Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Lage d,er Prozeßkostenfrage.

dieser Gebühren begegnen! Und dieser Schmerzeiisschrei würde gewiß Auch im
Reichstage lebhaften Anklang finden. Der Einfluß der Anwälte ist dort eben
zu groß. Die Neichstagskflmmission hatte dje Ablehnung des Entwurfs in die
Form gekleidet, daß sie beantragte, vom Bundesrat zunächst noch ein? Reihe
von Feststellungen zu verlangen. Zwar hatte die Neichsregierung schon ein
Schriftstück vorgelegt, worin auf Grund umfassender ExHebungen bei den Ge¬
richten der Versuch gemacht war, annähernd die Bedürfniszahl der Anwälte
und das mutmaßlich denselben jetzt zufließend" durchschnittliche Einkommen
festzustellen. Diese Ermittlung war aber den Männern der Kommission bei
weitem nicht gründlich genug. Sie beantragten, der Bundesrat solle erst fest¬
stellen lassen, wie viel Anwälte bei jedem einzelnen Gericht exforderlich seien,
ferner wie viel Einkommen jeder einzelne deutsche Anwalt habe, im allgemeinen
sowohl als insbesondre aus Zivilsachen, und ferner sowohl jetzt als nach dem
neuen Entwürfe; endlich wie hoch in den einzelnen Bundesstaaten die Ausgaben
und Einnahme" seien bej Zivilrechtspflege, bei der Strafrechtspflege und bei
dex freiwilligen Gerichtsbarkeit (welche, beiläufig bemerkt, ,g,ax nicht getrennt
verwaltet werden). Dieser Antrag ist in der Kommission mit zehn gegen fünf
Stimmen (sechs Stimmen fehlten bei der Abstimmung) angenommen worden.
Auch der oben erwähnte Berichterstatter verteidigt ihn und hält dessen Aus¬
führung wenigstens eines Versuches wert. Hiernach, und du überhaupt der
Beschluß von berufenen Männern gefaßt worden ist, müssen wir ja annehmen,
daß er auch ernstlich gemeint gewesen sei. Sachlich rechnen wir ihn in seiner
völligen Unausführbarkeit zu den unglaublichen Verixinugen, denen sich Juristen,
die jhre Interessen verfechten, hingeben können. Jeder Versuch der Ausführung
mit feinen handgreiflichen Täuschungen könnte nur das Gelächter aller Unbe¬
fangenen herausfordern. Wollten wir dem objektiven Eindruck Raum geben,
den jener Beschluß macht, so würden wir ihn für einen bittern Hohn halten,
mittels dessen man eine verhaßte Vorlage von sich abgewiesen hat.

Beharrt dex Reichstag in der von der Kommission bethätigten Stimmung,
eine jede Minderung der Anwaltsgebühren ablehnen zu wollen -- denn darauf
läuft ja doch die beantragte Resolution hinaus --, so würden wohl auch die
Regierungen wenig Neigung haben, an den Gerichtsgebühren etwas abzulassen,
und es bliebe alles beim Alten. Das Verhältnis würde dann in dex That
an die bekannte Anekdote erinnern, wo zwei Wagenführer, die uneins geworden sind,
ihren Streit damit austragen, daß jeder auf die Fahrgäste des ander" losschlägt;
nur mit dem Unterschiede, daß es hier der nämliche Fahrgast wäre, auf den von
beiden Seiten geschlagen würde: das deutsche Volk, welches die Prozesse führt.

