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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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geheure Zeitersparnis und so viel schnelleres Vorwärtsschreiten ermöglicht, daß
man eine öffentliche Anerkennung nur wünschen kann. Private Thätigkeit hat der
britischen Regierung ein halbes Jahrhundert lang vorgearbeitet und den Schritt
amtlicher Beglaubigung und Durchführung leicht gemacht. Die Vorteile der Pit-
manschen Mittelstufe -- und nur diese könnte vorläufig in Betracht kommen --
sind so augenfällig, daß ernstlicher Widerspruch kaum zu erwarten wäre, viel¬
mehr allenthalben eine freudige Aufnahme, welche das Unbehagliche des Über¬
gangszustandes nach Möglichkeit abkürzen würde. Mit dieser Neuerung würde
dem Siegeszuge der englischen Sprache wesentlicher Vorschub geleistet und das
kleine Volapük, welches ausgesprochenermaßen der großen Mitbewerberin ein
Bein stellen will, bald auf die Seite geschleudert werden. Man komme hier nicht
mit nationalen Beklemmungen und Eifersüchteleien, es liegt nicht im deutschen
Charakter, fremden Völkern wirkliche Vorzüge oder gerechte Ansprüche streitig
zu macheu. Und andre den Briten feindlich gesinnte Nationen, wie die Russen
und Chinesen, werden sich wohl auch zu dem Standpunkte hinausarbeiten können,
daß der Besitz eines allgemeinen Verständiguugsmittels ihnen viel mehr Nutzen
schaffen muß, als sie etwa an Sebstbewunderung einbüßen. Irgend eine Sprache
muß eben einmal den Vorrang erhalten, und nach dem Stande der Dinge
können an dem Berufe des Englischen kaum Zweifel obwalten. Das britische
Weltreich hat der englischen Sprache die Wege geebnet, schon jetzt kommt man
mit ihr in allen Weltteilen weiter als mit irgend einer andern. Diesen natürlichen
Entwicklungsgang sollte man nicht in ohnmächtiger Vermessenheit zu stören,
sondern angesichts des der ganzen Menschheit zu Gute kommenden Zieles zu
fördern suchen. Wer zur Verwirklichung der Weltsprach-Jdee etwas beitragen
will, der mache sich mit der englischen Sprache vertraut, er wird sich menschlicher
Voraussicht nach keine Enttäuschung bereiten. Sollte aber wider Erwarten
eine andre Knltursprciche das Englische überflügeln, nun so ist ein wirklicher
Schade nicht angerichtet, man hat eine Sprache gelernt, mit der man auf
jeden Fall etwas ausführen kann, die auch den Schlüssel zu einer reichen, bedeu¬
tungsvollen und sittlich ernsten Weltliteratur bildet. Kommt aber das Volapük
wieder aus der Mode, so sitzt man da mit seiner Kenntnis und hat nichts
davon als den Verlust kostbarer Stunden, die auf das Erlernen und Einüben
verschwendet worden sind.




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geheure Zeitersparnis und so viel schnelleres Vorwärtsschreiten ermöglicht, daß
man eine öffentliche Anerkennung nur wünschen kann. Private Thätigkeit hat der
britischen Regierung ein halbes Jahrhundert lang vorgearbeitet und den Schritt
amtlicher Beglaubigung und Durchführung leicht gemacht. Die Vorteile der Pit-
manschen Mittelstufe — und nur diese könnte vorläufig in Betracht kommen —
sind so augenfällig, daß ernstlicher Widerspruch kaum zu erwarten wäre, viel¬
mehr allenthalben eine freudige Aufnahme, welche das Unbehagliche des Über¬
gangszustandes nach Möglichkeit abkürzen würde. Mit dieser Neuerung würde
dem Siegeszuge der englischen Sprache wesentlicher Vorschub geleistet und das
kleine Volapük, welches ausgesprochenermaßen der großen Mitbewerberin ein
Bein stellen will, bald auf die Seite geschleudert werden. Man komme hier nicht
mit nationalen Beklemmungen und Eifersüchteleien, es liegt nicht im deutschen
Charakter, fremden Völkern wirkliche Vorzüge oder gerechte Ansprüche streitig
zu macheu. Und andre den Briten feindlich gesinnte Nationen, wie die Russen
und Chinesen, werden sich wohl auch zu dem Standpunkte hinausarbeiten können,
daß der Besitz eines allgemeinen Verständiguugsmittels ihnen viel mehr Nutzen
