Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.Die Opposition während und nach der letzten Reichstagssession. Ultramontanen schwer genug; sie machten denn auch die wunderlichsten Kapriolen. Wie unversöhnlich der boshafteste Gegner des deutschen Staates, Windthorst, Die Opposition während und nach der letzten Reichstagssession. Ultramontanen schwer genug; sie machten denn auch die wunderlichsten Kapriolen. Wie unversöhnlich der boshafteste Gegner des deutschen Staates, Windthorst, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201735"/> <fw type="header" place="top"> Die Opposition während und nach der letzten Reichstagssession.</fw><lb/> <p xml:id="ID_706" prev="#ID_705"> Ultramontanen schwer genug; sie machten denn auch die wunderlichsten Kapriolen.<lb/> Die Freisinnigen singen an, auf wirtschaftliche Sonderinteressen zu spekuliren;<lb/> sie klopften bei den Nationalliberalen an, wie es mit dem Neichssteucrprojekt<lb/> aussähe; Herrn Hänels Blatt meinte, wenn die Nationalliberalcn sich ihrer<lb/> Vergangenheit erinnern wollten, sollte ihnen viel vergessen sein — eine alte<lb/> Litanei. Allen diesen Spekulationen und ander» der Art auf die Eifersucht der<lb/> nationalen Parteien schnitt Kardorffs Rede von vornherein den Lebensfaden ab.<lb/> Gefährlicher waren die Drohungen und Rohheiten des intransigenten Organs<lb/> der Klerikalen, der Germania, welche den Papst aufforderte, seine Meinung in<lb/> Bezug auf das Septennat als eine ihm aufgezwungene zu widerrufen. Er sei<lb/> in der Lage von Pius VII., Paschalis II. und Clemens XIV. gewesen „und<lb/> Paschalis II. und Pius VII. hatten das große Glück, durch eignen Widerruf<lb/> ihrer für die Kirche abträglichen und gefährlichen Handlungen den Fehler<lb/> gut zu machen. Clemens XIV. starb leider darüber hinweg." Leo XIII. war<lb/> also gewarnt; er sollte wissen, daß ihn unter Umständen das Schicksal Franchis,<lb/> seines so plötzlich verstorbenen, dem Frieden geneigten Staatssekretärs, er¬<lb/> wartete.</p><lb/> <p xml:id="ID_707"> Wie unversöhnlich der boshafteste Gegner des deutschen Staates, Windthorst,<lb/> in seinem Hasse gegen Bismarck und das protestantische Kaiserhaus ist, zeigte<lb/> er, als im preußischen Herrenhause die kirchenpolitische Novelle Aussicht hatte,<lb/> angenommen zu werden, womit dem Kulturkampfe ein Ende gesetzt zu werden<lb/> schien. Da veröffentlichte er in der Germania eine Denkschrift, durch die er<lb/> vor der Öffentlichkeit Stellung nahm, ehe der Gesetzentwurf vor das Abgeord^<lb/> netenhcms gelangte. Er besprach darin die einzelnen Artikel des Entwurfes<lb/> und kam zu dem Ergebnis, daß dieser „in keiner Weise als eine abschließende Re¬<lb/> vision der Kulturkampfgesetzgcbung betrachtet werden könne." Wenn der Artikel<lb/> zur Regelung der Anzeigepflicht zur Annahme gelangte, so wären wir damit<lb/> genau wieder auf dem Punkte angekommen, „von wo die Kulturkampfgesctz-<lb/> gebung im Jahre 1873 ihren Ausgang genommen hatte." So war der böse<lb/> Dämon, den Deutschland in Windthorst hat, eifrig bemüht, der Verständigung<lb/> und dem Frieden zwischen Staat und Kirche entgegenzuarbeiten. Die ganze<lb/> Kritik der Denkschrift war zur Aufregung des katholischen Volkes bestimmt.<lb/> Noch kurz vorher bei Beratung des Kultusctats hatte Windthorst erklärt, das<lb/> Zentrum würde angesichts der schwebenden Verhandlungen die kirchenpolitische<lb/> Frage jetzt nicht erörtern. Nun, als die Dinge sich zur Entscheidung zuspitzten,<lb/> trat er aus der Zurückhaltung plötzlich heraus und begann nicht bloß gegen<lb/> den Staat, sondern gegen die Kurie selbst die neue Hetze. Derselbe welfische<lb/> Agent, der jahrelang vom Kulturkampf gelebt, dem katholischen Volke von<lb/> „direkter Verfolgung" immer vorgepredigt, es bis zum „Knirschen des inwen¬<lb/> digen Menschen" aufgereizt hatte, wollte das Ende des Kulturkampfes mit allen<lb/> Mitteln aufhalten; die welfischen Ziele verlangten das.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0306]
Die Opposition während und nach der letzten Reichstagssession.