Obgleich nun hiernach der Bericht der Kommission in seinem Hauptergebnis
völlig wertlos ist, so enthält ex doch manches, was in andrer Beziehung Be¬
achtung verdient. Um die Reformpläne von dex Höhe der Anwaltskosten ab¬
zuleiten, wies man in der Kommission von verschiednen Seiten darauf hin, wie


Die Lage d,er Prozeßkostenfrage.

dieser Gebühren begegnen! Und dieser Schmerzeiisschrei würde gewiß Auch im
Reichstage lebhaften Anklang finden. Der Einfluß der Anwälte ist dort eben
zu groß. Die Neichstagskflmmission hatte dje Ablehnung des Entwurfs in die
Form gekleidet, daß sie beantragte, vom Bundesrat zunächst noch ein? Reihe
von Feststellungen zu verlangen. Zwar hatte die Neichsregierung schon ein
Schriftstück vorgelegt, worin auf Grund umfassender ExHebungen bei den Ge¬
richten der Versuch gemacht war, annähernd die Bedürfniszahl der Anwälte
und das mutmaßlich denselben jetzt zufließend« durchschnittliche Einkommen
festzustellen. Diese Ermittlung war aber den Männern der Kommission bei
weitem nicht gründlich genug. Sie beantragten, der Bundesrat solle erst fest¬
stellen lassen, wie viel Anwälte bei jedem einzelnen Gericht exforderlich seien,
ferner wie viel Einkommen jeder einzelne deutsche Anwalt habe, im allgemeinen
sowohl als insbesondre aus Zivilsachen, und ferner sowohl jetzt als nach dem
neuen Entwürfe; endlich wie hoch in den einzelnen Bundesstaaten die Ausgaben
und Einnahme» seien bej Zivilrechtspflege, bei der Strafrechtspflege und bei
dex freiwilligen Gerichtsbarkeit (welche, beiläufig bemerkt, ,g,ax nicht getrennt
verwaltet werden). Dieser Antrag ist in der Kommission mit zehn gegen fünf
Stimmen (sechs Stimmen fehlten bei der Abstimmung) angenommen worden.
Auch der oben erwähnte Berichterstatter verteidigt ihn und hält dessen Aus¬
führung wenigstens eines Versuches wert. Hiernach, und du überhaupt der
Beschluß von berufenen Männern gefaßt worden ist, müssen wir ja annehmen,
daß er auch ernstlich gemeint gewesen sei. Sachlich rechnen wir ihn in seiner
völligen Unausführbarkeit zu den unglaublichen Verixinugen, denen sich Juristen,
die jhre Interessen verfechten, hingeben können. Jeder Versuch der Ausführung
mit feinen handgreiflichen Täuschungen könnte nur das Gelächter aller Unbe¬
fangenen herausfordern. Wollten wir dem objektiven Eindruck Raum geben,
den jener Beschluß macht, so würden wir ihn für einen bittern Hohn halten,
mittels dessen man eine verhaßte Vorlage von sich abgewiesen hat.

Beharrt dex Reichstag in der von der Kommission bethätigten Stimmung,
eine jede Minderung der Anwaltsgebühren ablehnen zu wollen — denn darauf
läuft ja doch die beantragte Resolution hinaus —, so würden wohl auch die
Regierungen wenig Neigung haben, an den Gerichtsgebühren etwas abzulassen,
und es bliebe alles beim Alten. Das Verhältnis würde dann in dex That
an die bekannte Anekdote erinnern, wo zwei Wagenführer, die uneins geworden sind,
ihren Streit damit austragen, daß jeder auf die Fahrgäste des ander» losschlägt;
nur mit dem Unterschiede, daß es hier der nämliche Fahrgast wäre, auf den von
beiden Seiten geschlagen würde: das deutsche Volk, welches die Prozesse führt.

