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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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die den Willen und Wohl auch die Aussicht haben, sich auf der sozialen Stufen¬
leiter emporzuarbeiten. Das Bestehen solcher Vereine ist für das University-
Extension-Mvvement von größter Wichtigkeit. An Stelle eines flüchtigen, un¬
bekannten Publikums hat man so einen festen und sichern Stamm von Zuhörern,
auf deren Unterstützung man stets rechnen kann.

Gegenstände der von den Extension-Lehrern in Toynbce-Hall abgehaltenen
Kurse waren beispielsweise folgende: Licht, Voltaische Elektrizität, Explosivstoffe,
Abschnitte der englischen Geschichte, Entwicklung der englischen Verfassung, ferner
(gewiß von besondrer Wichtigkeit) öffentliche und häusliche Gesundheitspflege
und Grundsätze der Auswanderung. Entsprechend dem Auffassungsvermögen
der Zuhörer ist man bemüht, die Gegenstände möglichst anschaulich darzustellen.
Nicht nur daß die naturwissenschaftlichen Vorlesungen stets von den zugehörigen
Experimenten begleitet sind, auch auf dem Gebiete der historischen Vorlesungen
sucht man ähnliches durch Ausflüge zu bieten. Gerade der altgeschichtliche
Boden Englands ist hierzu besonders geeignet. So besuchte man Westminster,
das Pantheon englischer Größe, in welchem sich Mittelalter und Neuzeit die
Hand reichen. Man besuchte Oxford und Cambridge. Auch öffnete der gegen-
wärtige Premierminister, Marquis of Salisbury, sein altes Stammschloß, das
Hatfield-Cnstle, aufs bereitwilligste den Besuchern ans Ost-London. Die Lon¬
doner Museen, insbesondre die Nationalgalerie und das Britische Museum, deren
Schütze für die Bewohner der östlichen Stadtteile kaum vorhanden sind, wurden
mehrfach von Extension-Lehrern ihren Schülern erklärt. Ob wohl dem einen
oder dem andern jener Besucher aus dem Osten, die ich vor den Elgin-Marbles
stehen sah, ein Gefühl davon aufgegangen ist, daß unerreicht hier die Größe
und Erhabenheit der Gottheit dargestellt ist, die hoch über den Leiden und
Kämpfen der Menschen thront? Das allein wäre ein Erfolg, der die Auf¬
wendungen der Gesellschaft und die Anstrengungen des Lehrers lohnte! Denn
ein solches Gefühl wirkt erlösend, und neben der stillen Größe jener Weltmächte
wird das eigue Ich zum Nichts, und unendlich klein, ja verächtlich werden die
Sorgen und Plagen des Tages.- Dies ist die Bestimmung der Kunst, und
wenn das Extension-Movement dahin wirkt, das Verständnis für Kunstwerke
zu verbreiten, so kann man ihm zu diesem allerdings schwierigen Unternehmen
nur Glück und zahlreiche Nachahmung wünschen.

In White-Chapel ist man, was die Weckung des Kunstsinnes angeht, über
die Vorlesungen und Ausflüge, wie sie das Universich-Extension-Movement
zu veranstalten pflegt, noch hinausgegangen. Vor einigen Jahren sprach Barret
den Gedanken aus, daß auch Ost-London seine jährliche Kunstausstellung haben
solle, da die Ausstellungen des Westens für den Osten kaum in Betracht kämen.
Dieser Vorschlag ging nicht von einem menschenfreundlichen Schwärmer ans,
sondern einem Manne der That. Nicht lange nach der ersten Anregung eröffnete
Warnet zu Ostern 1880 in der Se. Judasschule die erste I^no s.re Ivan exlii-


Toynbee-HciU.

die den Willen und Wohl auch die Aussicht haben, sich auf der sozialen Stufen¬
leiter emporzuarbeiten. Das Bestehen solcher Vereine ist für das University-
Extension-Mvvement von größter Wichtigkeit. An Stelle eines flüchtigen, un¬
bekannten Publikums hat man so einen festen und sichern Stamm von Zuhörern,
auf deren Unterstützung man stets rechnen kann.

Gegenstände der von den Extension-Lehrern in Toynbce-Hall abgehaltenen
Kurse waren beispielsweise folgende: Licht, Voltaische Elektrizität, Explosivstoffe,
Abschnitte der englischen Geschichte, Entwicklung der englischen Verfassung, ferner
(gewiß von besondrer Wichtigkeit) öffentliche und häusliche Gesundheitspflege
und Grundsätze der Auswanderung. Entsprechend dem Auffassungsvermögen
der Zuhörer ist man bemüht, die Gegenstände möglichst anschaulich darzustellen.
Nicht nur daß die naturwissenschaftlichen Vorlesungen stets von den zugehörigen
Experimenten begleitet sind, auch auf dem Gebiete der historischen Vorlesungen
sucht man ähnliches durch Ausflüge zu bieten. Gerade der altgeschichtliche
Boden Englands ist hierzu besonders geeignet. So besuchte man Westminster,
das Pantheon englischer Größe, in welchem sich Mittelalter und Neuzeit die
Hand reichen. Man besuchte Oxford und Cambridge. Auch öffnete der gegen-
wärtige Premierminister, Marquis of Salisbury, sein altes Stammschloß, das
Hatfield-Cnstle, aufs bereitwilligste den Besuchern ans Ost-London. Die Lon¬
doner Museen, insbesondre die Nationalgalerie und das Britische Museum, deren
Schütze für die Bewohner der östlichen Stadtteile kaum vorhanden sind, wurden
mehrfach von Extension-Lehrern ihren Schülern erklärt. Ob wohl dem einen
oder dem andern jener Besucher aus dem Osten, die ich vor den Elgin-Marbles
stehen sah, ein Gefühl davon aufgegangen ist, daß unerreicht hier die Größe
und Erhabenheit der Gottheit dargestellt ist, die hoch über den Leiden und
Kämpfen der Menschen thront? Das allein wäre ein Erfolg, der die Auf¬
wendungen der Gesellschaft und die Anstrengungen des Lehrers lohnte! Denn
ein solches Gefühl wirkt erlösend, und neben der stillen Größe jener Weltmächte
wird das eigue Ich zum Nichts, und unendlich klein, ja verächtlich werden die
Sorgen und Plagen des Tages.- Dies ist die Bestimmung der Kunst, und
wenn das Extension-Movement dahin wirkt, das Verständnis für Kunstwerke
zu verbreiten, so kann man ihm zu diesem allerdings schwierigen Unternehmen
nur Glück und zahlreiche Nachahmung wünschen.

