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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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produktiver Weise angelegt wären, Müßte dann die Überproduktion nicht in
noch höherm Maße hervortreten? So wahr es nun ist, daß die Vermehrung
des produktiven Kapitals als ein Gewinn für das wirtschaftliche Leben der
Nationen zu betrachten ist, so hat doch auch dies wieder seine Grenze und seine
Bedenken. Denn in der gegenwärtigen Zeit, wo das Kapital in solcher Fülle
sich darbietet, daß seine nutzbare Verwendung mit großen Schwierigkeiten ver¬
knüpft ist, wäre es für das Gemeinwohl viel besser, wenn von diesem Kapital
ein ansehnlicher Teil in unproduktiver Weise verbraucht würde, z. B. es wäre
erwünschter, wenn die Bevölkerung alljährlich zehn Millionen Mark mehr für
Zucker aufgäbe, als daß diese zehn Millionen ans die Einrichtung neuer Zucker¬
fabriken verwendet würden. Denn dnrch den Verbrauch würde neue Nachfrage
nach Zucker entstehen, während durch die Errichtung neuer Fabriken die ohne¬
hin schon zu umfangreiche Produktion noch Weiler gesteigert marder würde.
Es ist eben alles daran gelegen, daß Konsumtion und Produktion miteinander
Schritt halten. Die Produktion, die über die Konsumtion, über die Kaufkraft
der Bevölkerung hinausgeht, ist keine nützliche, wirtschaftliche Arbeit mehr. Ob
dies letztere der Fall ist, zeigt sich an dem Sinken des Preises; wenn der Preis
die Kosten der Produktion nicht mehr deckt, so wäre es besser gewesen, die
Produktion zu unterlassen.

An sich ist das stetige Steigen der Produktion ein im höchsten Grade
erwünschter Vorgang. Denn wenn die menschlichen Bedürfnisse in nnsgicbiger
Weise Befriedigung finden sollen, so muß eine reichliche Menge von Gebrauchs-
gegenständen erzeugt werde". Es könnte daher die Behauptung gewagt erscheinen,
daß eine zu starke Ausdehnung der Produktion nachteilige Folgen haben könne.
Wird doch das Erzeugte so oder so, auf die eine oder die andre Art, früher
oder später wirklich verbraucht. Man hört ja nicht davon, daß erzeugte Güter
oder Waaren verderben, weitste nicht an den Mann gebracht werden können.
Das ist freilich nicht der Fall; die Überproduktion zeigt sich aber in dem
schleppenden Geschäft, in den sinkenden Preisen, und die letzteren haben alsbald
die Wirkung, daß, wer nur irgend in der Lage ist, die Produktion einschränkt,
um nicht unter den Produktionskosten arbeiten z" müssen. So entsteht ein
ewiges Hin- und Herschwanken, Unsicherheit in allen Unternehmungen, bezeichnend
für die chronische Krisis, in welcher nur uns schon so lange befinden, und ans
welcher herauszukommen vor der Hand keine Aussicht vorhanden ist.

(Schluß folgt.)




produktiver Weise angelegt wären, Müßte dann die Überproduktion nicht in
noch höherm Maße hervortreten? So wahr es nun ist, daß die Vermehrung
des produktiven Kapitals als ein Gewinn für das wirtschaftliche Leben der
Nationen zu betrachten ist, so hat doch auch dies wieder seine Grenze und seine
Bedenken. Denn in der gegenwärtigen Zeit, wo das Kapital in solcher Fülle
sich darbietet, daß seine nutzbare Verwendung mit großen Schwierigkeiten ver¬
knüpft ist, wäre es für das Gemeinwohl viel besser, wenn von diesem Kapital
ein ansehnlicher Teil in unproduktiver Weise verbraucht würde, z. B. es wäre
erwünschter, wenn die Bevölkerung alljährlich zehn Millionen Mark mehr für
Zucker aufgäbe, als daß diese zehn Millionen ans die Einrichtung neuer Zucker¬
fabriken verwendet würden. Denn dnrch den Verbrauch würde neue Nachfrage
nach Zucker entstehen, während durch die Errichtung neuer Fabriken die ohne¬
hin schon zu umfangreiche Produktion noch Weiler gesteigert marder würde.
Es ist eben alles daran gelegen, daß Konsumtion und Produktion miteinander
Schritt halten. Die Produktion, die über die Konsumtion, über die Kaufkraft
der Bevölkerung hinausgeht, ist keine nützliche, wirtschaftliche Arbeit mehr. Ob
dies letztere der Fall ist, zeigt sich an dem Sinken des Preises; wenn der Preis
die Kosten der Produktion nicht mehr deckt, so wäre es besser gewesen, die
Produktion zu unterlassen.

An sich ist das stetige Steigen der Produktion ein im höchsten Grade
erwünschter Vorgang. Denn wenn die menschlichen Bedürfnisse in nnsgicbiger
Weise Befriedigung finden sollen, so muß eine reichliche Menge von Gebrauchs-
gegenständen erzeugt werde». Es könnte daher die Behauptung gewagt erscheinen,
daß eine zu starke Ausdehnung der Produktion nachteilige Folgen haben könne.
Wird doch das Erzeugte so oder so, auf die eine oder die andre Art, früher
oder später wirklich verbraucht. Man hört ja nicht davon, daß erzeugte Güter
oder Waaren verderben, weitste nicht an den Mann gebracht werden können.
Das ist freilich nicht der Fall; die Überproduktion zeigt sich aber in dem
schleppenden Geschäft, in den sinkenden Preisen, und die letzteren haben alsbald
die Wirkung, daß, wer nur irgend in der Lage ist, die Produktion einschränkt,
um nicht unter den Produktionskosten arbeiten z» müssen. So entsteht ein
ewiges Hin- und Herschwanken, Unsicherheit in allen Unternehmungen, bezeichnend
für die chronische Krisis, in welcher nur uns schon so lange befinden, und ans
welcher herauszukommen vor der Hand keine Aussicht vorhanden ist.

(Schluß folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/22>, abgerufen am 15.05.2024.