Ultramontanen schwer genug; sie machten denn auch die wunderlichsten Kapriolen.
Die Freisinnigen singen an, auf wirtschaftliche Sonderinteressen zu spekuliren;
sie klopften bei den Nationalliberalen an, wie es mit dem Neichssteucrprojekt
aussähe; Herrn Hänels Blatt meinte, wenn die Nationalliberalcn sich ihrer
Vergangenheit erinnern wollten, sollte ihnen viel vergessen sein — eine alte
Litanei. Allen diesen Spekulationen und ander» der Art auf die Eifersucht der
nationalen Parteien schnitt Kardorffs Rede von vornherein den Lebensfaden ab.
Gefährlicher waren die Drohungen und Rohheiten des intransigenten Organs
der Klerikalen, der Germania, welche den Papst aufforderte, seine Meinung in
Bezug auf das Septennat als eine ihm aufgezwungene zu widerrufen. Er sei
in der Lage von Pius VII., Paschalis II. und Clemens XIV. gewesen „und
Paschalis II. und Pius VII. hatten das große Glück, durch eignen Widerruf
ihrer für die Kirche abträglichen und gefährlichen Handlungen den Fehler
gut zu machen. Clemens XIV. starb leider darüber hinweg." Leo XIII. war
also gewarnt; er sollte wissen, daß ihn unter Umständen das Schicksal Franchis,
seines so plötzlich verstorbenen, dem Frieden geneigten Staatssekretärs, er¬
wartete.
Wie unversöhnlich der boshafteste Gegner des deutschen Staates, Windthorst,
in seinem Hasse gegen Bismarck und das protestantische Kaiserhaus ist, zeigte
er, als im preußischen Herrenhause die kirchenpolitische Novelle Aussicht hatte,
angenommen zu werden, womit dem Kulturkampfe ein Ende gesetzt zu werden
schien. Da veröffentlichte er in der Germania eine Denkschrift, durch die er
vor der Öffentlichkeit Stellung nahm, ehe der Gesetzentwurf vor das Abgeord^
netenhcms gelangte. Er besprach darin die einzelnen Artikel des Entwurfes
und kam zu dem Ergebnis, daß dieser „in keiner Weise als eine abschließende Re¬
vision der Kulturkampfgesetzgcbung betrachtet werden könne." Wenn der Artikel
zur Regelung der Anzeigepflicht zur Annahme gelangte, so wären wir damit
genau wieder auf dem Punkte angekommen, „von wo die Kulturkampfgesctz-
gebung im Jahre 1873 ihren Ausgang genommen hatte." So war der böse
Dämon, den Deutschland in Windthorst hat, eifrig bemüht, der Verständigung
und dem Frieden zwischen Staat und Kirche entgegenzuarbeiten. Die ganze
Kritik der Denkschrift war zur Aufregung des katholischen Volkes bestimmt.
Noch kurz vorher bei Beratung des Kultusctats hatte Windthorst erklärt, das
Zentrum würde angesichts der schwebenden Verhandlungen die kirchenpolitische
Frage jetzt nicht erörtern. Nun, als die Dinge sich zur Entscheidung zuspitzten,
trat er aus der Zurückhaltung plötzlich heraus und begann nicht bloß gegen
den Staat, sondern gegen die Kurie selbst die neue Hetze. Derselbe welfische
Agent, der jahrelang vom Kulturkampf gelebt, dem katholischen Volke von
„direkter Verfolgung" immer vorgepredigt, es bis zum „Knirschen des inwen¬
digen Menschen" aufgereizt hatte, wollte das Ende des Kulturkampfes mit allen
Mitteln aufhalten; die welfischen Ziele verlangten das.
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