In White-Chapel ist man, was die Weckung des Kunstsinnes angeht, über
die Vorlesungen und Ausflüge, wie sie das Universich-Extension-Movement
zu veranstalten pflegt, noch hinausgegangen. Vor einigen Jahren sprach Barret
den Gedanken aus, daß auch Ost-London seine jährliche Kunstausstellung haben
solle, da die Ausstellungen des Westens für den Osten kaum in Betracht kämen.
Dieser Vorschlag ging nicht von einem menschenfreundlichen Schwärmer ans,
sondern einem Manne der That. Nicht lange nach der ersten Anregung eröffnete
Warnet zu Ostern 1880 in der Se. Judasschule die erste I^no s.re Ivan exlii-


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[0477] Toynbee-HciU. die den Willen und Wohl auch die Aussicht haben, sich auf der sozialen Stufen¬ leiter emporzuarbeiten. Das Bestehen solcher Vereine ist für das University- Extension-Mvvement von größter Wichtigkeit. An Stelle eines flüchtigen, un¬ bekannten Publikums hat man so einen festen und sichern Stamm von Zuhörern, auf deren Unterstützung man stets rechnen kann. Gegenstände der von den Extension-Lehrern in Toynbce-Hall abgehaltenen Kurse waren beispielsweise folgende: Licht, Voltaische Elektrizität, Explosivstoffe, Abschnitte der englischen Geschichte, Entwicklung der englischen Verfassung, ferner (gewiß von besondrer Wichtigkeit) öffentliche und häusliche Gesundheitspflege und Grundsätze der Auswanderung. Entsprechend dem Auffassungsvermögen der Zuhörer ist man bemüht, die Gegenstände möglichst anschaulich darzustellen. Nicht nur daß die naturwissenschaftlichen Vorlesungen stets von den zugehörigen Experimenten begleitet sind, auch auf dem Gebiete der historischen Vorlesungen sucht man ähnliches durch Ausflüge zu bieten. Gerade der altgeschichtliche Boden Englands ist hierzu besonders geeignet. So besuchte man Westminster, das Pantheon englischer Größe, in welchem sich Mittelalter und Neuzeit die Hand reichen. Man besuchte Oxford und Cambridge. Auch öffnete der gegen- wärtige Premierminister, Marquis of Salisbury, sein altes Stammschloß, das Hatfield-Cnstle, aufs bereitwilligste den Besuchern ans Ost-London. Die Lon¬ doner Museen, insbesondre die Nationalgalerie und das Britische Museum, deren Schütze für die Bewohner der östlichen Stadtteile kaum vorhanden sind, wurden mehrfach von Extension-Lehrern ihren Schülern erklärt. Ob wohl dem einen oder dem andern jener Besucher aus dem Osten, die ich vor den Elgin-Marbles stehen sah, ein Gefühl davon aufgegangen ist, daß unerreicht hier die Größe und Erhabenheit der Gottheit dargestellt ist, die hoch über den Leiden und Kämpfen der Menschen thront? Das allein wäre ein Erfolg, der die Auf¬ wendungen der Gesellschaft und die Anstrengungen des Lehrers lohnte! Denn ein solches Gefühl wirkt erlösend, und neben der stillen Größe jener Weltmächte wird das eigue Ich zum Nichts, und unendlich klein, ja verächtlich werden die Sorgen und Plagen des Tages.- Dies ist die Bestimmung der Kunst, und wenn das Extension-Movement dahin wirkt, das Verständnis für Kunstwerke zu verbreiten, so kann man ihm zu diesem allerdings schwierigen Unternehmen nur Glück und zahlreiche Nachahmung wünschen. In White-Chapel ist man, was die Weckung des Kunstsinnes angeht, über die Vorlesungen und Ausflüge, wie sie das Universich-Extension-Movement zu veranstalten pflegt, noch hinausgegangen. Vor einigen Jahren sprach Barret den Gedanken aus, daß auch Ost-London seine jährliche Kunstausstellung haben solle, da die Ausstellungen des Westens für den Osten kaum in Betracht kämen. Dieser Vorschlag ging nicht von einem menschenfreundlichen Schwärmer ans, sondern einem Manne der That. Nicht lange nach der ersten Anregung eröffnete Warnet zu Ostern 1880 in der Se. Judasschule die erste I^no s.re Ivan exlii-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/477>, abgerufen am 27.05.2024.