Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

bestätigt hat, dieses Volk will sich als das fromme Lamm hinstellen, das kein
Wässerchen trübe! Nein, und abermals nein, meine Herren Franzosen, das
mögen Sie sich und Ihren geschichtsunkundigen Freunden in Rußland einzu¬
reden versuchen, aber jedermann in der ganzen Welt, der die Geschichte kennt,
weiß zur Genüge, was es von dieser Narrensvosfe zu halten hat.

Und wie es jedem Heuchler geht, so bricht auch bei Herrn Lapisse durch
den ganzen Schwall schönklingender, gleißnerischer Redensarten die wahre Ge¬
sinnung hindurch, wenn er versichert, eine aufrichtige Versöhnung (zwischen
Frankreich und Deutschland) sei unmöglich, aber Frankreich werde warten, es
werde sich nicht blenden lassen durch die Blicke und Flügelschläge des deutschen
Adlers, der über den Vogesen kreise, es werde vielleicht auf seinen Lohn warten
müssen, aber es werde ihn erlangen; wenn er der französischen Demokratie weise
Ratschlüge erteilt, wie sie die Bundesgenossenschaft monarchischer Staaten -- ge¬
meint ist natürlich in erster Linie Rußland -- gewinnen könne. "An dem
Tage, er sei fern oder nahe -- so schließt er mit dem unvermeidlichen Knall¬
effekt --, wo sie letwa Rußland und Dänemarks ihre Heere in Marsch setzen,
werden sie -- man beachte die feine und doch so durchsichtige Wendung! -- Be¬
weise einer zuvorkommender Hochachtung einem wenn auch demokratischen Staate
geben, der über eine Million Soldaten verfügt."

Ja ja, das bleibt unter allen Umständen des Pudels Kern, der langen
gleißnerischen Rede kurzer Sinn -- die Million Soldaten, und über diesen Kern
aller französischen Friedenshencheleieu ist sich das deutsche Volk ebenso klar wie das
französische. Das aber mögen sich Herr Lapisse, Herr Cherbuliez (oder wie er sich
aus einer Art Schanigefühl bei seinen deutschfeindlichen Artikeln in der Rhone
ä<zö äöux rnonäe-s mit falschem Namen unterzeichnet: Herr Vcilbert) und wie
sie alle heißen, die Nevanchehetzcr der französischen Gelehrtenwelt, das mögen
sie sich gesagt sein lassen: Kommt es endlich zu dem von ihnen herbeigesehnten
Kriege, dem Deutschland bisher trotz aller unerhörten Herausforderungen mit
beispielloser Langmut ans dem Wege gegangen ist, so wird ein gutes Teil der
schweren Verantwortung auch auf die "Pharisäer und Schriftgelehrten" der Revue-
äos cieux irilmävZ zurückfallen, an denen sich dann das biblische Wort erfüllen
wird: Wer Wind säet, der wird Sturm ernten.




bestätigt hat, dieses Volk will sich als das fromme Lamm hinstellen, das kein
Wässerchen trübe! Nein, und abermals nein, meine Herren Franzosen, das
mögen Sie sich und Ihren geschichtsunkundigen Freunden in Rußland einzu¬
reden versuchen, aber jedermann in der ganzen Welt, der die Geschichte kennt,
weiß zur Genüge, was es von dieser Narrensvosfe zu halten hat.

Und wie es jedem Heuchler geht, so bricht auch bei Herrn Lapisse durch
den ganzen Schwall schönklingender, gleißnerischer Redensarten die wahre Ge¬
sinnung hindurch, wenn er versichert, eine aufrichtige Versöhnung (zwischen
Frankreich und Deutschland) sei unmöglich, aber Frankreich werde warten, es
werde sich nicht blenden lassen durch die Blicke und Flügelschläge des deutschen
Adlers, der über den Vogesen kreise, es werde vielleicht auf seinen Lohn warten
müssen, aber es werde ihn erlangen; wenn er der französischen Demokratie weise
Ratschlüge erteilt, wie sie die Bundesgenossenschaft monarchischer Staaten — ge¬
meint ist natürlich in erster Linie Rußland — gewinnen könne. „An dem
Tage, er sei fern oder nahe — so schließt er mit dem unvermeidlichen Knall¬
effekt —, wo sie letwa Rußland und Dänemarks ihre Heere in Marsch setzen,
werden sie — man beachte die feine und doch so durchsichtige Wendung! — Be¬
weise einer zuvorkommender Hochachtung einem wenn auch demokratischen Staate
geben, der über eine Million Soldaten verfügt."

