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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Volapiik,

erschien auch eine ganze Reihe von Wörterbüchern dieses Systems für die
modernen Knltursprachen, aber die Beschwerlichkeiten bei der wirklichen An¬
wendung müssen größer gewesen sein als der erwachsene oder zu erwartende
Gewinn, denn gegenwärtig hört man nicht mehr das Geringste vom Gebrauche
dieser Weltschrift.

Mit den wenigen Namen, die im vorstehenden angeführt sind, ist die
Zahl der Bearbeiter von Weltsprachen bei weitem nicht erschöpft, in dem Zeit¬
raume von mehr als zwei Jahrhunderten seit Becher und Dalgarn bis auf die
Gegenwart lassen sich an hundert Arbeiten über den Gegenstand nachweisen,
die hauptsächlich von deutschen, englischen, spanischen und französischen Verfassern
herrühren und zumeist an die Ideen des Bischofs Wilckins anknüpfen. Der
kalifornische Geschichtschreiber und Buchhändler Bancroft in San Francisco
hat in der Absicht, beim Kongreß der Vereinigten Staaten von Nordamerika
die Bildung eines Weltausschusscs zur Beratung der Grundzüge einer Welt¬
sprache zu beantragen, großen Fleiß auf die Zusammenbringung der ganzen ein¬
schlägigen Literatur verwandt. Schon vor mehreren Jahren zählte die Weltsprach¬
bibliothek desselben etwa achtzig Bände, obgleich manche von den älteren Schriften
darin fehlten und die neuesten Arbeiten wie Weltlatein und Steiners Pasilingua
wohl noch gar nicht erschienen waren. Volapük war in der Sammlung mit
einigen wenigen Nummern vertreten, zur Stunde besitzt es bereits für sich
allem ein Literaturchen.*)

Wie ist es nun gekommen, daß die Schleyersche Sprache alle andern Ver¬
suche dieser Art so bedeutend überflügelt hat? Der Erfolg ist viel weniger den
Vorzügen der Sache zu verdanken, als der Rührigkeit ihres Urhebers. Während
die Verfasser andrer Weltsprachsysteme sich damit begnügten, ihre Lehrbücher
herauszugeben und anzukündigen, hat es Herr Schleyer ausgezeichnet verstanden,
die Leute zu gewinnen und der anfänglich winzigen Zahl von Anhängern
glühenden Aposteleifer zur Weiterverbreitung der Sache einzupflanzen. Er trat
mit seinen Freunden in schriftlichen oder persönlichen Verkehr, forderte sie zur
Erteilung von Volapükunterricht auf, brachte die Gründung von Volapükvereinen
in Anregung, veranstaltete Zusammenkünfte, erteilte denen, die Proben ihrer
Kenntnisse abgelegt hatten, Fühigkcitsdiplome und entwickelt in dieser Hinsicht
fort und fort eine nachhaltige Thätigkeit. Kein Wunder, daß bei so rühriger
Propaganda die Anhängerschaft schnell gewachsen ist und noch immer wächst,**)
denn das Publikum ergreift bei vorhandenem Bedürfnis rasch und gern das-




°") Abgesehen von den verschiedenen Lehr- und Übungsbüchem u. s. w. erscheinen in
Deutschland, Österreich, Dänemark, Frankreich, Italien und Spanien zur Zeit neun Vvlapük-
zeitschriften.
Die Angaben über die Zahl der Kenner des Volapük lauten sehr verschieden. Im
April d. I. rechnete ein Vertreter desselben noch nicht 20000 heraus, ein andrer nannte
Ende Mai schon weit über 200000!
Volapiik,

erschien auch eine ganze Reihe von Wörterbüchern dieses Systems für die
modernen Knltursprachen, aber die Beschwerlichkeiten bei der wirklichen An¬
wendung müssen größer gewesen sein als der erwachsene oder zu erwartende
Gewinn, denn gegenwärtig hört man nicht mehr das Geringste vom Gebrauche
dieser Weltschrift.

Mit den wenigen Namen, die im vorstehenden angeführt sind, ist die
Zahl der Bearbeiter von Weltsprachen bei weitem nicht erschöpft, in dem Zeit¬
raume von mehr als zwei Jahrhunderten seit Becher und Dalgarn bis auf die
Gegenwart lassen sich an hundert Arbeiten über den Gegenstand nachweisen,
die hauptsächlich von deutschen, englischen, spanischen und französischen Verfassern
herrühren und zumeist an die Ideen des Bischofs Wilckins anknüpfen. Der
kalifornische Geschichtschreiber und Buchhändler Bancroft in San Francisco
hat in der Absicht, beim Kongreß der Vereinigten Staaten von Nordamerika
die Bildung eines Weltausschusscs zur Beratung der Grundzüge einer Welt¬
sprache zu beantragen, großen Fleiß auf die Zusammenbringung der ganzen ein¬
schlägigen Literatur verwandt. Schon vor mehreren Jahren zählte die Weltsprach¬
bibliothek desselben etwa achtzig Bände, obgleich manche von den älteren Schriften
darin fehlten und die neuesten Arbeiten wie Weltlatein und Steiners Pasilingua
wohl noch gar nicht erschienen waren. Volapük war in der Sammlung mit
einigen wenigen Nummern vertreten, zur Stunde besitzt es bereits für sich
allem ein Literaturchen.*)

