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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr.

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Die katholischen Studentenverbindungen.

Verbindungen die Mitgliedschaft lebenslänglich ("Lebensverbindung"), bei den
Vereinen ist der Austritt jederzeit zulässig; die Verbindungen tragen Farben,
die Vereine nicht, höchstens haben sie bei Festlichkeiten kleine Abzeichen, um sich
kenntlich zu machen. Die "Prinzipien" beider sind, wie uns versichert wird,
Religion und Wissenschaft, beide sind bestrebt, ihre Mitglieder zu braven, ehren¬
werten Staatsbürgern, zu tüchtige" Gelehrten und Berufsmenschen zu erziehen.
Somit sind beide gleich empfehlenswert und sind auch von der kirchlichen Be¬
hörde mehrfach gleich warm empfohlen worden.

In dieser und ähnlicher Weise wird zu Anfang und zu Ende fast jedes
Semesters in den ultramontanen Blättern die Werbetrommel für die katholischen
Studentenverbindungen geschlagen. "Mit schwerem Herzen -- heißt es an einer
uns vorliegenden Stelle -- sieht die Mutter ihren Liebling zur Universität
gehen, wenn sie alle die Gefahren bedenkt, denen er in sittlicher und religiöser Be¬
ziehung ausgesetzt ist; darum möchte ich im Interesse unsrer katholischen Sache,
im Interesse der Studenten, im Interesse der Wissenschaft noch ein recht ein¬
dringliches Wort zur Empfehlung der katholischen Studentenverbindungen wie
der Vereine sagen. Kein Vater und keine Mutter, welche ihren Sohn auf die
Universität oder die technische Hochschule schicken wollen, mögen es versäumen,
ihm die Verpflichtung abzunehmen, in keine andre studentische gesellige Korpo¬
ration einzutreten, als in eine katholische. . . . Diese katholischen Vereinigungen
bilden für den jungen Mann, der gerade in den gefährlichsten Jahren ist, einen
Halt, ein gewisses Heim, das ihm von einem Semester zum andern lieber wird.
Er findet in den betreffenden Vereinigungen Studiengenossen, mit denen er ge¬
meinsam arbeitet, das Beispiel andrer regt ihn an, die Vorträge, die von Zeit
zu Zeit gehalten werden, erweitern seinen Gesichtskreis" u. s. w. Auch von einer
Fahnenweihe wird dann und wann berichtet. Die Fahne war natürlich von
katholischen Jungfrauen geschenkt und wurde in der Kirche vom katholischen
Geistlichen geweiht. Von Zeit zu Zeit wird ein Auszug aus dem Korrespon¬
denzblatt der katholischen Studentenverbindungen gegeben. Da wird die Anzahl
der Mitglieder der einzelnen Verbindungen genannt. Dann wird weiter erzählt
von dem soundsovieljährigen Stiftungsfeste einer Verbindung. Einmal brachte
auch ein katholisches Blatt eine ausführliche Beschreibung eines solchen Stif¬
tungsfestes. Erst war feierliches Hochamt, bei dem die beiden jüngsten Füchse
als Ministranten dienten. Dann folgte ein Frühschoppen, hierauf das Mittags-
essen, dem sich die eigentliche Festkneipe anschloß, die bis spät in die Nacht
dauerte. Dieser merkwürdige Bericht über die "fromme Kneiperei" veranlaßte
den Kladderadatsch zu der Frage, ob es nicht vielleicht angebracht gewesen sei,
auch ein Totenamt für die Abgefallenen zu halten. Als Reklame für die Ver¬
bindung war zuletzt uoch bemerkt, daß Se. Magnifizenz der Rektor, sowie auch
einige andre Professoren dem Feste beigewohnt hätten, woraus man ersehen
könne, welcher Achtung sich die Verbindung auch in Dozentenkreisen erfreue.


Die katholischen Studentenverbindungen.

Verbindungen die Mitgliedschaft lebenslänglich („Lebensverbindung"), bei den
Vereinen ist der Austritt jederzeit zulässig; die Verbindungen tragen Farben,
die Vereine nicht, höchstens haben sie bei Festlichkeiten kleine Abzeichen, um sich
kenntlich zu machen. Die „Prinzipien" beider sind, wie uns versichert wird,
Religion und Wissenschaft, beide sind bestrebt, ihre Mitglieder zu braven, ehren¬
werten Staatsbürgern, zu tüchtige» Gelehrten und Berufsmenschen zu erziehen.
Somit sind beide gleich empfehlenswert und sind auch von der kirchlichen Be¬
hörde mehrfach gleich warm empfohlen worden.