Ja ja, das bleibt unter allen Umständen des Pudels Kern, der langen
gleißnerischen Rede kurzer Sinn — die Million Soldaten, und über diesen Kern
aller französischen Friedenshencheleieu ist sich das deutsche Volk ebenso klar wie das
französische. Das aber mögen sich Herr Lapisse, Herr Cherbuliez (oder wie er sich
aus einer Art Schanigefühl bei seinen deutschfeindlichen Artikeln in der Rhone
ä<zö äöux rnonäe-s mit falschem Namen unterzeichnet: Herr Vcilbert) und wie
sie alle heißen, die Nevanchehetzcr der französischen Gelehrtenwelt, das mögen
sie sich gesagt sein lassen: Kommt es endlich zu dem von ihnen herbeigesehnten
Kriege, dem Deutschland bisher trotz aller unerhörten Herausforderungen mit
beispielloser Langmut ans dem Wege gegangen ist, so wird ein gutes Teil der
schweren Verantwortung auch auf die „Pharisäer und Schriftgelehrten" der Revue-
äos cieux irilmävZ zurückfallen, an denen sich dann das biblische Wort erfüllen
wird: Wer Wind säet, der wird Sturm ernten.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201642"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_500" prev="#ID_499"> bestätigt hat, dieses Volk will sich als das fromme Lamm hinstellen, das kein<lb/>
Wässerchen trübe! Nein, und abermals nein, meine Herren Franzosen, das<lb/>
mögen Sie sich und Ihren geschichtsunkundigen Freunden in Rußland einzu¬<lb/>
reden versuchen, aber jedermann in der ganzen Welt, der die Geschichte kennt,<lb/>
weiß zur Genüge, was es von dieser Narrensvosfe zu halten hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_501"> Und wie es jedem Heuchler geht, so bricht auch bei Herrn Lapisse durch<lb/>
den ganzen Schwall schönklingender, gleißnerischer Redensarten die wahre Ge¬<lb/>
sinnung hindurch, wenn er versichert, eine aufrichtige Versöhnung (zwischen<lb/>
Frankreich und Deutschland) sei unmöglich, aber Frankreich werde warten, es<lb/>
werde sich nicht blenden lassen durch die Blicke und Flügelschläge des deutschen<lb/>
Adlers, der über den Vogesen kreise, es werde vielleicht auf seinen Lohn warten<lb/>
müssen, aber es werde ihn erlangen; wenn er der französischen Demokratie weise<lb/>
Ratschlüge erteilt, wie sie die Bundesgenossenschaft monarchischer Staaten &#x2014; ge¬<lb/>
meint ist natürlich in erster Linie Rußland &#x2014; gewinnen könne. &#x201E;An dem<lb/>
Tage, er sei fern oder nahe &#x2014; so schließt er mit dem unvermeidlichen Knall¬<lb/>
effekt &#x2014;, wo sie letwa Rußland und Dänemarks ihre Heere in Marsch setzen,<lb/>
werden sie &#x2014; man beachte die feine und doch so durchsichtige Wendung! &#x2014; Be¬<lb/>
weise einer zuvorkommender Hochachtung einem wenn auch demokratischen Staate<lb/>
geben, der über eine Million Soldaten verfügt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_502"> Ja ja, das bleibt unter allen Umständen des Pudels Kern, der langen<lb/>
gleißnerischen Rede kurzer Sinn &#x2014; die Million Soldaten, und über diesen Kern<lb/>
aller französischen Friedenshencheleieu ist sich das deutsche Volk ebenso klar wie das<lb/>
französische. Das aber mögen sich Herr Lapisse, Herr Cherbuliez (oder wie er sich<lb/>
aus einer Art Schanigefühl bei seinen deutschfeindlichen Artikeln in der Rhone<lb/>