Obgleich nun hiernach der Bericht der Kommission in seinem Hauptergebnis
völlig wertlos ist, so enthält ex doch manches, was in andrer Beziehung Be¬
achtung verdient. Um die Reformpläne von dex Höhe der Anwaltskosten ab¬
zuleiten, wies man in der Kommission von verschiednen Seiten darauf hin, wie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0564" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201343"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Lage d,er Prozeßkostenfrage.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1866" prev="#ID_1865"> dieser Gebühren begegnen! Und dieser Schmerzeiisschrei würde gewiß Auch im<lb/>
Reichstage lebhaften Anklang finden. Der Einfluß der Anwälte ist dort eben<lb/>
zu groß. Die Neichstagskflmmission hatte dje Ablehnung des Entwurfs in die<lb/>
Form gekleidet, daß sie beantragte, vom Bundesrat zunächst noch ein? Reihe<lb/>
von Feststellungen zu verlangen. Zwar hatte die Neichsregierung schon ein<lb/>
Schriftstück vorgelegt, worin auf Grund umfassender ExHebungen bei den Ge¬<lb/>
richten der Versuch gemacht war, annähernd die Bedürfniszahl der Anwälte<lb/>
und das mutmaßlich denselben jetzt zufließend« durchschnittliche Einkommen<lb/>
festzustellen. Diese Ermittlung war aber den Männern der Kommission bei<lb/>
weitem nicht gründlich genug. Sie beantragten, der Bundesrat solle erst fest¬<lb/>
stellen lassen, wie viel Anwälte bei jedem einzelnen Gericht exforderlich seien,<lb/>
ferner wie viel Einkommen jeder einzelne deutsche Anwalt habe, im allgemeinen<lb/>
sowohl als insbesondre aus Zivilsachen, und ferner sowohl jetzt als nach dem<lb/>
neuen Entwürfe; endlich wie hoch in den einzelnen Bundesstaaten die Ausgaben<lb/>
und Einnahme» seien bej Zivilrechtspflege, bei der Strafrechtspflege und bei<lb/>
dex freiwilligen Gerichtsbarkeit (welche, beiläufig bemerkt, ,g,ax nicht getrennt<lb/>
verwaltet werden). Dieser Antrag ist in der Kommission mit zehn gegen fünf<lb/>
Stimmen (sechs Stimmen fehlten bei der Abstimmung) angenommen worden.<lb/>
Auch der oben erwähnte Berichterstatter verteidigt ihn und hält dessen Aus¬<lb/>
führung wenigstens eines Versuches wert. Hiernach, und du überhaupt der<lb/>
Beschluß von berufenen Männern gefaßt worden ist, müssen wir ja annehmen,<lb/>
daß er auch ernstlich gemeint gewesen sei. Sachlich rechnen wir ihn in seiner<lb/>
völligen Unausführbarkeit zu den unglaublichen Verixinugen, denen sich Juristen,<lb/>
die jhre Interessen verfechten, hingeben können. Jeder Versuch der Ausführung<lb/>
mit feinen handgreiflichen Täuschungen könnte nur das Gelächter aller Unbe¬<lb/>
fangenen herausfordern. Wollten wir dem objektiven Eindruck Raum geben,<lb/>
den jener Beschluß macht, so würden wir ihn für einen bittern Hohn halten,<lb/>
mittels dessen man eine verhaßte Vorlage von sich abgewiesen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1867"> Beharrt dex Reichstag in der von der Kommission bethätigten Stimmung,<lb/>
eine jede Minderung der Anwaltsgebühren ablehnen zu wollen &#x2014; denn darauf<lb/>
läuft ja doch die beantragte Resolution hinaus &#x2014;, so würden wohl auch die<lb/>
Regierungen wenig Neigung haben, an den Gerichtsgebühren etwas abzulassen,<lb/>
und es bliebe alles beim Alten. Das Verhältnis würde dann in dex That<lb/>
an die bekannte Anekdote erinnern, wo zwei Wagenführer, die uneins geworden sind,<lb/>
ihren Streit damit austragen, daß jeder auf die Fahrgäste des ander» losschlägt;<lb/>
nur mit dem Unterschiede, daß es hier der nämliche Fahrgast wäre, auf den von<lb/>
beiden Seiten geschlagen würde: das deutsche Volk, welches die Prozesse führt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1868" next="#ID_1869"> Obgleich nun hiernach der Bericht der Kommission in seinem Hauptergebnis<lb/>
