältnis zum deutschen Reiche der Papst selbst denkt, auch dies ver¬
schweigt er seinen Glaubensgenossen nicht. Er hat den Wunsch, dem deutschen
Kaiser und seinem leitenden Minister gefällig zu sein, er ist der Meinung, daß
sich der päpstliche Stuhl keine Gelegenheit entgehen lassen dürfe, um auch
seinerseits das deutsche Reich zu stützen und zu kräftigen. Es wird hier zum


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[0359] Bewegungen in der katholischen Joell, sich jedoch von dem Augenblicke an zu ändern, als die preußische Regierung mit dem Vatikan zu einer Verständigung zu gelangen suchte und diese auch bei dem zur Friedensliebe geneigten Papste faud. Die welsischen Pläne des Ab¬ geordneten Windthorst führen dazu, daß das Zentrum Oppositionspartei als solche bleiben soll, während doch für eine Reihe von Mitgliedern nach An¬ bahnung guter Beziehungen zwischen Berlin und der Kurie zur Bekämpfung des Reichskanzlers kein Grund mehr vorliegt. Jetzt treten diejenigen Erscheinungen zu Tage, welche vor Gründling der Zentrumspartei, wie uns selbst Majnnke in der Geschichte des Kulturkampfes schildert, ^von dem Abgeordneten Peter Reichensperger im Hanse des Herrn von Savigny gegen die von dem geistlichen Rat Müller vorgeschlagene Bildung einer „katholischen Fraktion" vorausgesagt worden sind. Die Vermischung von Religion und Politik muß auf die Dauer zum Nachteil der Kirche und des Staates ausschlagen, wenn der Parteizwcmg die Mitglieder nötigt, bloß deshalb, weil sie gemeinsame kirchliche Interessen verfolgen, in politischen Fragen ebenfalls zusammenzustimmen. Ganz anders war es im preußischen Abgeordnetenhaus vom Jahre 1852 an, wo die katho¬ lischen Abgeordneten keine festgeschlossene Partei bildeten, sondern nur sür die Lösung religiöser Fragen zusammentraten. Diese Aufgabe will offenbar auch der päpstliche Septennatserlaß fortan dem Zentrum zuweisen. Er erachtet es zwar für die Pflicht der Katholiken, daß sie sich bemühen, für gute Auslegung der neuen Gesetze zu wirken, die Neste der alten zu beseitigen, etwa angegriffene Rechte der Katholiken zu verteidige», und, soweit es geht, auch ihre Landsleute für die Lage des Papstes in Rom zu interessiren. Aber auch mir das soll noch das Programm einer katholischen Partei sein; alle Fragen der Politik sollen davon ausgeschlossen sein und auch im übrigen die Partei nicht berufen sein, die Interessen der Kirche zu vertreten. In dem Septennatserlaß des Papstes liegt eine Kundgebung von außer¬ ordentlicher Bedeutung, welche in ihrer beabsichtigten Wirkung sowohl nach außen wie nach innen das Merkmal des Friedens an sich trägt. Leo XIII. ermahnt das Zentrum, für das Septeunat zu stimmen, weil er zu der Hvffnullg berechtigt ist, daß alsdann die Menschheit vor nicht abzusehenden schweren Leiden bewahrt, der Friede uuter christlichen Völkern aufrecht erhalten, der Lauf der Kultur und Zivilisation nicht gehemmt sein werde. Der Papst dentet gleichzeitig diejenigen Aufgaben an, welche von einer katholischen Partei zu er¬ füllen sind: sie soll für die gute Ausführung der Friedensgesetze bedacht sein, mit politischen Fragen hat die Partei nichts zu schaffen. Wie über diese in dem Verhältnis zum deutschen Reiche der Papst selbst denkt, auch dies ver¬ schweigt er seinen Glaubensgenossen nicht. Er hat den Wunsch, dem deutschen Kaiser und seinem leitenden Minister gefällig zu sein, er ist der Meinung, daß sich der päpstliche Stuhl keine Gelegenheit entgehen lassen dürfe, um auch seinerseits das deutsche Reich zu stützen und zu kräftigen. Es wird hier zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/359>, abgerufen am 19.05.2024.