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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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Die Bedeutung des Religionsunterrichts in den oberen Rlassen des Gymnasiums.

dazu beitragen, den Riß zu heilen, der unser Volk teilt. Damit ist es von
selbst als eine dauernde Aufgabe unsers Staates hingestellt, daß er "eine stete
Wacht hält gegen klerikalen Einfluß." Diese geistige Einheit aber, die zu er¬
streben im höchste" Interesse des Staates liegt, wird, wie bei uns nun einmal
die Dinge liegen, nur eine Einheit sein können, die trotz der getrennten Kirche
besteht, also eine sittliche, gebaut auf die Erkenntnis der ewigen Werte, und
das Wirken für eine solche Einheit wird "ur zugleich ein Wirken für die Kirche
Vonseiten des Staates sein, soweit diese selbst sittliche Werte vertritt und be¬
fördert. Darum darf auch der Religionsunterricht in den obern Klassen des
Gymnasiums kein einseitig kirchlicher sein; wie er im Auftrage des Staates
zu leiten ist, so ist er auch im Sinne des Staates zu geben, das will hier
heißen, so zu geben, daß er auf die sittliche Einheit des Volkes zustrebt. So
ist er zugleich wahrhaft fricdenschaffend und im Sinne der Bergpredigt, welche
die Friedfertigen, den Frieden schaffenden, die "t^,/o?rotot> als Kinder Gottes
preist. Und so hat denn dieser Religionsunterricht auch abgesehen von der
religiösen eine hervorragende politisch-sittliche Bedeutung und steht darum als
Bildungsmittel, welches den Menschen an Geist und Herz ergreift und für
seine ganze Auffassung des bürgerlichen und staatlichen Lebens entscheidend
wirkt, unendlich hoch.

Allerdings, wo er unter dieser Höhe bleibt, und das wird besonders da
sein, wo er einseitig kirchlich und beschränkt konfessionell betrieben wird, da kann
man fragen, ob er nicht besser wegfalle. Da aber gerade in dem Fache des
Religionsunterrichts der Kreis, aus dem die Auswahl der Kräfte frei steht, fehr
groß ist, insofern, wenn anders ihnen die Stellung darnach geboten wird, aus
dem ganzen Bestände der gereiften und durchgebildeten Theologen, nicht etwa
selbst noch unfertiger und unerfahrener Kandidaten, diese wohl frei steht, und
da sich gerade im Hinblick auf die Bedeutung und Wichtigkeit der Sache die
wissenschaftlich Tüchtigsten bei entsprechender Stellung zum Eintritt in den
Schuldienst am Gymnasium werden bereit finden lassen, so hat die Behörde
es mehr oder weniger in ihrer Hand, gerade dieses Fach auf diejenige Höhe zu
erheben, die ihm zukommt.




Die Bedeutung des Religionsunterrichts in den oberen Rlassen des Gymnasiums.

dazu beitragen, den Riß zu heilen, der unser Volk teilt. Damit ist es von
selbst als eine dauernde Aufgabe unsers Staates hingestellt, daß er „eine stete
Wacht hält gegen klerikalen Einfluß." Diese geistige Einheit aber, die zu er¬
streben im höchste» Interesse des Staates liegt, wird, wie bei uns nun einmal
die Dinge liegen, nur eine Einheit sein können, die trotz der getrennten Kirche
besteht, also eine sittliche, gebaut auf die Erkenntnis der ewigen Werte, und
das Wirken für eine solche Einheit wird »ur zugleich ein Wirken für die Kirche
Vonseiten des Staates sein, soweit diese selbst sittliche Werte vertritt und be¬
fördert. Darum darf auch der Religionsunterricht in den obern Klassen des
Gymnasiums kein einseitig kirchlicher sein; wie er im Auftrage des Staates
zu leiten ist, so ist er auch im Sinne des Staates zu geben, das will hier
heißen, so zu geben, daß er auf die sittliche Einheit des Volkes zustrebt. So
ist er zugleich wahrhaft fricdenschaffend und im Sinne der Bergpredigt, welche
die Friedfertigen, den Frieden schaffenden, die «t^,/o?rotot> als Kinder Gottes
preist. Und so hat denn dieser Religionsunterricht auch abgesehen von der
religiösen eine hervorragende politisch-sittliche Bedeutung und steht darum als
Bildungsmittel, welches den Menschen an Geist und Herz ergreift und für
seine ganze Auffassung des bürgerlichen und staatlichen Lebens entscheidend
wirkt, unendlich hoch.