völlig wertlos ist, so enthält ex doch manches, was in andrer Beziehung Be¬<lb/>
achtung verdient. Um die Reformpläne von dex Höhe der Anwaltskosten ab¬<lb/>
zuleiten, wies man in der Kommission von verschiednen Seiten darauf hin, wie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0564] Die Lage d,er Prozeßkostenfrage. dieser Gebühren begegnen! Und dieser Schmerzeiisschrei würde gewiß Auch im Reichstage lebhaften Anklang finden. Der Einfluß der Anwälte ist dort eben zu groß. Die Neichstagskflmmission hatte dje Ablehnung des Entwurfs in die Form gekleidet, daß sie beantragte, vom Bundesrat zunächst noch ein? Reihe von Feststellungen zu verlangen. Zwar hatte die Neichsregierung schon ein Schriftstück vorgelegt, worin auf Grund umfassender ExHebungen bei den Ge¬ richten der Versuch gemacht war, annähernd die Bedürfniszahl der Anwälte und das mutmaßlich denselben jetzt zufließend« durchschnittliche Einkommen festzustellen. Diese Ermittlung war aber den Männern der Kommission bei weitem nicht gründlich genug. Sie beantragten, der Bundesrat solle erst fest¬ stellen lassen, wie viel Anwälte bei jedem einzelnen Gericht exforderlich seien, ferner wie viel Einkommen jeder einzelne deutsche Anwalt habe, im allgemeinen sowohl als insbesondre aus Zivilsachen, und ferner sowohl jetzt als nach dem neuen Entwürfe; endlich wie hoch in den einzelnen Bundesstaaten die Ausgaben und Einnahme» seien bej Zivilrechtspflege, bei der Strafrechtspflege und bei dex freiwilligen Gerichtsbarkeit (welche, beiläufig bemerkt, ,g,ax nicht getrennt verwaltet werden). Dieser Antrag ist in der Kommission mit zehn gegen fünf Stimmen (sechs Stimmen fehlten bei der Abstimmung) angenommen worden. Auch der oben erwähnte Berichterstatter verteidigt ihn und hält dessen Aus¬ führung wenigstens eines Versuches wert. Hiernach, und du überhaupt der Beschluß von berufenen Männern gefaßt worden ist, müssen wir ja annehmen, daß er auch ernstlich gemeint gewesen sei. Sachlich rechnen wir ihn in seiner völligen Unausführbarkeit zu den unglaublichen Verixinugen, denen sich Juristen, die jhre Interessen verfechten, hingeben können. Jeder Versuch der Ausführung mit feinen handgreiflichen Täuschungen könnte nur das Gelächter aller Unbe¬ fangenen herausfordern. Wollten wir dem objektiven Eindruck Raum geben, den jener Beschluß macht, so würden wir ihn für einen bittern Hohn halten, mittels dessen man eine verhaßte Vorlage von sich abgewiesen hat. Beharrt dex Reichstag in der von der Kommission bethätigten Stimmung, eine jede Minderung der Anwaltsgebühren ablehnen zu wollen — denn darauf läuft ja doch die beantragte Resolution hinaus —, so würden wohl auch die Regierungen wenig Neigung haben, an den Gerichtsgebühren etwas abzulassen, und es bliebe alles beim Alten. Das Verhältnis würde dann in dex That an die bekannte Anekdote erinnern, wo zwei Wagenführer, die uneins geworden sind, ihren Streit damit austragen, daß jeder auf die Fahrgäste des ander» losschlägt; nur mit dem Unterschiede, daß es hier der nämliche Fahrgast wäre, auf den von beiden Seiten geschlagen würde: das deutsche Volk, welches die Prozesse führt. Obgleich nun hiernach der Bericht der Kommission in seinem Hauptergebnis völlig wertlos ist, so enthält ex doch manches, was in andrer Beziehung Be¬ achtung verdient. Um die Reformpläne von dex Höhe der Anwaltskosten ab¬ zuleiten, wies man in der Kommission von verschiednen Seiten darauf hin, wie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/564
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/564>, abgerufen am 30.05.2024.