Wie ist es nun gekommen, daß die Schleyersche Sprache alle andern Ver¬
suche dieser Art so bedeutend überflügelt hat? Der Erfolg ist viel weniger den
Vorzügen der Sache zu verdanken, als der Rührigkeit ihres Urhebers. Während
die Verfasser andrer Weltsprachsysteme sich damit begnügten, ihre Lehrbücher
herauszugeben und anzukündigen, hat es Herr Schleyer ausgezeichnet verstanden,
die Leute zu gewinnen und der anfänglich winzigen Zahl von Anhängern
glühenden Aposteleifer zur Weiterverbreitung der Sache einzupflanzen. Er trat
mit seinen Freunden in schriftlichen oder persönlichen Verkehr, forderte sie zur
Erteilung von Volapükunterricht auf, brachte die Gründung von Volapükvereinen
in Anregung, veranstaltete Zusammenkünfte, erteilte denen, die Proben ihrer
Kenntnisse abgelegt hatten, Fühigkcitsdiplome und entwickelt in dieser Hinsicht
fort und fort eine nachhaltige Thätigkeit. Kein Wunder, daß bei so rühriger
Propaganda die Anhängerschaft schnell gewachsen ist und noch immer wächst,**)
denn das Publikum ergreift bei vorhandenem Bedürfnis rasch und gern das-




°") Abgesehen von den verschiedenen Lehr- und Übungsbüchem u. s. w. erscheinen in
Deutschland, Österreich, Dänemark, Frankreich, Italien und Spanien zur Zeit neun Vvlapük-
zeitschriften.
Die Angaben über die Zahl der Kenner des Volapük lauten sehr verschieden. Im
April d. I. rechnete ein Vertreter desselben noch nicht 20000 heraus, ein andrer nannte
Ende Mai schon weit über 200000!
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[0184] Volapiik, erschien auch eine ganze Reihe von Wörterbüchern dieses Systems für die modernen Knltursprachen, aber die Beschwerlichkeiten bei der wirklichen An¬ wendung müssen größer gewesen sein als der erwachsene oder zu erwartende Gewinn, denn gegenwärtig hört man nicht mehr das Geringste vom Gebrauche dieser Weltschrift. Mit den wenigen Namen, die im vorstehenden angeführt sind, ist die Zahl der Bearbeiter von Weltsprachen bei weitem nicht erschöpft, in dem Zeit¬ raume von mehr als zwei Jahrhunderten seit Becher und Dalgarn bis auf die Gegenwart lassen sich an hundert Arbeiten über den Gegenstand nachweisen, die hauptsächlich von deutschen, englischen, spanischen und französischen Verfassern herrühren und zumeist an die Ideen des Bischofs Wilckins anknüpfen. Der kalifornische Geschichtschreiber und Buchhändler Bancroft in San Francisco hat in der Absicht, beim Kongreß der Vereinigten Staaten von Nordamerika die Bildung eines Weltausschusscs zur Beratung der Grundzüge einer Welt¬ sprache zu beantragen, großen Fleiß auf die Zusammenbringung der ganzen ein¬ schlägigen Literatur verwandt. Schon vor mehreren Jahren zählte die Weltsprach¬ bibliothek desselben etwa achtzig Bände, obgleich manche von den älteren Schriften darin fehlten und die neuesten Arbeiten wie Weltlatein und Steiners Pasilingua wohl noch gar nicht erschienen waren. Volapük war in der Sammlung mit einigen wenigen Nummern vertreten, zur Stunde besitzt es bereits für sich allem ein Literaturchen.*) Wie ist es nun gekommen, daß die Schleyersche Sprache alle andern Ver¬ suche dieser Art so bedeutend überflügelt hat? Der Erfolg ist viel weniger den Vorzügen der Sache zu verdanken, als der Rührigkeit ihres Urhebers. Während die Verfasser andrer Weltsprachsysteme sich damit begnügten, ihre Lehrbücher herauszugeben und anzukündigen, hat es Herr Schleyer ausgezeichnet verstanden, die Leute zu gewinnen und der anfänglich winzigen Zahl von Anhängern glühenden Aposteleifer zur Weiterverbreitung der Sache einzupflanzen. Er trat mit seinen Freunden in schriftlichen oder persönlichen Verkehr, forderte sie zur Erteilung von Volapükunterricht auf, brachte die Gründung von Volapükvereinen in Anregung, veranstaltete Zusammenkünfte, erteilte denen, die Proben ihrer Kenntnisse abgelegt hatten, Fühigkcitsdiplome und entwickelt in dieser Hinsicht fort und fort eine nachhaltige Thätigkeit. Kein Wunder, daß bei so rühriger Propaganda die Anhängerschaft schnell gewachsen ist und noch immer wächst,**) denn das Publikum ergreift bei vorhandenem Bedürfnis rasch und gern das- °") Abgesehen von den verschiedenen Lehr- und Übungsbüchem u. s. w. erscheinen in Deutschland, Österreich, Dänemark, Frankreich, Italien und Spanien zur Zeit neun Vvlapük- zeitschriften. Die Angaben über die Zahl der Kenner des Volapük lauten sehr verschieden. Im April d. I. rechnete ein Vertreter desselben noch nicht 20000 heraus, ein andrer nannte Ende Mai schon weit über 200000!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/184>, abgerufen am 29.05.2024.