In dieser und ähnlicher Weise wird zu Anfang und zu Ende fast jedes
Semesters in den ultramontanen Blättern die Werbetrommel für die katholischen
Studentenverbindungen geschlagen. „Mit schwerem Herzen — heißt es an einer
uns vorliegenden Stelle — sieht die Mutter ihren Liebling zur Universität
gehen, wenn sie alle die Gefahren bedenkt, denen er in sittlicher und religiöser Be¬
ziehung ausgesetzt ist; darum möchte ich im Interesse unsrer katholischen Sache,
im Interesse der Studenten, im Interesse der Wissenschaft noch ein recht ein¬
dringliches Wort zur Empfehlung der katholischen Studentenverbindungen wie
der Vereine sagen. Kein Vater und keine Mutter, welche ihren Sohn auf die
Universität oder die technische Hochschule schicken wollen, mögen es versäumen,
ihm die Verpflichtung abzunehmen, in keine andre studentische gesellige Korpo¬
ration einzutreten, als in eine katholische. . . . Diese katholischen Vereinigungen
bilden für den jungen Mann, der gerade in den gefährlichsten Jahren ist, einen
Halt, ein gewisses Heim, das ihm von einem Semester zum andern lieber wird.
Er findet in den betreffenden Vereinigungen Studiengenossen, mit denen er ge¬
meinsam arbeitet, das Beispiel andrer regt ihn an, die Vorträge, die von Zeit
zu Zeit gehalten werden, erweitern seinen Gesichtskreis" u. s. w. Auch von einer
Fahnenweihe wird dann und wann berichtet. Die Fahne war natürlich von
katholischen Jungfrauen geschenkt und wurde in der Kirche vom katholischen
Geistlichen geweiht. Von Zeit zu Zeit wird ein Auszug aus dem Korrespon¬
denzblatt der katholischen Studentenverbindungen gegeben. Da wird die Anzahl
der Mitglieder der einzelnen Verbindungen genannt. Dann wird weiter erzählt
von dem soundsovieljährigen Stiftungsfeste einer Verbindung. Einmal brachte
auch ein katholisches Blatt eine ausführliche Beschreibung eines solchen Stif¬
tungsfestes. Erst war feierliches Hochamt, bei dem die beiden jüngsten Füchse
als Ministranten dienten. Dann folgte ein Frühschoppen, hierauf das Mittags-
essen, dem sich die eigentliche Festkneipe anschloß, die bis spät in die Nacht
dauerte. Dieser merkwürdige Bericht über die „fromme Kneiperei" veranlaßte
den Kladderadatsch zu der Frage, ob es nicht vielleicht angebracht gewesen sei,
auch ein Totenamt für die Abgefallenen zu halten. Als Reklame für die Ver¬
bindung war zuletzt uoch bemerkt, daß Se. Magnifizenz der Rektor, sowie auch
einige andre Professoren dem Feste beigewohnt hätten, woraus man ersehen
könne, welcher Achtung sich die Verbindung auch in Dozentenkreisen erfreue.


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[0472] Die katholischen Studentenverbindungen. Verbindungen die Mitgliedschaft lebenslänglich („Lebensverbindung"), bei den Vereinen ist der Austritt jederzeit zulässig; die Verbindungen tragen Farben, die Vereine nicht, höchstens haben sie bei Festlichkeiten kleine Abzeichen, um sich kenntlich zu machen. Die „Prinzipien" beider sind, wie uns versichert wird, Religion und Wissenschaft, beide sind bestrebt, ihre Mitglieder zu braven, ehren¬ werten Staatsbürgern, zu tüchtige» Gelehrten und Berufsmenschen zu erziehen. Somit sind beide gleich empfehlenswert und sind auch von der kirchlichen Be¬ hörde mehrfach gleich warm empfohlen worden. In dieser und ähnlicher Weise wird zu Anfang und zu Ende fast jedes Semesters in den ultramontanen Blättern die Werbetrommel für die katholischen Studentenverbindungen geschlagen. „Mit schwerem Herzen — heißt es an einer uns vorliegenden Stelle — sieht die Mutter ihren Liebling zur Universität gehen, wenn sie alle die Gefahren bedenkt, denen er in sittlicher und religiöser Be¬ ziehung ausgesetzt ist; darum möchte ich im Interesse unsrer katholischen Sache, im Interesse der Studenten, im Interesse der Wissenschaft noch ein recht ein¬ dringliches Wort zur Empfehlung der katholischen Studentenverbindungen wie der Vereine sagen. Kein Vater und keine Mutter, welche ihren Sohn auf die Universität oder die technische Hochschule schicken wollen, mögen es versäumen, ihm die Verpflichtung abzunehmen, in keine andre studentische gesellige Korpo¬ ration einzutreten, als in eine katholische. . . . Diese katholischen Vereinigungen bilden für den jungen Mann, der gerade in den gefährlichsten Jahren ist, einen Halt, ein gewisses Heim, das ihm von einem Semester zum andern lieber wird. Er findet in den betreffenden Vereinigungen Studiengenossen, mit denen er ge¬ meinsam arbeitet, das Beispiel andrer regt ihn an, die Vorträge, die von Zeit zu Zeit gehalten werden, erweitern seinen Gesichtskreis" u. s. w. Auch von einer Fahnenweihe wird dann und wann berichtet. Die Fahne war natürlich von katholischen Jungfrauen geschenkt und wurde in der Kirche vom katholischen Geistlichen geweiht. Von Zeit zu Zeit wird ein Auszug aus dem Korrespon¬ denzblatt der katholischen Studentenverbindungen gegeben. Da wird die Anzahl der Mitglieder der einzelnen Verbindungen genannt. Dann wird weiter erzählt von dem soundsovieljährigen Stiftungsfeste einer Verbindung. Einmal brachte auch ein katholisches Blatt eine ausführliche Beschreibung eines solchen Stif¬ tungsfestes. Erst war feierliches Hochamt, bei dem die beiden jüngsten Füchse als Ministranten dienten. Dann folgte ein Frühschoppen, hierauf das Mittags- essen, dem sich die eigentliche Festkneipe anschloß, die bis spät in die Nacht dauerte. Dieser merkwürdige Bericht über die „fromme Kneiperei" veranlaßte den Kladderadatsch zu der Frage, ob es nicht vielleicht angebracht gewesen sei, auch ein Totenamt für die Abgefallenen zu halten. Als Reklame für die Ver¬ bindung war zuletzt uoch bemerkt, daß Se. Magnifizenz der Rektor, sowie auch einige andre Professoren dem Feste beigewohnt hätten, woraus man ersehen könne, welcher Achtung sich die Verbindung auch in Dozentenkreisen erfreue.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_201428/472>, abgerufen am 15.05.2024.