Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.ahnenreichen Namens, sondern ein schlichter niederdeutscher Pfarrerssohn, eben ahnenreichen Namens, sondern ein schlichter niederdeutscher Pfarrerssohn, eben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/201853"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1033" prev="#ID_1032" next="#ID_1034"> ahnenreichen Namens, sondern ein schlichter niederdeutscher Pfarrerssohn, eben<lb/> aus England, wo er bei Verwandten gelebt und seine gelehrte Bildung er¬<lb/> gänzt hatte, nach der Heimat zurückgekehrt, um sich hier der philosophischen<lb/> Dvzeutenlaufbahn, zu der er nach Ausweis mehrerer Veröffentlichungen alles<lb/> Zeug hatte, zu widmen. Aber mit dämonischer Gewalt packen ihn die kolonial¬<lb/> politischen Ideen, die vor drei Jahren in nicht wenigen Kreisen unsers Volkes<lb/> nach Klarheit und Wirklichkeit ringend gährten, und noch blendet ihn das Licht<lb/> kolonialer Riesengröße, das ihn in England umgab. Da stellt seinem unruhig<lb/> nach Bethätigung drängenden Willen fein Heller Verstand, der in den Kern<lb/> der Sache drang und nicht in umständlichen, kostbare Kraft und Zeit vergeudenden<lb/> Theorien schwelgte, mit eins ein größeres Lebensziel vor als dies, schwankenden<lb/> metaphysischen Spekulationen in unsrer von der Notdurft des Lebens so Schwer¬<lb/> gedrückten Zeit nachzuhängen: er will durch eine entscheidende That den gor¬<lb/> dischen Knoten unsrer behaglich einhcrschleichenden, rein theoretischen Kolonial¬<lb/> bewegung durchhauen helfen, will eine wirkliche, lebensfähige Kolonie irgendwo<lb/> gründen, und sollte er darüber zu Grnnde gehen. Ein Anhang war zunächst<lb/> das nötigste: er fand ihn in hochherzigen und, was nicht minder wert war, in<lb/> wohlhabenden Männern, deren Zahl sich bei der rührigen, mit allen Hebeln<lb/> betriebenen Agitation beständig und bald zufriedenstellend mehrte. Durch Aus¬<lb/> gabe von Anteilscheinen Z, tonäs xoräu in größern und kleinern Beträgen<lb/> brachte man ein kleines, aber vorläufig notdürftig ausreichendes Kapital zu¬<lb/> sammen, allen Anfeindungen nud Spöttereien zum Trotz, die, teils redlich, teils<lb/> unredlich gemeint, bald von unehrlichen Gründcrschwindel, bald von unreifer<lb/> Abenteuerlust fabelten. Als Kolonialobjekt konnte Afrika allein in Frage kommen:<lb/> ein nicht genug zu schätzendes Glück, daß die Beteiligten noch in letzter Stunde<lb/> den bisherigen Plan einer Fußfassung im innern Westafrika Peters' Antrage<lb/> zufolge in das gewagtere, aber auch ungleich aussichtsvollere Ostprojekt um¬<lb/> wandelten. So trat denn nach kaum halbjährigen Bestehen die kleine Gesellschaft<lb/> (Peters mit seinen beiden Begleitern, Dr. C. Jühlke und Graf Pfeil) ihren<lb/> friedlichen Eroberungszug an. Das Geheimnis seines erfolgreichen Verlaufes<lb/> lag vorzugsweise in seiner Schnelligkeit und Geheimhaltung. Hätten Peters<lb/> und seine Gefährten üblicherweise in Sansibar ihre Expedition ausgerüstet, was<lb/> umso näher lag, als ihnen nur eine sehr unzureichende Kenntnis der Landes¬<lb/> verhältnisse beiwohnte, oder hätten sie unzeitig Geschrei gemacht von ihrem<lb/> Vorhaben, ihr Versuch wäre kläglich gescheitert. In Sansibar wartete gleich¬<lb/> zeitig eine belgische und eine englische Expedition, beide in umfänglicher Aus¬<lb/> rüstung herkömmlichen Stils begriffen, beide auf ähnliche Ziele gerichtet. Eine<lb/> auf dem Festlande wütende Hungersnot schreckte vom Ausbruch immer wieder<lb/> zurück, und die deutsche Expedition fand Zeit, ihnen in höchst gewagter, aber<lb/> auch höchst geglückter Weise zuvorzukommen. Der Erfolg ist noch immer der beste<lb/> Richter in solchen Dingen gewesen. Die Schwierigkeiten im Innern waren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0424]
