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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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terrenis der Grenzen seiner Allmacht. Ein frischer Kerl, der sich nicht durch
Worte fangen ließe und das zuerst hörte, würde wohl Heransplatzen: "2 mal
2 gleich 5, das ist ja dumm!" wie der Schiller für dumm gilt, der so rechnet.
Der wahre Sinn des Satzes wäre also: Etwas dummes kann Gott doch nicht
machen -- und mir klingt dabei unwillkürlich nach, ich meine wie bei dem
nachklingen von Tönen auf einem Klavier: das können aber wir Menschen,
wenigstens gemacht denken, da ja doch das 2 mal 2 gleich S, einmal gesagt,
auch gedacht sein oder doch als Gedankenschatten durch den Kopf huschen muß.
Freilich: gemacht denken? nein, das doch nicht.

Das Zählen und Rechnen ist ja gar kein Machen, nur eine Vorbereitung
oder Übung darauf. An und für sich hat es die Art eines Spiels, der Ernst
kommt erst hinzu, sofern sich Sachen an die Zahlen hängen, in Gedanken oder
im Ernst der Wirklichkeit. So gewinnt auch ein solches Rechenexempel, wie
mau es da Gott zumutet, el" ganz andres Gesicht, wenn man die kahlen
Zahlen mit Inhalt versieht, sie aus der Schule ius Leben versetzt. Wenn z. B.
ein Bierfreuud klagen wollte: Gott kann doch nicht machen, daß ich das zweite
Glas (das besser schmeckt) zuerst trinke, oder ernster, wenn ihn eine Jungfrau
anklagen wollte: er kaun doch nicht machen, daß ich achtzehn Jahre alt bleibe.
Darüber wird man lachen, nicht bloß über die Einfalt (es könnte ja auch
witzig gemeint sein), sondern weil da das Rechnen und Denken scharf zusammen¬
stößt mit dem Ernst der Wirklichkeit und recht als Spiel erscheint. Die Frage
wird also da hinwcggelacht, und mit ihr der Triumph über die Grenzen, auf
denen man Gottes Allmacht ertappt.

Um noch besser ganz durchzubrechen durch das Spiel mit Zahlen, Worten,
Gedanken hindurch, daS dem menschlichen Kopfe freigegeben ist, bis zum stillen
großen Ernst der Wirklichkeit draußen, kann wohl eine Gleichung dienen mit
ernstem Hintergründe. Wenn ein Arzt eben einen lebcnrettcuden Schnitt machte
und ein geistbegabter Knabe stünde dabei, der sich eben in der freien Welt der
Möglichkeiten recht siegreich frei bewegen lernte, und Hütte den Einfall, zu dein
Arzte zu sagen: mit einem stumpfen Messer oder einem hölzernen Messer
könnten Sie das doch nicht machen! da würden alle scharf und dentlich die
Kluft fühlen zwischen dem Spiel der Gedanken dort und dem Sachernst hier.
Kann man sie aber da nicht auch zwischen dem 2 x 2 5 und dem ungeheuern
allumfassenden Ernst der Weltordnung draußen fühlen? Die Gleichung trifft
wohl zu in der Hauptsache, um die es sich handelt.

Und noch etwas als Schluß. Da das Ganze ein Spiel ist, doch mich
nicht ohne seinen tiefen Sinn, so mag man wohl auch weiter damit spielen,
um ganz darüber hinaus zu kommen. Also: wenn Gott einmal Zeit und
Neigung Hütte, einem, der ihm mit dem 2 x 2 ---- 5 kommt, den Willen zu thu",
wie würde man herbeigestürzt kommen, um sich weiter solche Wunder bei ihm
zu bestellen! Einer würde sich wohl 2 x 2.-! bestellen, ein andrer noch feiner


terrenis der Grenzen seiner Allmacht. Ein frischer Kerl, der sich nicht durch
Worte fangen ließe und das zuerst hörte, würde wohl Heransplatzen: „2 mal
2 gleich 5, das ist ja dumm!" wie der Schiller für dumm gilt, der so rechnet.
Der wahre Sinn des Satzes wäre also: Etwas dummes kann Gott doch nicht
machen — und mir klingt dabei unwillkürlich nach, ich meine wie bei dem
nachklingen von Tönen auf einem Klavier: das können aber wir Menschen,
wenigstens gemacht denken, da ja doch das 2 mal 2 gleich S, einmal gesagt,
auch gedacht sein oder doch als Gedankenschatten durch den Kopf huschen muß.
Freilich: gemacht denken? nein, das doch nicht.

Das Zählen und Rechnen ist ja gar kein Machen, nur eine Vorbereitung
oder Übung darauf. An und für sich hat es die Art eines Spiels, der Ernst
kommt erst hinzu, sofern sich Sachen an die Zahlen hängen, in Gedanken oder
im Ernst der Wirklichkeit. So gewinnt auch ein solches Rechenexempel, wie
mau es da Gott zumutet, el» ganz andres Gesicht, wenn man die kahlen
Zahlen mit Inhalt versieht, sie aus der Schule ius Leben versetzt. Wenn z. B.
ein Bierfreuud klagen wollte: Gott kann doch nicht machen, daß ich das zweite
Glas (das besser schmeckt) zuerst trinke, oder ernster, wenn ihn eine Jungfrau
anklagen wollte: er kaun doch nicht machen, daß ich achtzehn Jahre alt bleibe.
Darüber wird man lachen, nicht bloß über die Einfalt (es könnte ja auch
witzig gemeint sein), sondern weil da das Rechnen und Denken scharf zusammen¬
stößt mit dem Ernst der Wirklichkeit und recht als Spiel erscheint. Die Frage
wird also da hinwcggelacht, und mit ihr der Triumph über die Grenzen, auf
denen man Gottes Allmacht ertappt.

Um noch besser ganz durchzubrechen durch das Spiel mit Zahlen, Worten,
Gedanken hindurch, daS dem menschlichen Kopfe freigegeben ist, bis zum stillen
großen Ernst der Wirklichkeit draußen, kann wohl eine Gleichung dienen mit
ernstem Hintergründe. Wenn ein Arzt eben einen lebcnrettcuden Schnitt machte
und ein geistbegabter Knabe stünde dabei, der sich eben in der freien Welt der
Möglichkeiten recht siegreich frei bewegen lernte, und Hütte den Einfall, zu dein
Arzte zu sagen: mit einem stumpfen Messer oder einem hölzernen Messer
könnten Sie das doch nicht machen! da würden alle scharf und dentlich die
Kluft fühlen zwischen dem Spiel der Gedanken dort und dem Sachernst hier.
Kann man sie aber da nicht auch zwischen dem 2 x 2 5 und dem ungeheuern
allumfassenden Ernst der Weltordnung draußen fühlen? Die Gleichung trifft
wohl zu in der Hauptsache, um die es sich handelt.

Und noch etwas als Schluß. Da das Ganze ein Spiel ist, doch mich
nicht ohne seinen tiefen Sinn, so mag man wohl auch weiter damit spielen,
um ganz darüber hinaus zu kommen. Also: wenn Gott einmal Zeit und
Neigung Hütte, einem, der ihm mit dem 2 x 2 ---- 5 kommt, den Willen zu thu»,
wie würde man herbeigestürzt kommen, um sich weiter solche Wunder bei ihm
zu bestellen! Einer würde sich wohl 2 x 2.-! bestellen, ein andrer noch feiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/45>, abgerufen am 14.05.2024.