ä&lt;zö äöux rnonäe-s mit falschem Namen unterzeichnet: Herr Vcilbert) und wie<lb/>
sie alle heißen, die Nevanchehetzcr der französischen Gelehrtenwelt, das mögen<lb/>
sie sich gesagt sein lassen: Kommt es endlich zu dem von ihnen herbeigesehnten<lb/>
Kriege, dem Deutschland bisher trotz aller unerhörten Herausforderungen mit<lb/>
beispielloser Langmut ans dem Wege gegangen ist, so wird ein gutes Teil der<lb/>
schweren Verantwortung auch auf die &#x201E;Pharisäer und Schriftgelehrten" der Revue-<lb/>
äos cieux irilmävZ zurückfallen, an denen sich dann das biblische Wort erfüllen<lb/>
wird: Wer Wind säet, der wird Sturm ernten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0213] bestätigt hat, dieses Volk will sich als das fromme Lamm hinstellen, das kein Wässerchen trübe! Nein, und abermals nein, meine Herren Franzosen, das mögen Sie sich und Ihren geschichtsunkundigen Freunden in Rußland einzu¬ reden versuchen, aber jedermann in der ganzen Welt, der die Geschichte kennt, weiß zur Genüge, was es von dieser Narrensvosfe zu halten hat. Und wie es jedem Heuchler geht, so bricht auch bei Herrn Lapisse durch den ganzen Schwall schönklingender, gleißnerischer Redensarten die wahre Ge¬ sinnung hindurch, wenn er versichert, eine aufrichtige Versöhnung (zwischen Frankreich und Deutschland) sei unmöglich, aber Frankreich werde warten, es werde sich nicht blenden lassen durch die Blicke und Flügelschläge des deutschen Adlers, der über den Vogesen kreise, es werde vielleicht auf seinen Lohn warten müssen, aber es werde ihn erlangen; wenn er der französischen Demokratie weise Ratschlüge erteilt, wie sie die Bundesgenossenschaft monarchischer Staaten — ge¬ meint ist natürlich in erster Linie Rußland — gewinnen könne. „An dem Tage, er sei fern oder nahe — so schließt er mit dem unvermeidlichen Knall¬ effekt —, wo sie letwa Rußland und Dänemarks ihre Heere in Marsch setzen, werden sie — man beachte die feine und doch so durchsichtige Wendung! — Be¬ weise einer zuvorkommender Hochachtung einem wenn auch demokratischen Staate geben, der über eine Million Soldaten verfügt." Ja ja, das bleibt unter allen Umständen des Pudels Kern, der langen gleißnerischen Rede kurzer Sinn — die Million Soldaten, und über diesen Kern aller französischen Friedenshencheleieu ist sich das deutsche Volk ebenso klar wie das französische. Das aber mögen sich Herr Lapisse, Herr Cherbuliez (oder wie er sich aus einer Art Schanigefühl bei seinen deutschfeindlichen Artikeln in der Rhone ä<zö äöux rnonäe-s mit falschem Namen unterzeichnet: Herr Vcilbert) und wie sie alle heißen, die Nevanchehetzcr der französischen Gelehrtenwelt, das mögen sie sich gesagt sein lassen: Kommt es endlich zu dem von ihnen herbeigesehnten Kriege, dem Deutschland bisher trotz aller unerhörten Herausforderungen mit beispielloser Langmut ans dem Wege gegangen ist, so wird ein gutes Teil der schweren Verantwortung auch auf die „Pharisäer und Schriftgelehrten" der Revue- äos cieux irilmävZ zurückfallen, an denen sich dann das biblische Wort erfüllen wird: Wer Wind säet, der wird Sturm ernten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/213
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/213>, abgerufen am 15.05.2024.