schaffen muß, als sie etwa an Sebstbewunderung einbüßen. Irgend eine Sprache
muß eben einmal den Vorrang erhalten, und nach dem Stande der Dinge
können an dem Berufe des Englischen kaum Zweifel obwalten. Das britische
Weltreich hat der englischen Sprache die Wege geebnet, schon jetzt kommt man
mit ihr in allen Weltteilen weiter als mit irgend einer andern. Diesen natürlichen
Entwicklungsgang sollte man nicht in ohnmächtiger Vermessenheit zu stören,
sondern angesichts des der ganzen Menschheit zu Gute kommenden Zieles zu
fördern suchen. Wer zur Verwirklichung der Weltsprach-Jdee etwas beitragen
will, der mache sich mit der englischen Sprache vertraut, er wird sich menschlicher
Voraussicht nach keine Enttäuschung bereiten. Sollte aber wider Erwarten
eine andre Knltursprciche das Englische überflügeln, nun so ist ein wirklicher
Schade nicht angerichtet, man hat eine Sprache gelernt, mit der man auf
jeden Fall etwas ausführen kann, die auch den Schlüssel zu einer reichen, bedeu¬
tungsvollen und sittlich ernsten Weltliteratur bildet. Kommt aber das Volapük
wieder aus der Mode, so sitzt man da mit seiner Kenntnis und hat nichts
davon als den Verlust kostbarer Stunden, die auf das Erlernen und Einüben
verschwendet worden sind.




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[0227] volapük. geheure Zeitersparnis und so viel schnelleres Vorwärtsschreiten ermöglicht, daß man eine öffentliche Anerkennung nur wünschen kann. Private Thätigkeit hat der britischen Regierung ein halbes Jahrhundert lang vorgearbeitet und den Schritt amtlicher Beglaubigung und Durchführung leicht gemacht. Die Vorteile der Pit- manschen Mittelstufe — und nur diese könnte vorläufig in Betracht kommen — sind so augenfällig, daß ernstlicher Widerspruch kaum zu erwarten wäre, viel¬ mehr allenthalben eine freudige Aufnahme, welche das Unbehagliche des Über¬ gangszustandes nach Möglichkeit abkürzen würde. Mit dieser Neuerung würde dem Siegeszuge der englischen Sprache wesentlicher Vorschub geleistet und das kleine Volapük, welches ausgesprochenermaßen der großen Mitbewerberin ein Bein stellen will, bald auf die Seite geschleudert werden. Man komme hier nicht mit nationalen Beklemmungen und Eifersüchteleien, es liegt nicht im deutschen Charakter, fremden Völkern wirkliche Vorzüge oder gerechte Ansprüche streitig zu macheu. Und andre den Briten feindlich gesinnte Nationen, wie die Russen und Chinesen, werden sich wohl auch zu dem Standpunkte hinausarbeiten können, daß der Besitz eines allgemeinen Verständiguugsmittels ihnen viel mehr Nutzen schaffen muß, als sie etwa an Sebstbewunderung einbüßen. Irgend eine Sprache muß eben einmal den Vorrang erhalten, und nach dem Stande der Dinge können an dem Berufe des Englischen kaum Zweifel obwalten. Das britische Weltreich hat der englischen Sprache die Wege geebnet, schon jetzt kommt man mit ihr in allen Weltteilen weiter als mit irgend einer andern. Diesen natürlichen Entwicklungsgang sollte man nicht in ohnmächtiger Vermessenheit zu stören, sondern angesichts des der ganzen Menschheit zu Gute kommenden Zieles zu fördern suchen. Wer zur Verwirklichung der Weltsprach-Jdee etwas beitragen will, der mache sich mit der englischen Sprache vertraut, er wird sich menschlicher Voraussicht nach keine Enttäuschung bereiten. Sollte aber wider Erwarten eine andre Knltursprciche das Englische überflügeln, nun so ist ein wirklicher Schade nicht angerichtet, man hat eine Sprache gelernt, mit der man auf jeden Fall etwas ausführen kann, die auch den Schlüssel zu einer reichen, bedeu¬ tungsvollen und sittlich ernsten Weltliteratur bildet. Kommt aber das Volapük wieder aus der Mode, so sitzt man da mit seiner Kenntnis und hat nichts davon als den Verlust kostbarer Stunden, die auf das Erlernen und Einüben verschwendet worden sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/227>, abgerufen am 29.05.2024.