Allerdings, wo er unter dieser Höhe bleibt, und das wird besonders da
sein, wo er einseitig kirchlich und beschränkt konfessionell betrieben wird, da kann
man fragen, ob er nicht besser wegfalle. Da aber gerade in dem Fache des
Religionsunterrichts der Kreis, aus dem die Auswahl der Kräfte frei steht, fehr
groß ist, insofern, wenn anders ihnen die Stellung darnach geboten wird, aus
dem ganzen Bestände der gereiften und durchgebildeten Theologen, nicht etwa
selbst noch unfertiger und unerfahrener Kandidaten, diese wohl frei steht, und
da sich gerade im Hinblick auf die Bedeutung und Wichtigkeit der Sache die
wissenschaftlich Tüchtigsten bei entsprechender Stellung zum Eintritt in den
Schuldienst am Gymnasium werden bereit finden lassen, so hat die Behörde
es mehr oder weniger in ihrer Hand, gerade dieses Fach auf diejenige Höhe zu
erheben, die ihm zukommt.




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[0422] Die Bedeutung des Religionsunterrichts in den oberen Rlassen des Gymnasiums. dazu beitragen, den Riß zu heilen, der unser Volk teilt. Damit ist es von selbst als eine dauernde Aufgabe unsers Staates hingestellt, daß er „eine stete Wacht hält gegen klerikalen Einfluß." Diese geistige Einheit aber, die zu er¬ streben im höchste» Interesse des Staates liegt, wird, wie bei uns nun einmal die Dinge liegen, nur eine Einheit sein können, die trotz der getrennten Kirche besteht, also eine sittliche, gebaut auf die Erkenntnis der ewigen Werte, und das Wirken für eine solche Einheit wird »ur zugleich ein Wirken für die Kirche Vonseiten des Staates sein, soweit diese selbst sittliche Werte vertritt und be¬ fördert. Darum darf auch der Religionsunterricht in den obern Klassen des Gymnasiums kein einseitig kirchlicher sein; wie er im Auftrage des Staates zu leiten ist, so ist er auch im Sinne des Staates zu geben, das will hier heißen, so zu geben, daß er auf die sittliche Einheit des Volkes zustrebt. So ist er zugleich wahrhaft fricdenschaffend und im Sinne der Bergpredigt, welche die Friedfertigen, den Frieden schaffenden, die «t^,/o?rotot> als Kinder Gottes preist. Und so hat denn dieser Religionsunterricht auch abgesehen von der religiösen eine hervorragende politisch-sittliche Bedeutung und steht darum als Bildungsmittel, welches den Menschen an Geist und Herz ergreift und für seine ganze Auffassung des bürgerlichen und staatlichen Lebens entscheidend wirkt, unendlich hoch. Allerdings, wo er unter dieser Höhe bleibt, und das wird besonders da sein, wo er einseitig kirchlich und beschränkt konfessionell betrieben wird, da kann man fragen, ob er nicht besser wegfalle. Da aber gerade in dem Fache des Religionsunterrichts der Kreis, aus dem die Auswahl der Kräfte frei steht, fehr groß ist, insofern, wenn anders ihnen die Stellung darnach geboten wird, aus dem ganzen Bestände der gereiften und durchgebildeten Theologen, nicht etwa selbst noch unfertiger und unerfahrener Kandidaten, diese wohl frei steht, und da sich gerade im Hinblick auf die Bedeutung und Wichtigkeit der Sache die wissenschaftlich Tüchtigsten bei entsprechender Stellung zum Eintritt in den Schuldienst am Gymnasium werden bereit finden lassen, so hat die Behörde es mehr oder weniger in ihrer Hand, gerade dieses Fach auf diejenige Höhe zu erheben, die ihm zukommt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/422>, abgerufen am 14.05.2024.