ahnenreichen Namens, sondern ein schlichter niederdeutscher Pfarrerssohn, eben
aus England, wo er bei Verwandten gelebt und seine gelehrte Bildung er¬
gänzt hatte, nach der Heimat zurückgekehrt, um sich hier der philosophischen
Dvzeutenlaufbahn, zu der er nach Ausweis mehrerer Veröffentlichungen alles
Zeug hatte, zu widmen. Aber mit dämonischer Gewalt packen ihn die kolonial¬
politischen Ideen, die vor drei Jahren in nicht wenigen Kreisen unsers Volkes
nach Klarheit und Wirklichkeit ringend gährten, und noch blendet ihn das Licht
kolonialer Riesengröße, das ihn in England umgab. Da stellt seinem unruhig
nach Bethätigung drängenden Willen fein Heller Verstand, der in den Kern
der Sache drang und nicht in umständlichen, kostbare Kraft und Zeit vergeudenden
Theorien schwelgte, mit eins ein größeres Lebensziel vor als dies, schwankenden
metaphysischen Spekulationen in unsrer von der Notdurft des Lebens so Schwer¬
gedrückten Zeit nachzuhängen: er will durch eine entscheidende That den gor¬
dischen Knoten unsrer behaglich einhcrschleichenden, rein theoretischen Kolonial¬
bewegung durchhauen helfen, will eine wirkliche, lebensfähige Kolonie irgendwo
gründen, und sollte er darüber zu Grnnde gehen. Ein Anhang war zunächst
das nötigste: er fand ihn in hochherzigen und, was nicht minder wert war, in
wohlhabenden Männern, deren Zahl sich bei der rührigen, mit allen Hebeln
betriebenen Agitation beständig und bald zufriedenstellend mehrte. Durch Aus¬
gabe von Anteilscheinen Z, tonäs xoräu in größern und kleinern Beträgen
brachte man ein kleines, aber vorläufig notdürftig ausreichendes Kapital zu¬
sammen, allen Anfeindungen nud Spöttereien zum Trotz, die, teils redlich, teils
unredlich gemeint, bald von unehrlichen Gründcrschwindel, bald von unreifer
Abenteuerlust fabelten. Als Kolonialobjekt konnte Afrika allein in Frage kommen:
ein nicht genug zu schätzendes Glück, daß die Beteiligten noch in letzter Stunde
den bisherigen Plan einer Fußfassung im innern Westafrika Peters' Antrage
zufolge in das gewagtere, aber auch ungleich aussichtsvollere Ostprojekt um¬
wandelten. So trat denn nach kaum halbjährigen Bestehen die kleine Gesellschaft
(Peters mit seinen beiden Begleitern, Dr. C. Jühlke und Graf Pfeil) ihren
friedlichen Eroberungszug an. Das Geheimnis seines erfolgreichen Verlaufes
lag vorzugsweise in seiner Schnelligkeit und Geheimhaltung. Hätten Peters
und seine Gefährten üblicherweise in Sansibar ihre Expedition ausgerüstet, was
umso näher lag, als ihnen nur eine sehr unzureichende Kenntnis der Landes¬
verhältnisse beiwohnte, oder hätten sie unzeitig Geschrei gemacht von ihrem
Vorhaben, ihr Versuch wäre kläglich gescheitert. In Sansibar wartete gleich¬
zeitig eine belgische und eine englische Expedition, beide in umfänglicher Aus¬
rüstung herkömmlichen Stils begriffen, beide auf ähnliche Ziele gerichtet. Eine
auf dem Festlande wütende Hungersnot schreckte vom Ausbruch immer wieder
zurück, und die deutsche Expedition fand Zeit, ihnen in höchst gewagter, aber
auch höchst geglückter Weise zuvorzukommen. Der Erfolg ist noch immer der beste
Richter in solchen Dingen gewesen. Die Schwierigkeiten im Innern waren
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